Komplexkontrollen in Leipzig – Repression als Mittel der Politik

Horst Wawrzynski hat sie als Polizeipräsident eingeführt, sein Nachfolger Bernd Merbitz hat sie als Landespolizeipräsident seinerzeit angeregt und will sie fortführen: Komplexkontrollen – lang andauernde flächenhafte verdachtsunabhängige Personenkontrollen durch massive Polizeiaufgebote. Kommentar zur aktuellen Antwort der sächsischen Staatsregierung auf eine Kleine Anfrage zum Thema,die von der Linksjugend Leipzig initiiert wurde

Der Begründungszuammenhang der Komplexkontrollen in Leipzig war seinerzeit „die hohe Zahl an Raubstraftaten“, die beide Polizeichefs DrogenkonsumentInnen zuschrieben und in diesem Zuge eine wahrliche Hetzjagd auf die angebliche „Kuschenpolitik“ der Stadt gegenüber KonsumentInnen fuhr. (siehe Beiträge in der Kategorie Drogen/ Sucht).
Die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Freya-Maria Klinger bringt die fragwürdigen Ergebnisse der Komplexkontrollen gut auf den Punkt: die Ausbeute ist lächerlich und steht in keinem Verhältnis zu Aufwand und vor allem dem Alltags-Klima, das mit den Komplexkontrollen motiviert hergestellt wurde. Die unvorhergesehenen und verdachtsunabhängigen Kontrollen verursachen ein Klima der Unsicherheit, Angst und Konformitätsdruck. Gegen Drogenhandel im großen Maßstab bzw. organisierte Kriminalität richten sie nichts aus, vielmehr geraten KleinkonsumentInnen, Fahrrad- oder AutofahrerInnen, nicht-konform Aussehende und MigrantInnen ins Visier. Entgegen den Angaben des antwortenden Innenministers Markus Ulbig waren die Einsatzkräfte außerdem sehr wohl in der Nähe von Suchthilfeeinrichtungen unterwegs.

Bei insgesamt 14 Komplexkontrollen in 17 Monaten (zwischen Juni 2011 und November 2012) wurden im Schnitt  jeweils 30 Straftaten aufgenommen/ Strafanzeigen gestellt, wovon durchschnittlich jeweils die Hälfte Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetzt darstellten. Fast ausnahmslos wurden geringe Mengen, bis 6g der jeweiligen Substanz (Cannabis/ Marihuana, Crystal, Speed, Ectasy, Heroin…) gefunden. Eine geringe Menge bezeichnet die (Brutto-)Menge einer illegalen Droge, bis zu welcher nach § 29 Abs. 5, § 31a BtMG von einer zwangsläufigen strafrechtlichen Verfolgung abgesehen werden kann.
115 der 165 festgestellten BtmG-Tatverdächtigen waren zudem einschlägig bekannt. Interessante „Randerscheinung“: 24 der Strafverfahren beziehen sich auf Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz.

Summa summarum. Komplexkontrollen sind ein Mittel um bei Teilen der Bevölkerung ein Unsicherheitsgefühl herzustellen bzw. zu verstärken und diesem auf den Fuss folgend mit Demonstrationen von Macht und Stärke beizukommen. Dies ging unter dem Polizeichef und jetzigen OBM-Kandidaten der CDU, Horst Wawrzynski, mit einer Stilisierung von unliebsamen Gruppen, in dem Falle DrogenkonsumentInnen einher und traf in Leipzig auf durchaus fruchtbaren Boden. Eine gute Saat für die spätere OBM-Kandidatur von Wawrzynski.
Die Kleine Anfrage unterstützt nicht zuletzt einen nicht oft genug zu wiederholenden Befund:  Komplexkontrollen sind und bleiben kein Mittel um mit dem Problem von Suchterkrankungen und dadurch bedingter illegaler Beschaffung von Geld etc. umzugehen.
Die Lösungen liegen allein im nicht-repressiven Bereich, z.B. in der Legalisierung von Drogen, flankiert durch einen objektiven Präventionsansatz und die Abgabe von kontrollierten, sauberen Substanzen und vor allem eine grundlegende sozialpolitische Trendwende, die Menschen nicht in die Situation bringt, sich auf Abwegen Suchtmittel zu besorgen und sich damit selbst zu gefährden.

Antwort auf die Kleine Anfrage Polizeiliche Einsätze und Kontrollen im Bereich der Drogen- und Beschaffungskriminalität in Leipzig vom 8.1.2013 download als pdf

Ein Gedanke zu „Komplexkontrollen in Leipzig – Repression als Mittel der Politik“

  1. 420 Straftaten sind doch eine Menge.

    Der Logik folgend, sollten alle Verkehrskontrollen und Radarmessungen aufgegeben werden. Ich glaube sogar, dass hierbei kaum Straftatbestände aufgedeckt werden. Am einfachsten wäre es also wenn alle so schnell fahren dürfen wie sie wollen. Dann braucht man auch nicht mehr kontrollieren…

    Ich möchte weder, dass mein Kind von einem Raser angefahren wird oder, dass ihm jemand Drogen verkauft.

    Cannabis/ Marihuana, Crystal, Speed, Ectasy, Heroin hört sich für einen „nicht Konsumenten“ echt gefährlicher an, als 15 km/h zu schnell außerhalb der Ortschaft…

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