Mein Redebeitrag beim diesjährigen Rock am Kreuz 2010
Männliches Dominanzverhalten .. hat an den Kneipentischen der Szenelokas einen festen Platz – zb in Form von Heldenstorys, die von der letzten erfolgreichen Jagd auf Nazis oder dem letzten erfolgreichen Sportgruppenausflug berichten. Die Geschichtenerzähler sind in 99,8 % der Fälle: Männer!
Ist doch aber alles kein Problem: wir sind ja auch für Frauen offen, schlägt einer auf Kritik am Geprollpose dann entgegen. Oder aber: gegen Nazis hilft kein dummes Gequatsche über den eigenen emanzipatorischen Anspruch, sondern nur Fäuste.
Von der Muskelkraft von gesellschaftlichen Männern und Frauen allerdings soll dieser Beitrag nicht handeln, sondern vom in der Antifa-Szene pro Generationswechsel zu beobachtenden unreflektierten Umgang mit gesellschaftlichen Geschlechterrollen. Im Übrigen scheint ein solcher Generationswechsel zurzeit wieder in Gang zu sein. Sportgruppen-Gepose und Männergruppen-Bündelei sind en vogue wie seit der letzten Sexismusdebatte zum Jahrtausendumbruch nicht mehr. Nicht von ungefähr geht dies allerdings mit der Entwicklung der regionalen Naziszene einher, die sich in den vergangenen drei Jahren neu aufgestellt hat. Gewaltsame Übergriffe auf alternative Menschen und MigrantInnen gehören zum Alltag insbesondere sächsischer Provinznester, Erst vor 3 Wochen wurde ein 15jähriger Punker in Geithain fast zu Tode geschlagen. Im Oktober letzten Jahres war es ein linker Fussballfan, der von Nazis gezielt mit einem Auto attaktiert wurde.
Ist eine Debatte über eine gewaltbejahende Antifakultur, die von Männern bestimmt wird, vor diesem Hintergrund gerechtfertigt?
Die Frage ist zu diffizil um sie mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten.
Fakt ist, dass hetereonormative Schlägertrupps nicht den Ansprüchen eines emanzipatorischen, antisexistischen Selbstverständnisses genügen. Fakt ist, dass die Notwendigkeit antifaschistischer Gegenwehr nicht als Ausflucht vor emanzipatorischer Selbstveränderung fungieren darf.
Hassi, Teleskopschlagstock, schwarze Uniform und geschlossene Demoblöcke sind längst zur Pose einer testestorongesteuerten Jungenkultur verkommen, spätestens brachiale und homophobe Sprüche auf Demonstrationen illustrieren, dass es sich dabei nicht um notwendigen Schutz vor staatlichen Repressionsorganen handelt.
Mackertum – also überambitioniertes Wahrnehmen so bezeichneter männlicher Eigenschaften – hat daneben allerdings auch einen festen Platz in den Plena linker Gruppen. Männer sind tonangebende Strategen und Träger von Inhalten, während Frauen sich weitestgehend auf organisatorische und kommunikative Aufgaben beschränken. In diesem Aktions- und Diskussions-Mackertum spiegelt sich die im Kapitalismus zementierte geschlechterspezifische Einteilung gesellschaftlicher Sphären:
Während im öffentlichen Bereich gearbeitet, Gesellschaft organisiert und Politik betrieben wird, bleibt der Private auf das Häusliche beschränkt und bildet Rückzugsraum. Während die öffentliche Sphäre durch Männer bestimmt ist, die nach Selbstverwirklichung streben, ist die private Sphäre weiblich besetzt – fürsorglich, liebevoll und kommunikativ wird hier für das Aufrechterhalten der öffentlichen Sphäre gesorgt.
Auch wenn dieses vielleicht überzeichnet erscheindende Modell einer bipolar strukturierten Gesellschaft liberalisiert, schliesslich haben wir eine weibliche Bundeskanzlerin, einen wachsenden Anteil von Frauen in Führungsstrukturen und auch herummackernde AntifaFrauen, bleiben die Grundfesten der bipolaren Geschlechterordnung, in denen Frauen unterrepräsentiert und benachteiligt sind, virulent.
Und dies betrifft die Gesamtgesellschaft, von der die linke Szene nur ein Ausschnitt ist.
Um was kann es allerdings gehen, um diesem Zustand beizukommen? Um die Angleichung der Frauen an die männliche Norm? Um das Befördern durchaus existierenden weiblichen Mackertums um zur Gleichstellung der Geschlechter zu kommen? Um gemischtgeschlechtliche SchlägerInnentrupps – sprich das Obsiegen gesellschaftlicher Männlichkeit? Oder andersherum um die Bejahung des Weiblichen und einer entsprechenden Veränderung des Politikstils?
In diesen Polen spiegeln sich die altbekannten feministischen Strömungen des Differenz- bzw Gleichheitsfeminismus. Während ersterer von der Verschiedenheit der Geschlechter ausgeht, damit das Weibliche bzw männlich naturalisiert und sich gegen den Einzug des Weiblichen in die männliche Sphäre ausspricht, geht der Gleichheitsfeminismus von der Gleichheit der Geschlechter aus und propagierte das Kapern der so genannten männlichen Sphäre durch Frauen. Überzeugen kann keiner der beiden Ansätze, denn beide rütteln nicht grundsätzlich an Geschlechteridentitäten, was das grundsätzliche Ziel emanzipatorischer Intervention sein muss.
Andererseits reichen progressive Theorieansätze, wie sie bspw der dekonstruktivistische Ansatz o die Queer Theorie bietet, nicht. Gerade im Hinblick auf die reaktionäre Geschlechterrollenverteilung in der linken Szene muss es darum gehen antisexistische Positionen praktisch werden zu lassen.
Quotierte Redelisten, Quotierte Veranstaltungspodien, Vetorecht für Frauen und vieles andere mehr sind kleine pragmatische formalistische Schritte, die wichtig und richtig sind. Grundsätzlich rütteln sie allerdings nicht an den geschlechterhierarchischen Vorbedingungen und müssen sich gar den Vorwurf gefallen lassen Zweigeschlechtlichkeit zu bejahen.
Eine Politszene, die sich selbst als antisexistisch bezeichnet, muss ein zur patriarchal geprägten Gesellschaft alternativer Sozialisationsraum sein. Ein Raum in dem Geschlechterrollen kritisch hinterfragt werden, ein Raum, in dem – unter zutun ALLER Beteiligten – mit der männlichen Norm gebrochen wird.
In diesem Sinne kann es nur darum gehen identitäres Männermackerverhalten kritisierbar zu machen und schlussendlich ad acta zu legen. Es muss um ein feministisches Empowerment gehen, im Zuge dessen sich Menschen, die zu Frauen gemacht wurden, Macht und Stärke zurückzuholen und dabei auch ihre Vorstellungen von Diskussionskultur, von Aktionsstil und von sozialem Miteinander einzubringen. Am Ende eines solchen Prozesses könnten durchaus praktizierende Antifa-SchlägerInnentrupps oder gegendertes Rumgeprolle stehen – oder auch nicht.
Antisexismus praktisch werden lassen! Männermacker zu Papierflugzeugen!
Hörenswertes zum Thema: Alle wissen was gemeint ist, keiner will es sein: Macker – Ein feature über ¿männliches? Dominanzverhalten in der linken Szene (Radio Island-Show #71)
Was ist mit Sexismus der von Frauen ausgeht?
Es gibt sehr viele Afa-Gruppen wo Mann von den Frauen erst akzeptiert wird wenn man zu den sogenannten Sportlern und Naziklatschern gehört.
Solange man dies aber nicht ist und nicht jeden zweiten Tag zum Training geht gilt man als Weichei oder als Labersack.Weshalb wird diese Art von Sexismus nicht Thematisiert bzw. ewig das alte Klischeebild vom Mackerantifa herausgekramt?
Das und wie eine linke Jugendkultur die Vergemeinschaftungsangebote dieser Gesellschaft spiegeln, lässt sich an den sogenannten Autonomen Nationalisten gut studieren. Stellt die Forminszenierung als Ästhetisierung von Gewalt nur eine Kopie linksautonomer Praxen dar, oder einen neuen Interaktionszusammenhang. Wer Demoplakate mit den Worten „Talking is over, Action is on“ beschriftet, hat auch eine Botschaft . . .
Die wahrnehmbare Unlust links-jugendkultureller Szenen, sich mit der Dialektik der Ungleichzeitig von gesellschaftlichen Zuständen zu befassen, ist evident. Oder ist etwa eine völlig anders geprägte Kirchengruppe wie etwa eine JUNGE GEMEINDE, die als Christen von Neonazis im ländlichen Raum angefeindet werden, weil sie das jüdisch-christliche (falsch?) repräsentieren, ein Bündnispartner für linke Gruppen? Wohl kaum. Warum nur?