Rassistische Einlasskontrollen und „Ausländerkriminalität“: Vergleich von Äpfeln und Birnen schürt Alltagsrassismus

Zum Interview mit Enrico Hochmuth in der LVZ vom 10.1.2014 erklärt Juliane Nagel, Stadträtin in Leipzig: Die Aussagen des ehemaligen Türstehers Hochmuth, dass es keine Probleme mit rassistischen Einlasskontrollen und dafür ein Problem mit „Ausländerkriminalität“ gäbe, bagatellisieren und schüren Alltagsrassimus.

Das Antidiskriminierungsbüro hatte zuletzt 2011 und davor 2008 und 2006 Leipziger Clubs und Diskotheken auf ihre Türpolitik getestet. Das Ergebnis war jeweils ernüchternd: Menschen mit Migrationshintergrund wurde weit häufiger der Eintritt verwehrt als mehrheitsdeutschen Testpersonen. Das Ergebnis dieser Testing entspricht dem Erleben zahlreicher Menschen, die „nicht-deutsch“ aussehen.
In mindestens drei Fällen bekamen die Betroffenen des 2011er-Testings vor Gericht Recht. Die Clubs wurden wegen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verurteilt.
Hochmuth kann diese Ergebnisse nicht widerlegen und ergeht sich dagegen in Behauptungen. Doch rassistische Diskriminierung ist etwas vollkommen anderes als die Abweisung von Mehrheitsdeutschen, die betrunken sind, Bomberjacken tragen oder sich in anderer Art und Weise „daneben“ benehmen.

Sozialwissenschaftliche Untersuchungen ermitteln immer wieder, wie tief verankert xenophobe und rassistische Einstellungen in der Gesamtbevölkerung sind. Ausschluss und Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund basieren auf der pauschalen Zuschreibung negativer Eigenschaften. Die Proteste gegen die Unterbringung von Asylsuchenden haben diesen Mechanismus in den letzten Monaten in erschreckender Weise demonstriert. Der Ausschluss von MigrantInnen an der Disko-Tür funktioniert in gleicher Weise. Wenn der Interviewte die Auseinandersetzungen und Kriminalität im Türsteher-Milieu, in die Menschen verschiedener Herkunft involviert sind, mit Alltagsdiskriminierung gleichsetzt, vergleicht er Äpfel mit Birnen. Genauso wird Rassismus geschürt und das Anliegen einer diskriminierungsfreien Behandlung an der Disko-Tür sowie in allen Bereichen der Gesellschaft diskreditiert. Kräften wie der NPD, die MigrantInnen systematisch mit Kriminalität in Eins setzen, wird so ein Bärendienst erwiesen.

Natürlich kann es nicht darum gehen, Kriminalität zu bagatellisieren. Eine Ethnisierung von kriminellen Aktivitäten jedoch ist nicht nur hoch gefährlich, sondern entbehrt jeder fachlichen Grundlage. Natürlich gibt es Kriminalität, die nur von Menschen ohne deutschen Pass begangen werden kann. Dies sind zum Beispiel Verstöße gegen das Aufenthalts- oder Asylverfahrensgesetz. Es gibt keine besonderen „kriminelle Neigungen“ von nicht in Deutschland geborenen Menschen. Der Blick muss hier eher auf Ursachen wie den sozialen Status oder Problemen bei der Aufnahme durch die hiesige Gesellschaft gelenkt werden.

Genauso wichtig, aber ein komplett anderer Sachverhalt ist das Durchsetzen eines diskriminierungsfreien Miteinanders von Menschen verschiedener Herkunft, wie es das Antidiskriminierungsbüro erwirken will.

Pressemitteilung, 10.1.14

>>> zum Scan des Interviews

3 Gedanken zu „Rassistische Einlasskontrollen und „Ausländerkriminalität“: Vergleich von Äpfeln und Birnen schürt Alltagsrassismus“

  1. Der Typ hat auf dem Bild das Buch von Samuel P. Huntington in der Hand. Ein (pseudo-wissenschaftliches) Buch, welches den unvermeidlichen Kampf zwischen den Kulturen (Claah of Civilizations – Titel), v.a. zwischen „dem Westen“ und „dem Rest“ (The West against the Rest – Untertitel) propagiert. Konfliktlinien verlaufen für Huntington dabei ausschließlch zwischen Kulturen (geographisch gesehen starke Überschneidungen zur Verbreitung der Religionen weltweit) und eigentlich nei innerhalb dieser. Das Buch zeichnet sich durch eine vöölig verkürzte Sicht auf den Islam und weltweite Machtverhältenisse aus. Auf Grundlage solcher „Analysen“ konnten und können Sarrazin und co. ihre „Analysen“ ebenfalls verkaufen. Schon allein mit diesem Buch hat sich der Typ disqualifiziert!

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