Im Landtag wurde am 13.12.2023 über den Sonderbericht des Rechnungshofs zum Vollzug der Förderrichtlinie Integrative Maßnahmen im Sozialministerium diskutiert. Mit Rico Gebhardt erkläre ich dazu:
„Wir treten stets dafür ein, fehlerhaftes und rechtswidriges Verhalten aufzuklären. Das gilt auch in diesem Fall. Wir erkennen an, dass das Ministerium Maßnahmen trifft, um eine ordnungsgemäße Mittelvergabe sicherzustellen. Dabei dürfen nur Recht und Gesetz sowie der Förderzweck eine Rolle spielen, nichts Anderes. Der Hauptverantwortliche für die gemachten Fehler wurde entlassen. Zum ganzen Bild gehört jedoch auch die Aussage des Rechnungshofpräsidenten, wonach kein Dokument gefunden worden sei, ,wo mit grünen Stift von der Ministerin formuliert wird, es solle irgendetwas rechtswidrig ausgezahlt werden‘.
Der Rechnungshof sollte darauf achten, dass keine Zweifel an seiner politischen Unabhängigkeit entstehen. Das ist die Folge, wenn er Bewertungen abgibt, die ihm nicht zustehen. Der Hof hat den Vollzug von Regeln zu kontrollieren, die festzulegen nicht seine Aufgabe ist.“
Juliane Nagel, Sprecherin für Migrationspolitik, erklärt:
„Es gab beim Verwaltungsvollzug der Integrativen Maßnahmen Teil 1 erhebliche Defizite. Entscheidungen und Verantwortlichkeiten waren intransparent und nicht nachvollziehbar, Dokumentationen und Zeichnungsregelungen fehlten oder waren unzureichend – um nur einige Beispiele zu nennen. Richtig ist: Es war 2015/2016 schwierig, auf die Ankunft der Geflüchteten zu reagieren. Die CDU-geführten Staatsregierungen seit 1990 hatten keine Förderpraxis etabliert, mit deren Hilfe schutzsuchende Menschen integriert werden können. Dahinter stand die ignorante Haltung, dass Sachsen kein Einwanderungsland sei und auch keines sein solle. Das war damals falsch und ist es heute erst recht. Bis heute hat Sachsen großen Nachholbedarf dabei, Menschen mit Migrationsgeschichte und Menschen ohne Migrationsgeschichte zusammenzuführen.
Es ist nachvollziehbar, dass schnell und auch unkonventionell gehandelt werden musste. Diese Praxis hätte aber schnellstmöglich geändert werden müssen, um klare Strukturen, rechtskonforme und transparente Entscheidungen zu gewährleisten. Dies unterblieb, was diejenigen politisch ausschlachten, die Stimmung gegen geflüchtete Menschen machen. Die Leidtragenden sind Träger, die sich um Integration bemühen. Die neue Förderrichtlinie gefährdet jetzt deren Finanzierung und legt ihrer Arbeit sinnlose Fesseln an – das ist die bittere Folge der Schludrigkeit im Sozialministerium. Wir lehnen das ab. Sachsen braucht seine kritische Zivilgesellschaft!“
Meine Rede in der Aktuellen Debatte:
Ich möchte an den Anfang einen Befund des Rechnungshofes selbst stellen: Der Bericht habe „auch präventiven Charakter für andere Richtlinien und deren Fördervollzug“. Im Juli hat das Kabinett die Neuausrichtung von Förderverfahren im Freistaat Sachsen beschlossen, ressortspezifische Fachförderstrategien sollen folgen. Das ist richtig und wichtig – weisst vielleicht auf andere Probleme hin. Wir werden jedenfalls eine Lex Sozialministerium nicht hinnehmen. Es darf hier nicht mit zweierlei Maß gemessen werden. Und in diesem Zusammenhang muss auch gefragt werden wie die Wahl des Förderprogramms IM für eine Sonderprüfung des RH an und für sich zustande kam.
Fakt ist, und daran ist nicht zu deuteln: es gab beim Verwaltungsvollzug der Integrativen Maßnahmen Teil 1 erhebliche Defizite. Entscheidungsverfahren waren nicht nachvollziehbar, Verantwortlichkeiten intransparent, Dokumentationen, Zeichnungsregelungen unzureichend oder nicht vorhanden– und nur einige Beispiele zu nennen.
Denken wir noch einmal zurück: Im Jahr 2014 begann die Zahl von Menschen, die in Deutschland Schutz zu wachsen und erreichte 2015 und 2016 einen Höhepunkt. In Sachsen gab es damals keine nennenswerten Strukturen um Aufnahme, Unterstützung und Integration von Menschen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte zu gewährleisten. Die CDU-geführte Regierung hatte hier wohl nicht zufällig eine Lücke gelassen, denn das von Stanislav Tillich ausgerufene Paradigma war: Sachsen ist kein Einwanderungsland. Das war damals falsch und ist es heute erst recht. Das Förderprogramm Integrative Maßnahmen wurde aus dem Boden gestampft. Für uns als LINKE ist nachvollziehbar, dass damals schnell und auch unkonventionell gehandelt werden musste. Aber: in den Folgejahren hätte diese Praxis geändert und zu klaren Strukturen, rechtskonformen und transparenten Entscheidungsverfahren gekommen werden müssen. Dass Sachsen in diesem Bereich einen enormen Nachholbedarf hat allerdings steht für uns ausser Frage (siehe Ausgaben im Vergleich der Länder). Und wie schwer das ist führt die gesichert rassistische AfD hier ja nur zu deutlich auf. Und leider auch die CDU, wenn sie die asylfeindlichen Motive übernimmt.
Die Leidtragenden der Stimmungsmache sind auch diesmal die Träger und Projekte, die sich um Integration und Teilhabe von Menschen mit Migrationsgeschichte bemühen, die seit 2015 beachtliche Strukturen aufgebaut, ankommenden Menschen unterstützt und diese Gesellschaft gestaltet und verändert haben. Und das trotz massiver Widerstände.
Rico Gebhardt hat es bereits angeführt: Wir halten das Vorgehen des Rechnungshofes wenn es um politische Bewertungen der Arbeit von Trägern oder von Äußerungen und Würdigungen von Projekten durch das Sozialministerium geht, für nicht sachgemäß. Der Rechnungshof hat den Fördermittelvollzug zu prüfen. Punkt aus.
Das Zwischenergebnis der Prüfung ist neben Häme und Hetze eine neue Förderrichtlinie. Diese vereinfacht die Förderung allerdings nicht wie behauptet, sondern gefährdet die Trägerlandschaft in Sachsen: Innerhalb von 3 Wochen müssen sowieso prekär arbeitende Projektträger Anträge an der neuen FRL ausrichten, Anträge, die sie fristgemäß im Juli diesen Jahres schon eingereicht hatten. Eine Entscheidung wird erst im 1. Quartal fallen. Das heißt: Planungsunsicherheit und Entlassungen.
Mit der Implementierung einer Extremismusklausel light und den Ausschluss politischer Aktivität aus der Förderung, gibt das Sozialministerium die politisch gefärbte Kritik des RH direkt an die Träger weiter. Dabei ist die Arbeit für die Integration und Partizipation von Menschen mit Einwanderungsgeschichte ist politisch – was sonst? Sie erfolgt vielerorts gegen den Willen konservativer Landräte und Verwaltungen. Für uns liegt auf der Hand, dass diese Arbeit menschenrechtswidrige Politik kritisieren muss.
In diesem Sinne: Wir stehen hinter dem Förderprogramm, wir stehen hinter einer Novellierung, wir stehen für mehr Transparenz: z.B. durch die Einführung eines Beirats wie beim Weltoffenen Sachsen. Und wir wünschen uns eine kritische Zivilgesellschaft, die sich nicht durch eine Debatte wie diese oder übers Ziel hinausschießende Bewertungen einer Finanzkontrollbehörde zum Schweigen bringen lässt.