Koalitionsvertrag zum Thema Asyl/ Flüchtlinge – kleine Verbesserungen vs. krasser Einschnitt

Neben den großen Gefechten um Mindestlohn, Rente und Energiewende, verhandelte die potentielle Große Koalition aus CDU/ CSU und SPD auch über Veränderungen im Bereich Asyl und Flüchtlingsschutz. Kleine Verbesserungen relativieren sich bei näherer Betrachtung. Zudem ist der faktische Ausschluss von schutzsuchenden Menschen aus bestimmten Herkunftsstaaten geplant

Die Bereiche, in denen es positive Bewegungen gab, sind die Folgenden:

– Das Bleiberecht: statt dieses wie bisher nur geduldeten Menschen, die nach § 104a AufenthG vor dem 1.7.1999/1.7.2001 eingereist sind, zuzugestehen, soll das Bleiberecht nun wie vom Bundesrat bereits im März 2013 beschlossen alters- und stichtagsunabhängig zugestanden werden. Die „grundsätzliche überwiegende Lebensunterhaltssicherung“ bleibt Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Regelung (siehe Bundesratsvorschlag März 2013 hier klicken)

– Die Dauer von Asylverfahren soll auf 3 Monate verkürzt werden. Bisher dauert ein reguläres Verfahren ca. 9 Monate. Das Diktum der Verkürzung birgt die Gefahr in sich, dass die Qualität der Prüfungen und damit die Rechtssicherheit abnimmt. Die Aufstockung des Personals beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kann diese Befürchtung nicht entkräften. Da die Verkürzung der Verfahrensdauer in letzter Zeit als politische Forderung gegen zunehmende Flüchtlingszahlen in Anschlag gebracht wurde, ist eher zu vermuten, dass damit das Ziel der schnelleren Abfertigung und Zurückweisung von Asylverfahren ohne eingehende Einzelfallprüfung verbunden ist.

– Die Residenzpflicht soll auf das Gebiet der jeweiligen Bundesländer ausgeweitet werden. Diese Möglichkeit obliegt den Bundesländern bereits jetzt und wird nur in Sachsen und Bayern nicht ausgeschöpft. Positiv zu bewerten ist, dass für einwöchige Aufenthalte außerhalb des zugewiesenen Gebietes statt eines Antrages nur noch eine einseitige Erklärung der Asylsuchenden nötig ist. Von Willkür zeugt die weiterhin geltenden Einschränkung der begrenzten Bewegungsfreiheit bei „Straftätern und Personen, bei denen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz bekannt geworden sind oder bei denen aufenthaltsbeendende Maßnahmen konkret bevorstehen“.

– Bereits nach drei statt wie bisher neun Monaten sollen Asylsuchende nun eine Arbeitserlaubnis erhalten. Diese positiv zu wertenden Regelung wird jedoch zahnlos bleiben, solange Asylsuchende auf dem Arbeitsmarkt per Gesetz benachteiligt werden. Denn vier Jahre gilt für die betreffenden Menschen ein „nachrangiger Zugang“ zum Arbeitsmarkt. Das heißt, dass ArbeitgeberInnen bevor sie eine Person ohne Aufenthaltserlaubnis einstellen können, bei der Agentur für Arbeit prüfen lassen müssen, ob nicht ein/e deutsche/r Staatsbürger/in, EU-Bürger/in oder eine andere Person ohne nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt für die Stelle zur Verfügung steht. Ein latenter Rassismus macht es Asylsuchenden auch ohne diese krasse Barriere ungleich schwerer einen Job zu bekommen.

– Nachdem die Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 18.7.2012 als verfassungswidrig erklärt wurden, weil sie kein „menschenwürdiges Existenzminimum […] gewährleisten„, bekennt sich der Koalitionsvertrag zu einer „zügigen Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts“. Das kann kaum bejubelt werden, ist die Neuregelung doch durch eine Klage erwirkt worden und längst überfällig. Die von Verbänden, Kirchen und Gewerkschaften geforderte gänzliche Abschaffung des Sondergesetzes, das bspw. grundsätzlich am Sachleistungsprinzip festhält, bleibt zudem unbeachtet. (siehe auch Referentenentwurf zur verfassungskonformen Novellierung des AsylbLG samt Stellungnahmen hier klicken)

– Kurz benannt werden sollen noch fraglos als Fortschritt zu bewertenden Bekenntnisse zur Heraufsetzung der Asylmündigkeit auf 18 statt bisher 16 Jahren und zur Verstetigung und zum Ausbau des Resettlements.

Unterm Strich wird der Blick auf die avisierten positiven Regelungen im Bereich Asyl bei näherer Betrachtung getrübt.

Die folgende Vereinbarung stellt jedoch einen eineindeutig harten Schlag gegen das verkümmerte Asylrecht dar.

SPD und CDU wollen bei Zustandekommen der Koalition Mazedonien, Serbien und Bosnien-Herzegowina zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklären. Die Möglichkeit solche Staaten zu deklarieren ist eines der Ergebnisse des „Asylkompromisses“ von 1992, der auch als faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl bezeichnet wird.

Bereits jetzt wird Schutzsuchenden aus den West-Balkan-Staaten per se Asylmissbrauch unterstellt. Seit mehreren Monaten betreibt Bundesinnenminister Friedrich eine wahrliche Kampagne gegen diese Menschen, bei denen es sich zumeist um Roma handelt. Diese erfahren in ihren Herkunftsstaaten oft eine krasse institutionelle Diskriminierung. Pro Asyl äußert dazu „Die Diskriminierung der Roma und anderer Minderheiten ist etwa in Serbien so umfassend, dass einem Großteil der Betroffenen der Zugang zu Arbeit, zu Bildung, zu medizinischer Versorgung, zu regulären Wohnungen und oft gar zu sauberem Trinkwasser verwehrt bleibt.“ (vollständige Stellungnahme hier klicken)

Die angekündigte Neuregelung bedeutet konkret, dass die Asylsuchenden aus den benannten Staaten in Zukunft Schnellverfahfen und eine „zügige Rückführung“ erwarten. Der Garantie auf sorgfältige Einzelfallprüfungen dürfte so ausgehebelt werden.

Die Intention der potentiellen Großen Koalition liegt auf der Hand: Serbien und Mazedonien gehören aktuell zu den Hauptherkunftsländern von Asylsuchenden nach Deutschland. Hier soll zu Lasten der europaweit meist diskriminierten Minderheit – der Roma – das Asylrecht zurechtgestutzt und damit der marodierenden Stimmung gegen Asylsuchende an vielen Orten der BRD entgegengekommen werden.

Die konkreten Ergebnisse der Vereinbarungen müssen sich nun an der Realität, sprich anhand von konkreten Regelungen, messen lassen. Unterm Strich bleibt der Eindruck eines „kleineren Übels“, das den Kern der rassistischen Sonderbehandlung von Asylsuchenden unangetastet lässt und weiter auf Asylvermeidung statt Asyl-Gewährung setzt.

>>> Link zum Koalitionsvertrag (Thema Flüchtlingsschutz und humanitäre Fragen ab Seite 108) als pdf hier klicken

2 Gedanken zu „Koalitionsvertrag zum Thema Asyl/ Flüchtlinge – kleine Verbesserungen vs. krasser Einschnitt“

  1. Vielen Dank

    für die ausführliche Erläuterung zum Koalitionsvertrag’ die Hintergründe liegen klar auf der Hand und werden von der Regierung fakto untermauert
    ,,Schutzsuchenden aus den West-Balkan-Staaten wird per se Asylmissbrauch unterstellt u.die Diskriminierung vorangetrieben ,Minderheiten der Zugang zu Arbeit verwehrt…
    und wir reden von Welt Offenheit, verleugnen Rassismus und nennen uns demokratisch von Gleichberechtigung oder Behandlung ist hier nicht die Rede und das macht uns zum Faschisten in diesem System.
    Wenn dies unter Demokratie zu verstehen sei wird es Zeit diese gelebte Demokratie anzu prangern und unseren Unmut auf die Straße zu tragen.

    Mit freundlichen Grüßen *

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