Politische Arbeit in Corona-Zeiten 

Zwar ist die parlamentarische Arbeit stark eingeschränkt. Sitzungstermine, Veranstaltungen und Gespräche fielen und fallen reihenweise aus.  Doch in der aktuellen Situation ist die Kontrolle der Regierung, ist die Parteinahme für marginalisierte Gruppen, sind politische Vorschläge zur Bewältigung der Krise so wichtig wie nie.
Über politische Schwerpunkte und  Praxis in schweren Zeiten.

Im Fokus meiner Arbeit sind vor allem die Menschen, die aufgrund ihrer Lebenslage potentiell durchs Raster fallen.
Das Corona-Virus kennt zwar keine Herkunft, kein Geschlecht und keine Religion – doch trotzdem sind vor dem Virus auch nicht alle gleich. Die Gefährdung, sich zu infizieren, hängt in hohem Maße davon ab, unter welchen Bedingungen Menschen leben müssen. Auch die Ausgangsbeschränkungen sind für in prekären Verhältnissen lebende Menschen viel schwerer zu ertragen, als für besser Situierte. Während sich viele Menschen in besser bezahlten Jobs ins Homeoffice zurückziehen können, müssen andere weiter arbeiten gehen und sind dort zum Teil erheblichen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Selbstständige fallen ins Nichts, während Hartz-IV-Empfänger*innen noch mehr zu kämpfen haben, um durch den Monat zu kommen. Wohnungslose und auch Geflüchtete sind auf Sammelunterkünfte zurückgeworfen, wo sie mit vielen anderen Menschen, zumeist in Mehrbettzimmern, leben müssen. Das Infektionsrisiko ist groß, individuelle Schutzräume fehlen.

Dasselbe gilt für Knäste, wo mehrere hundert Menschen gedrängt auf engstem Raum zusammenleben. Die nunmehr fehlenden Besuche, nur selten mögliche Telefonate nach außen und die diffuse Informationslage zur Corona-Situation belasten die Gefangenen zusätzlich.

Besonders hart trifft die Krise auch Menschen ohne Papiere. Sie sind faktisch von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen und sind durch die verstärkte Präsenz und Kontrollaktivitäten der Polizei bedroht, entdeckt zu werden.

Und auch wenn sowohl Menschen ohne Krankenversicherung als auch Geflüchtete im Asylverfahren und Geduldete den gleichberechtigten Zugang zu Corona-Tests und Behandlung haben, wirken die Barrieren fort.

Auch die andere Seite, die im Gesundheitswesen tätigen Menschen, arbeiten vielerorts derzeit an der Belastungsgrenze. Es zeigt sich hier, dass der begonnene Weg in die Privatisierung des Gesundheitswesens und das Sparen an Personal, vor allem im Bereich der Pflege, der falsche Weg ist. Und grundsätzlich zeigt sich, dass die kapitalistischen Verhältnisse, dass das Prinzip von Profitorientierung vor Gemeinwohl ausgewirtschaftet hat.

Die Einschränkung von Grundrechten habe ich immerfort im Visier. Die Allgemeinverfügungen bzw. Rechtsverordnungen, die die Bewegungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit, Religionsfreiheit und die Berufsausübung einschränken, sehe ich kritisch, auch wenn ich den Schutz vor Ansteckung anerkenne und respektiere. Die Frage ist, ob die Krise auch ohne autoritäre Maßnahmen zu bewältigen wäre und welche Effekte die dauerhafte Suspendierung von Grundrechten verursacht. Darum geht es in dem Interview, das das nd  mit mir geführt hat.
Mit einer Kleinen Anfrage, die vor allem auch aufgrund von Zuschriften entstand, will ich in Erfahrung bringen, warum Sachsen mit den Ausgangsbeschränkungen einen anderen Weg als die meisten anderen Bundesländer gegangen ist und welche konkreten Entwicklungen und Daten zum Erlass der Ausgangsbeschränkungen führten (zur Pressemitteilung zur Kleinen Anfrage).

Weiterhin unterstütze ich die Kampagne „LeaveNoOnebehind“. Gerade jetzt müssen Geflüchtete aus den Elendslagern in Griechenland aufgenommen werden. Gerade jetzt, bevor das Virus die dort eingepferchten Lager erreicht. Die mangelnde europäische Solidarität zeigt sich an dieser Stelle am dramatischsten. Als LINKE haben wir Anfang des Jahres 2020 die Initiative im Sächsischen Landtag ergriffen, zumindest die Aufnahme von 50 Kindern und Jugendlichen zu fordern. Die Koalition hat dieses Thema bis in den März ausgesessen, als sich schließlich die Koalition auf Bundesebene dazu bereit erklärte, 1.500 Menschen unter 14 Jahre aufzunehmen. 20 davon sollen nach Sachsen kommen. Lächerlich! Wir fordern die komplette Evakuierung der Lager und die Verteilung der Geflüchteten in der gesamten EU. (zur Erklärung von linken Politiker*innen aus Sachsen)

Last but not least: die Jugendhilfe. Kinder und Jugendliche sind von dieser Situation besonders betroffen. Sie sind auf ihre Familien zurückgeworfen, dürfen kaum direkten Kontakt zu Freund*innen haben, Angebote der Jugendarbeit und auch Unterstützung sind weitestgehend geschlossen. Ebenfalls ist das kollektive Lernen in Kita und Schule eingestellt. Das hat negative Auswirkungen. Expert*innen befürchten zudem einen Anstieg und die Eskalation von familiären Konflikten, Darum ist es zentral, dass Angebote, sowohl der Freizeitgestaltung als auch der formalen Bildung, auf anderen, zum Beispiel virtuellen Wegen laufen. Andererseits ist es essenziell, dass Helfer*innen Kontakte zu Familien halten und dort auch live intervenieren können, wenn es Bedarf gibt.

Als am 6. April der Jugendhilfeausschuss der Stadt Leipzig per Videokonferenz tagte, wurde dort der Beschluss gefasst, dass ambulante Hilfen (z.B. Familienhilfe, Erziehungsbeistände) pauschal zu 95% ausfinanziert werden, auch wenn sie in ihrer Ausübung eingeschränkt sind (Antrag als pdf). Das ist ein wichtiges Signal – denn gerade soziale Träger und Projekte müssen über diese Zeit gerettet werden.

Um Probleme und Lösungen in den gerade beschriebenen Handlungsfeldern sichtbar zu machen, führe ich seit geraumer Zeit die sogenannten linXXnet-talXX. In diesem Format spreche ich per Video-Splitscreen mit Akteur*innen aus den zahlreichen Bereichen, die das Virus und die mit ihm einhergehenden Einschränkungen und Gefahren besonders stark trifft.

Acht Folgen der linXXnet-talXX sind bisher erschienen:

1. Geflüchtete und Corona – mit Mark Gärtner, Sächsischer Flüchtlingsrat (https://youtu.be/02jK1qslIeE )

2. Mieter*innen und Corna – mit Caren Lay, Sprecherin für Wohnungs- und Mietenpolitik der Linksfraktion im Bundestag (https://youtu.be/POtQ2ijcj2A )

3. Die Situation von Gefangenen – mit Manuel Matzke, Sprecher der Gefangenen-Gewerkschaft / Bundesweite Organisation (GG/BO) (https://youtu.be/lykjYlnYuVs )

4. Unterstützung für Menschen ohne Krankenversicherung – mit Barbara vom CABL e.V. (https://youtu.be/Pn_64BYyNQU )

5. Gesundheit für alle – mit Luise und Bettina von der Leipziger Polikklinik (https://youtu.be/tPoUYXGkdWk )

6. Die Situation von Wohnungslosen und globale Perspektiven zur Bewältigung der Pandemie – mit Dr. Luisa Schneider vom Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung zum Thema Wohnungslosigkeit in Zeiten von Corona (https://youtu.be/4b_C8XdVXCI )

7. Pflege in Corona-Zeiten – mit einer Person, die als Pflegekraft arbeitet (https://youtu.be/C0o7dsYUlqI )

8. Unterstützungsnetzwerke in der Corona-Krise – mit Thorsten Mehnert von der Stiftung Ecken wecken“ (https://www.youtube.com/watch?v=Sb5QC8vhgng&feature=youtu.be)

Außerdem werden im Laufe dieser Woche noch zwei weitere Folgen der linXXnet-talXX erscheinen: Mit der Autorin Christine Koschmieder spreche ich über die aktuelle Situation freiberuflicher Menschen aus der Kulturbranche und mit Frederik Schwieger, Geschäftsführer der Stadtjugendrings Leipzig, über Jugendarbeit in Zeiten von Corona.

Letztlich bleibt festzuhalten: Alles in allem steckt in der Krise auch eine Chance. Zahlreiche Forderungen, Soforthilfen auch für kleine Gewerbe, für Selbstständige, für Lohnabhängige, kleine Schritte zur Entlastung von Mieter*innen zeigen, dass eine andere Politik möglich ist. Das Herunterfahren der Wirtschaft bedroht den kapitalistischen Kreislauf und insbesondere die Finanzmärkte, aber trotzdem läuft das Leben weiter. Diese Gewissheit, und dass eine Umwälzung der Produktionsverhältnisse möglich ist, dass Solidarität und Rücksichtnahme das gesellschaftliche Miteinander bestimmen können, sollten wir retten in die Zeit nach Corona. Eine der wichtigsten Lehren hat Ingar Solty im nd aufgeschrieben:
„Die Krise ist die Stunde der Sozialisierung: Da auch schon die Krise am Wohnungsmarkt demonstriert, dass die großen börsennotierten Immobilienkonzerne in die öffentliche Hand gehören, sollte die Linke nun flächendeckend für ein Programm werben, dass die elementaren Bereiche Gesundheit, Bildung, Wohnen, Mobilität und Kommunikation sofort vom Profitprinzip befreien will.“

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