Wieder musste der Stadtrat das geplante Budget für Hilfen zur Erziehung nachträglich erhöhen. Ursachen sind steigende Hilfebedarfe, steigende Kosten, aber auch weiterhin Defizite bei Planung und Steuerung durch die Verwaltung. Meine Rede in der Stadtratssitzung am 13. Dezember 2017:
Uns liegt mit der Vorlage zu den Überplanmässigen Aufwendungen im Leistungsbereich Hilfen zur Erziehung für das laufende Jahr kein neuer Sachverhalt vor. Jahr für Jahr müssen wir in diesem Bereich drauflegen, immer wieder haben wir in den letzten Jahren angemahnt, dass die Haushaltsplanungen besser an die prognostizierten Bedarfe angepasst werden, dass besser gesteuert und dass mehr präventiv getan werden muss.
Fast 18 Millionen Euro mussten wir fürs vergangenen Jahr zusätzlich drauflegen. Nun sprechen wir über mehr als 10 Millionen Euro, die fürs Jahr 2017 nachträglich bestätigt werden müssen. Und das bei sowieso steigenden Haushaltsansätzen.
Wenn sich die CDU hier aber hinstellt und die Debatte um Hilfen zur Erziehung zur alleinigen Finanzdebatte macht und sich noch dazu über die Lebenslagen von Kindern, Jugendlichen und Familien erhebt, die diese Hilfen brauchen, ist das ein echtes Armutszeugnis.
Wir werden der Vorlage zustimmen, wir sehen die Notwendigkeit der Ausgaben und mehr noch: Wir müssen sie leisten. Alles andere wäre fatal und eine Absage an dieses wichtige Hilfesystem. Ja, es geht hier nicht um Peanuts und ja, es gab in diesem Bereich in den letzten Jahren arge Defizite. Als Linksfraktion meinen wir allerdings: Wir sind einige Schritte weitergekommen. Den Blick allein auf mangelnde Controllingaspekte zu legen, verkennt die Grundsatzproblematik und die Schritte, die die Stadt tatsächlich gegangen ist.
Ursächlich für die wiederum entstehenden Mehrausgaben sind einerseits der Anstieg der Fallzahlen vor allem im Bereich stationärer Hilfen – um voraussichtlich durchschnittlich 63 Fälle mehr. Auch im Bereich der ambulanten Hilfen sind Fallzahlensteigerungen zu verzeichnen, die allerdings unter den Prognosen bleiben.
Andererseits sind Kostensteigerungen bei den Hilfen zu verzeichnen, die vor allem durch Tarifanpassungen bei den Trägern zustande kommen. Das halten wir für plausibel und notwendig. Gerade der HzE-Bereich muss in Zukunft attraktive Beschäftigungsbedingungen bzw. eine gute Entlohnung vorweisen, nicht nur weil wir sonst in einen akuten Personalmangel hineinschlittern. Gern hätten wir von der CDU ja gehört, wie sie sich Kostensenkungen vor dem Hintergrund vorstellt.
Wir sehen wohlwollend, dass die Erhöhung des Personals für den ASD, die Stärkung des Pflegekinderdienstes und wie in der Vorlage aufgeführt auch im Bereich der Steuerung der Maßnahmen Wirkungen zeitigt. Bei den ambulanten und teilstationären Hilfen bleiben wir hinter den Prognosen. Ob dies wirklich Effekt der Steuerungsmaßnahmen oder eher eine statistische Schwankung ist, darauf werden wir ein Augenmerk haben.
Nichts desto trotz stehen wir weiter vor Problemlagen:
Wenn in über 50 % der Fälle der notwendigen stationären Unterbringung von Kindern und Jugendlichen eine Außerhalbunterbringung notwendig wird weil 1. in Leipzig Kapazitäten fehlen und 2. kein geeignetes Angebot in der Stadt existiert, ist sehr deutlich markiert wo der Handlungsbedarf liegt. 366 Kinder und Jugendliche waren zum 30.9.2017 außerhalb untergebracht, davon in nur 149 Fällen bewusst, aus fachlichen Erwägungen. Hier muss etwas getan werden, nicht zuerst aus finanziellen, sondern aus fachlichen Gründen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Die Problemlagen von Familien werden immer komplexer, wir sprechen über Drogenmissbrauch, psychische Erkrankungen, über Vernachlässigung und Gewalt. Und wir müssen beobachten, dass soziale Einschnitte der Nachwendezeit Langzeitwirkungen zeigen: Problemlagen werden familiär vererbt. Als Stadt können wir die ursächlichen großen sozial- und bildungspolitischen Rahmenbedingungen kaum umsteuern. Aber wir können und müssen korrigieren und dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche stabile Lebens- und Aufwachsensbedingungen haben.
An dieser Stelle will ich fast obligatorisch darauf hinweisen, dass wir in dem in Rede stehenden Bereich noch immer auf Basis des Teilfachplans Hilfen zur Erziehung von 2009 arbeiten. Die längst überfällige Fortschreibung wurde immer wieder zugesagt, eigentlich sollte der fortgeschriebene Plan im Herbst 2016 hier im Rat beschlossen werden. Passiert ist bis dato genau nichts. Dabei wäre der Fortschreibungsprozess unter Beteiligung von Trägern und Politik ein essentielles Forum um über veränderte Bedarfe und qualitative und quantitative Maßnahmen und Veränderungen sowie Prävention zu sprechen. Gehen Sie dies endlich an!
Leitlinie dafür muss es sein – da sind wir mit dem Amtsleiter d‘accord: es darf nicht um billige Hilfen gehen, sondern um Steuerung über Qualität.
Rede zur Drucksache DS 04730 „Überplanmäßige Aufwendungen nach § 79 (1) SächsGemO für das Jahr 2017 für den Leistungsbereich Hilfen zur Erziehung in der Budgeteinheit 51_363_3ZW“