Nicht zulassen, dass Menschen erneut zu Sündenböcken gemacht werden

Meine Rede zumodf Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus am 25.1.2015 in Frankenberg/ Sachsen
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde

ich danke recht herzlich für die Möglichkeit zum diesjährigen hiesigen Gedenken an die Opfer des Nationalismus etwas beitragen zu können. In diesem Jahr 2015 befinden wir uns im 70. Jahr nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz. Wenige Monate später wurde dem grausamen Treiben des nationalsozialistischen Regimes durch die Alliierten ein Ende gesetzt.

Wir gedenken aus Anlass des 27.1. „Juden, Christen, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung, Homosexuellen, politisch Andersdenkenden sowie Männern und Frauen des Widerstandes, Wissenschaftler*innen, Künstler*innen, Journalist*innen, Kriegsgefangenen und Deserteuren, Zwangsarbeiter*innen und den Millionen Menschen, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entrechtet, verfolgt, gequält und ermordet wurden.“

13 Jahre deutscher Gewaltherrschaft waren eine Zäsur für die gesamte Weltgeschichte: Insbesondere die gezielte Vernichtung von Jüdinnen und Juden gilt als singuläres Verbrechen.
An der Vernichtung von 6 Millionen Jüdinnen und Juden hat beinah jede Zelle der gleichgeschalteten deutschen Gesellschaft mitgewirkt. Mittelbar durch das Verraten von Nachbarn, durch Wegschauen, durch Bereicherung an den zurückgelassenen Sachen von Deportierten und unmittelbar durch eine menschenfeindliche Propagandamaschinerie, Vernichtungsbefehle und das Bedienen von Gaskammern.

Es gab nur wenige, die diesem zutiefst menschenverachtenden Strudel aktiv widerstanden haben, Sie waren wenige, aber sie kamen aus allen Bereichen der Gesellschaft, sowohl aus gewerkschaftlichen, kirchlichen, kommunistischen, sozialdemokratischen oder bürgerlichen Zusammenhängen. Zahlreiche von ihnen mussten mit dem Leben bezahlen, wie die Geschwister Scholl, der Hitlerattentäter Georg Elser oder der Theologe Dietrich Bonhoeffer.

Es gilt weiterhin ihre mutigen Geschichten hochzuhalten, die Opfer nicht zu vergessen und aus diesem dunklen Kapitel deutscher Geschichte auch Lehren für die Gegenwart zu ziehen: Denn nur wenige Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sind noch unter uns.

Es ist an uns, verehrte Anwesende, unser Wissen und unsere Warnungen in die Gesellschaft zu tragen.

Blicke ich allerdings dieser Tage auf die Straßen Sachsens, wird mir Angst und Bange.

Da schicken sich tausende Menschen unter dem Motto „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ an, Woche für Woche für einen neuen Nationalstolz und für eine geschlossene Gesellschaft zu marschieren. Ihr Leipziger Ableger will sogar den „ Kriegsschuldkult“ beenden und mit der „Generationenhaftung“ aufräumen. Begriffe, die aus dem Vokabular der Neonazis nur zu gut bekannt sind.

Denn: Der Begriff „Schuldkult“ suggeriert, dass Jüdinnen und Juden einen Nutzen aus der Unterdrückung des deutschen Selbstbewusstseins ziehen würden. Die Behauptung eines „Schuldkults“ richtet sich gegen das Gedenken und Erinnern an die Verbrechen des Nationalsozialismus und steht für die Forderung, „doch endlich einmal einen Schlussstrich unter die Geschichte zu setzen“. Der Leipziger Pegida.Ableger stellt sich damit in eine Reihe von Geschichtsrevisionist*innen und Holocaustleugner*innen.

Gewiss sind die, die sich dieser Tage hinter den Parolen der so genannten Patrioten versammeln keine (Neo)Nazis, auch wenn einige von jenen mitlaufen. Nichts desto trotz geht von diesen verniedlichend Spaziergänge genannten Manifestationen Hass aus. Hass gegen die schwächsten Teile der Gesellschaft, wie es Menschen, die in Deutschland Schutz und Zuflucht vor Krieg und Verfolgung suchen, sind. Von Pegida und ihren Schwestern wird unmissverständlich das Signal gesendet, dass es Menschen gibt, die nicht zu dieser Gesellschaft gehören dürfen. Dies betrifft auch Menschen anderen Glaubens, insbesondere Musliminnen und Muslime.

Bei genau jenen, die dort im Fokus stehen, wächst die Angst vor der Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit. „Montagabend – wenn Pegida durch die Straßen zieht – traue ich mich nicht mehr allein raus“, so eine Studentin aus Ägypten, die in Dresden lebt. Kurz vor Weihnachten wurden Jugendliche mit Migrationshintergrund in Dresden von Pegida-Anhänger*innen attackiert.

In der Öffentlichkeit wird viel über den Umgang mit diesen neuen nationalistischen und ja, ich nenne sie rassistischen Erhebungen diskutiert. Gesprächsangebote stehen im Raum, einige Politikerinnen sind den Brandstifter*innen bereits entgegengekommen und haben inhaltliche Forderungen aufgenommen.

Die, gegen die mehr oder weniger subtil Hass geschürt wird, werden dagegen weitestgehend allein gelassen.

Ich sage klar und deutlich: Das ist der falsche Weg.

Wenn zugelassen wird, dass Menschen(gruppen) wieder zu Sündenböcken erklärt werden, dann hat das durchaus etwas mit der nicht eingelösten Verantwortung zu tun, die aus der deutschen Geschichte zu ziehen ist. Nämlich, dass wir unsere Gesellschaft so einrichten müssen, dass keine und keiner Angst haben muss wegen seiner Herkunft, seiner Religion, seiner Lebensweise oder seines sozialen Status bedroht oder ausgegrenzt zu werden. Dies ist Alltagsaufgabe für uns, aber auch Aufgabe der verantwortlichen Politik.

Anfang Januar 2015 sendeten Vertreterinnen verschiedener Religionsgemeinschaften – die Pfarrerin der evangelischen Thomaskirche in Leipzig, der Imam der Takva Moschee und der Rabbi von Leipzig – ein starkes kollektives Zeichen für Humanität: Sie übergaben dem sächsischen Landtagspräsidenten über 11.500 Unterstützerunterschriften für einen Winterabschiebestopp in Sachsen. Wenige Tage später wischte die Landesregierung dieses Anliegen mit der Ablehnung eines entsprechenden Antrages einfach weg. Ein falsches Signal, wie ich finde.

Das gemeinsame starke Zeichen insbesondere der jüdischen und einer muslimischen Gemeinde bleibt und ist insofern besonders, weil Anhänger beider Religionsgemeinschaften in zunehmendem Maße von Diskriminierung und auch Gewalt betroffen sind.

Insofern: lassen sie uns den 70. Jahrestag des Gedenkens an die Oper des Nationalismus würdig begehen und inmitten einer sich zuspitzenden Weltlage und gesellschaftlichen Situation sehr bewusst Verantwortung übernehmen: Dafür, dass sich so etwas nie wiederholen möge.

Ein Gedanke zu „Nicht zulassen, dass Menschen erneut zu Sündenböcken gemacht werden“

  1. Hallo Juliane,
    das Leben ist nach dem zweiten Weltkrieg nicht stehen geblieben. Das Rad der Geschichte hat sich weitergedreht! Heute müssen wir uns als Deutsche für neue Kriege verantworten, die wir als Mitglied der NATO aktiv unterstützen. Wenn man dagegen auf die Straße geht und den Verursachern die Schuld zuweist, also den Politamerikanern oder Isreal, dann wird man durch die Presse als Nazi diffamiert. Wenn man den Genozid in Palästina anklagt, dann ist man ein Antisemit, was aber nicht aufwertend gemeint ist, sondern Geschichte wird hier missbraucht, um Friedensanhänger zu verunglimpfen. Deshalb hinterfrage bitte einige der vernünftigen Positionen, die von Pegida, Legida und vor allem Pegada ausgehen. Ich bitte dich auch, keine Volksverhetzung zu treiben und immer mit dem Finger auf Neudenker zu zeigen. Habt Ihr denn nicht auch Ideen, wie man die Zukunft besser und friedlicher gestalten kann. Warum macht Ihr nicht die Demo gegen den Ukrainekrieg, seid auf den Straßen gegen Chemtrails, die Freihandelsabkommen, Eurogenforce, Genozid in Palästina, Genfood, NSA etc. und für die Souveränität Deutschlands und für Freundschaft mit Russland! Werdet kreativer, ladet auf Eure Demo auch die von Legida ein. Beendet die Feindschaft mit dem Hinweis, dass Rassismus und Islamophobie bei euch keine Themen sind. Ansonsten mache ich euch den Vorwurf, dass Ihr tatsächlich nur einseitig weltoffen seid, denn anderswo sterben in eurem Namen Menschen!

    LG Andrea

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