Inzwischen liegt die Antwort der Stadtverwaltung zu meiner Anfrage zum Thema Musikbeschallung am Leipziger Hauptbahnhof vor. Doch dieses ist nur eines von vielen zahlreichen Mitteln um Menschen aus diesem Bereich zu vertreiben.
Seit Mai 2017 wird der Außenbereich des Hauptbahnhofs mit lautstarker klassischer Musik beschallt. Dafür hat das Ordnungsamt der ECE-Projektmanagement GmbH & Co KG eine Sondernutzungserlaubnis erteilt.
Zwar behauptet die Stadt, dass die klassische Musikbeschallung nicht als „ordnungspolitisches Mittel“ eingesetzt wird, erklärtes Ziel ist es allerdings, wie in der Antwort auf meine Anfrage bekundet wird, „die Aufenthaltsqualität des Standortes zu verbessern“. Damit wird klar eingeräumt, dass die Musikbeschallung zur Vertreibung von störenden Personen eingesetzt wird.
Das Mittel zeigt zudem Wirkung: Die trinkenden und bettelnden Personen haben sich auch inzwischen in Richtung des Kleinen Willy-Brandt-Platzes verlagert. Dies zeigt allerdings wiederum, dass Verdrängung kein wirklich nachhaltiges Mittel ist, weder für die, die Interesse an Ruhe und Ordnung haben, noch die, die ihre Wohnung aus sozialen Gründen in den öffentlichen Raum verlegen mussten.
Weiterhin wird durch die Stadtverwaltung angekündigt, dass die Außenbereiche des Hauptbahnhofes von der Kommune an den Hauptbahnhof übertragen werden sollen. Dies würde nichts anderes als die Privatisierung des öffentlichen Raums bedeuten. Müssen dann in Zukunft müde Reisende, die in Leipzig Zwischenstation machen, befürchten, dass sie sich nicht mehr zum Beispiel auf dem Boden sitzend vor dem Hauptbahnhof ausruhen dürfen? Denn dies verbietet die Hausordnung des Hauptbahnhofes, die dann auch für die Außenbereiche gelten und durch private Sicherheitsdienste durchgesetzt werden würde.
Zwar beschreibt die Verwaltung in ihrer Antwort, dass sie auch milde Mittel zur Konfliktlösung angewendet hat: So waren StreetworkerInnen vor Ort und boten Unterstützung an, die angeblich nicht angenommen wurde. Andererseits ist auch bekannt, dass die quantitativen und qualitativen Ressourcen der Straßensozialarbeit begrenzt sind. Es braucht hier sowohl der personellen Aufstockung als der Suche nach neuen Methoden für bestimmte soziale Gruppen.
Eine recht schnelle und einfache Maßnahme, um Ordnungswidrigkeiten wie das Verrichten der Notdurft im öffentlichen Raum zu unterbinden, wäre zudem die Aufstellung von kostenlosen Toiletten.
Am ärgerlichsten ist allerdings, dass die aktuellen Maßnahmen ohne Einbeziehung von Stadtrat und anderer gesellschaftlicher Akteure ergriffen wurden. In Hamburg wurde vor dem Hintergrund ähnlicher Problemlagen beispielsweise ein Runder Tisch einberufen. Dies wäre auch für Leipzig eine denkbare Form, um nachhaltige und soziale Lösungen zu suchen. An einem solchen Runden Tisch müssten neben Bahn, Polizei und städtischen Ordnungsbehörden auch soziale Einrichtungen und Vereine beteiligt werden.
>>> Antwort auf die Stadtratsanfrage
(28. August 2017)