Kostensteigerungen haben soziale Ursachen – Prävention statt Notmaßnahmen

Wieder waren Hilfen zu Erziehungen Thema im Stadtrat, ein wenig prätentiöses und mit Mehrkosten verknüpftes Thema, das gleichsam Gradmesser der gesellschaftlichen Missstände ist. Meine kurze Einlassung zum Thema in der Stadtratssitzung am 26. Oktober 2016
8 Millionen Euro haben wir im vergangenen Jahr draufgelegt, nun schießen wir nochmal 5 Millionen Euro für 2015 und 16 Millionen Euro für 2016 zu – die tatsächlichen Ausgaben haben sich im Vergleich zu den im Doppelhaushalt veranschlagten Kosten für die Hilfen zur Erziehung um etwa 40 % erhöht.
Wir kennen die Ursachen: steigende Kosten für die Hilfen, mehr Kinder und Jugendliche, aber auch mehr und komplexere Problemlagen.

Doch es gibt Instrumente, um hier auch jenseits von Finanz-Controlling-Fragen einzugreifen. Diese stehen in der Vorlage selbst:

1. Wir müssen eine adäquate Angebotsstruktur vor Ort in Leipzig aufbauen. Wir wissen, dass mittlerweile hunderte Kinder und Jugendliche außerhalb der Stadt in stationären Hilfen untergebracht sind. Das ist teuer und auch fachlich nicht geboten.

2. Wir müssen den präventiven Bereich ausbauen, also alles dafür tun, dass Kinder und Jugendliche so unterstützt werden, dass es gar nicht zu Inobhutnahmen und anderen drastischen Mitteln kommen muss. Wenn wir sehen, dass im neuen Doppelhaushalt die Summe zur Förderung der Freien Träger der Jugendhilfe entsprechend der Vorjahre fortgeschrieben wird, entspricht das eben nicht dem Gedanken einer stärkeren Prävention.
3. Der ASD muss gestärkt werden, so dass er den Kinderschutz zielgenau und schnell gewährleisten kann. Wir wissen, dass es hier Defizite gibt. Ergo braucht es einerseits einen Personalaufwuchs, aber auch Verbesserungen bei den internen Abläufen.

Und an dieser Stelle möchte ich Frau Dr. Förster bemühen, die ehemals im Amt für Jugend, Familie und Bildung beschäftigt war und jetzt an der HTWK lehrt. Sie wies unlängst in einem Interview auf die Ursachen der steigenden Hilfebedarfe hin: Einerseits der rigide Sparkurs, der als Bumerang zurückkommt. Wenn an sozialen Angeboten gespart wird, wird sich das Jahre später an steigenden Kosten für Notmaßnahmen ablesen lassen.
Andererseits können wir jetzt die Spätfolgen der sozialen Einschnitte der Nachwendejahre sehen. Die Menschen, die seinerzeit mit sozialen Verwerfungen konfrontiert waren, geben das an ihre Kinder weiter. Wir haben es mit einer Vererbung von Problemlagen zu tun.
Und auf diese Rahmenbedingungen, die ursächlich für die Kostensteigerungen sind, müssen wir unseren Blick verstärkt lenken.

Wir stimmen der Mehrbedarfsvorlage zu. Aber wir fordern gleichzeitig einen stärkeren fachlichen Austausch ein, und dies nicht zum ersten Mal.
Wir müssen in die Lage kommen in der Stadt Leipzig bedarfsgerechte Angebote im Bereich Hilfen zu Erziehung aufzubauen, wir müssen unseren Blick stärker auf präventive Angebote und auf die sozialen Rahmenbedingung, die die Lebenswege von Kindern und Jugendlichen brüchig machen, legen.

Rede zur Drucksache DS 02877 „Überplanmäßige Aufwendungen nach § 79 (1) SächsGemO für die Haushaltsjahre 2015 und 2016 für den Leistungsbereich Hilfen zur Erziehung (Teilprodukte der Budgeteinheit 51_363_ZW)“.

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