Sächsische Staatsregierung plant „Wohnsitzauflage“ ab November

R_6538e91045Medienberichten zufolge will die sächsische Staatsregierung ab November anerkannte Geflüchtete zur Wohnsitznahme in demjenigen Landkreis zwingen, in dem ihr Asylverfahren abgeschlossen wurde – und das solange sie staatliche Transferleistungen erhalten. Diese „Wohnsitzauflage“ ist durch das Bundes-Integrationsgesetz möglich geworden. Die Linksfraktion lehnt diese Regelung ab. Meine Stellungnahme dazu:
Sachsen sollte dieses Instrument nicht gebrauchen. Es ist zweifelhaft, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Es dient aber auch nicht der Integration, Menschen zwangsweise dort anzusiedeln, wo sie für sich keine Perspektive sehen. Wie Einheimische auch ziehen Geflüchtete an Orte, an denen sie auf Arbeit und soziale Kontakte hoffen können. Wer will, dass sich Geflüchtete auch im ländlichen Raum niederlassen, muss dort die Lebensqualität erhöhen – durch eine Wirtschaftsförderung, die Arbeitsplatzangebote schafft, durch Bildungsangebote, akzeptable Mobilitätsstrukturen und anderes mehr. Davon profitiert auch die alteingesessene Bevölkerung.

In Sachsen regiert die CDU seit mehr als 25 Jahren. Die Perspektivlosigkeit mancher ländlicher Regionen im Freistaat ist auch die Folge ihrer Politik. Wer nun versucht, eigenes Versagen mit staatlichen Zwangsmaßnahmen zu überdecken, wird scheitern. Eine Wohnsitzauflage zwingt die mehrheitlich jungen Geflüchteten im Zweifel eher in die wirtschaftliche Illegalität, dazu, sich andernorts mit Gelegenheits- und Schwarzarbeit durchzuschlagen, anstatt um der Transferleistungen willen an Orten zu versauern, an denen sie für sich keine Lebensperspektive sehen. Die Regierungen wären gut beraten, sich mit den sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und anderen Folgen der unausweichlichen Wanderungsbewegungen zu befassen, anstatt sich auf einer Scheinlösung auszuruhen.

Es wäre überdies komplett irrsinnig, die Wohnsitzauflage auch noch rückwirkend zum Jahresbeginn in Kraft zu setzen und bereits abgewanderte Geflüchtete zum Umzug zwingen zu wollen – so als hätte die Staatsverwaltung in Sachsen eine solche Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nötig. Das würde auch Geflüchtete, die sich inzwischen ein Lebensumfeld aufgebaut haben, wieder aus demselben herausreißen. Integrationsfeindlicher geht es nicht.

PM 29. August 2016

>>> Kleine Anfrage Drs 6/5952 Wohnsitzauflage für anerkannte Geflüchtete

4 Gedanken zu „Sächsische Staatsregierung plant „Wohnsitzauflage“ ab November“

  1. Irgendwo habe ich es doch gelesen, ich glaube im MDR: Aus Görlitz sind 80% der Flüchtlinge wieder weggezogem. Zum Großteil nach Westdeutschland, gefolgt von Leipzig und Dresden.

    Die meisten wollen in westdeutsche Städte, Leipzig oder Dresden.

    Ein Neuankömmling hat sicherlich wenig Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben in einem Dorf im Erzgebirge. Aber was spricht dagegen als Flüchtling einen gewissen Zeitraum in einer größeren Kreisstadt zu wohnen?

    Größere Kreisstädte, sogenannte Mittelzentren verfügen über alles was man für ein gutes Leben mit Bildung und Freizeitgestaltung braucht: Fachärzte, Berufsschulen, Gymnasien, Kino…. Flüchtlinge können dort problemlos ihren 6 bis 18 Monatigen Deutschkurs absovieren.

    Es hilft bei der Integration und auch beim Wohnraummangeln in vielen Großstädten, wenn nicht alle nur in Hamburg, Essen oder Leipzig leben. Den Sprachkurs kann man genauso gut auch in Markkleeberg oder Riesa machen.

    Das darf natürlich nicht für länger als 1-2Jahre gelten und ein Zusammenzug mit Familie, Partner oder Umzug wegen Berufsausbildung oder Arbeit muss gewährleistet sein. Auch macht es wenig Sinn Flüchtlinge in kleine Kreisstädte unterzubringen, die nur als Unterzentrum gelten, wo es wirklich wenig Perspektiven gibt.

    Kritisch ist allerdings die Zeit nach dem Sprachkurs, wenn die Flüchtlinge anerkannt sind und eine Arbeitserlaubnis erhalten. Dann muss es ihnen erlaubt sein umzuziehen, um zum Beispiel bessere Arbeitschancen zu haben. Wurde also ein Flüchtling z.B. 1 Jahr in Riesa integiert und will sein Glück dann lieber in München versuchen, weil er sich dort bessere Jobchancen verspricht muss das auch möglich sein, schließlich dient das auch der Integration.

    Man muss also unterscheiden zwischen Ankunftsphase mit Sprachkurs und der darauffolgenden Phase wie Berufssuche oder Ausbildung.

  2. Allerdings geht es hier mehr um die Zeit nach Abschluß des Asylverfahrens, wo die Flüchtlinge dann schon eine Arbeitserlaubnis haben.

    Da stellt sich schon die Frage wie lange eine solche Wohnsitzauflage gelten soll. Soll jemand 1 Jahr an einem bestimmten Ort leben müssen oder 3 Jahre oder 5 Jahre oder 10 Jahre oder sein ganzes Leben?

    Das ist natürlich mit der Würde des Menschen nicht vereinbar, insofern stellen sich solche Fragestellungen garnicht erst.

    Was wird also passieren? Die Flüchtlinge werden weiterhin die ländlichen Regionen verlassen, so wie das dort auch viele in der Bevölkerung wünschen. Sie werden zum Großteil nach Westdeutschland umziehen, gefolgt von Leipzig, Berlin und Dresden.

    Es wird knappen Wohnraum in den Metropolen geben. Bei der LWB wird laut MDR schon Schmiergeld von bis zu 750Euro von Schwarzmarktmarklern verlangt, damit man von einer mehr monatigen Warteliste (wohl bis zu 1-2Jahre…) innerhalb weniger Wochen eine Wohnung bekommt.

    Diese Probleme werden ausufern, es wäre sehr interessant wenn dazu mal jemand einen Bericht macht, wo man noch überall Schmiergeld bezahlen muss. Das betrifft sicherlich nicht nur Flüchtlinge sondern alle die eine günstige Sozialwohnung brauchen.

    In Paris verlangen Vermieter von vielen Studentinnen die eine Wohnung, besser gesagt ein Zimmer suchen, als Gegenleistung nicht selten sogar Sex…das mit dem Schmiergeld ist also nur die Vorstufe.

  3. Auf jedenfall muss alles getan werden, dass die Integration auch in den Großstadtgebieten gelingt, wo sich Flüchtlinge und Migranten verstärkt ansiedeln.

    Wir kennen viele solche Gebiete aus anderen Städten wie Berlin-Neukölln. Auch in Leipzig ziehe viele Migranten verstärkt in den Osten, ins Gebiet um die Eisenbahnstraße bis Schönefeld.

    Dort sollte die Stadt dringend lokale Zentren an zentraler Stelle eröffnen die kostenlose Deutschkurse und Freizeitangebote für jederman anbieten, also am besten rund um die Uhr / Vormittags, Nachmittags und Abends, damit jeder sie wahrnehmen kann und das ganze am besten auch ohne Anmeldung, damit jeder erreicht wird.

    Um Deutsch richtig gut zu lernen braucht man nuneinmal mind. 2 Jahre und die wenigstens Leute dürften Lust haben 2 Jahre lang mehrmals die Woche noch in die VHS etc. zu fahren….

    Deswegen sind lokale Angebote sehr wichtig.

  4. Martin 29. August 2016 um 21:47
    „Größere Kreisstädte, sogenannte Mittelzentren verfügen über alles was man für ein gutes Leben mit Bildung und Freizeitgestaltung braucht: Fachärzte, Berufsschulen, Gymnasien, Kino…. Flüchtlinge können dort problemlos ihren 6 bis 18 Monatigen Deutschkurs absovieren.“
    Wenn dem so wäre, warum verzeichnen dann ALLE sogenannten „Mittelzentren“ im Osten DEs aber auch etliche anderen Gegenden einen allgemeinen Bevölkerungsrückgang?

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