… keine ruhige Hinterbank: Rückblick auf die Stadtratsarbeit seit 2019 Teil 2

In einem ersten Teil habe ich mich an einer eigenen Bilanz kommunalpolitischer Arbeit der letzten viereinhalb Jahre versucht und dort vor allem wohnungs-, drogen- und sozialpolitische Erfolge reflektiert. Hier geht’s nun weiter: Mit Kinder- und Jugendpolitik und migrationspolitischen und antirassistischen Themen:

Kinder- und Jugendpolitik – von Kita über Jugendarbeit in ihren Facetten bis hin zu den Hilfen zur Erziehung – sind mein Herzensthema, und in den letzten viereinhalb Jahren habe ich das breite Feld mit William Rambow bestritten. Und es war einiges in Bewegung, auch durch unsere Initiativen:

  • Wir haben – vor allem in den Haushaltsverhandlungen – für eine stabile und plurale Jugendhilfelandschaft gekämpft – 5 Millionen mehr seit 2019. Davon profitieren Jugendclubs in öffentlicher und freier Trägerschaft (fast 40 Jugendclubs), Jugendkultureinrichtungen, Abenteuer- und Bauspielplätze, unzählige Einzelprojekte der Jugendarbeit wie z.B. queere Jugendgruppen, das Kindermuseum, das Fußballfanprojekt oder die internationale Jugendarbeit und weit über 20 geförderte Jugendverbände. In den Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2023/24 konnten wir einige Schließungen von Projekten abwehren, einige konnten wir nicht retten, für einige haben wir eine Transformation auf den Weg gebracht oder sind wie bei der Kijuwe noch dabei.
  • Wir haben Kita- und Schulsozialarbeit weiter gestärkt und der Stadt den Auftrag gegeben, alle Schulen mit Schulsozialarbeit auszustatten. Schulsozialarbeit gibt es bisher an allen Förder- und Oberschulen, an 2/3 der Grundschulen und 4 Gymnasien – wir wollen weg vom defizitorientierten Ansatz hin zur Regelausstattung.
  • Wir haben ein Förderprogramm für die berufsbegleitende Ausbildung für soziale Berufe auf den Weg gebracht, um mehr Menschen insbesondere für die Arbeit in den Hilfen zur Erziehung zu gewinnen und damit für Entspannung zu sorgen. Vorgesehen sind je 50 Plätze bei freien Trägern und 16 Plätze beim kommunalen VKKJ.
  • Wir haben die frühkindliche Bildung in den Kindertageseinrichtungen gestärkt: Beschlossen wurde auf unsere Initiative die Verbesserung des Betreuungsschlüssels in zunächst 5 sozial besonders belasteten Kindertagesstätten um 1,5 – eigentlich eine Aufgabe des Landes, doch die Kämpfe scheitern hier seit Jahrzehnten an der CDU. Zudem machen auch wir derzeit stark, dass das pädagogische Personal in den Kitas trotz sinkender Kinderzahlen erhalten bleibt und damit der Betreuungsschlüssel verbessert wird – die Finanzierung muss allerdings das Land garantieren! Durch unseren umfassenden Antrag für eine Erneuerung der Grundsatzvereinbarung mit den freien Trägern von Kitas wollen wir sicherstellen, dass die finanzielle Ausstattung der Kitas bedarfsgerecht ist, aber auch dass alle Kinder in allen Kitas betreut werden können und keine Segregation zwischen den Kitas stattfindet. Last but not least haben wir mehr Kitas zu Kinder- und Familienzentren ausgebaut, das heißt, dass diese zusätzliche personelle und sachliche Ressourcen, z.B. für Elternarbeit, Sprachmittlung u.a. bekommen. Unsere Initiativen für ein kostenloses Mittagessen für alle Kinder in den Kitas und für ein Moratorium für die Kita-Beitragserhöhung fanden leider keine politische Mehrheit.
  • Wir haben Kinderrechte in den Fokus gerückt, ob mit unserer Initiative für eine Kinder-Charta gegen Armut und der Aufstockung der Geschäftsstelle Kinder- und Jugendbeteiligung.
  • Auch für bezahlbares Wohnen für junge Menschen haben wir uns stark gemacht. So wurde die Stadt beauftragt, ein kommunales Wohnheim für Auszubildende auf den Weg zu bringen, hier sollen vor allem Azubis mit wenig Geld und Verdienst gut wohnen können. Wir haben zudem die Ausweitung des Projektes JugendWohnen auf den Weg gebracht, hier sollen junge Menschen mit Schuldenproblematiken oder anderen Herausforderungen einen Platz zum Wohnen finden, bevor sie dann stark genug sind, ihre eigenen Perspektiven zu finden.
  • Wir haben maßgeblich für die bessere finanzielle Ausstattung des Fußballfanprojekts von Outlaw gesorgt. Hier werden junge Fans sozialpädagogisch begleitet und empowert.

Migration
Leipzig wird immer diverser, der Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte wächst auf fast 20%. Das verändert die Stadtgesellschaft und löst auch rassistische Beißreflexe und Hetze aus. Auch Behörden und Verwaltung müssen sich endlich auf die diverser werdende Stadtgesellschaft einstellen, das ist weder ressourcentechnisch noch alltagsbezogen der Fall. Vor allem mit dem Migrant*innenbeirat aber auch als Linksfraktion ist es gelungen, wichtige Veränderungen anzuschieben. Ein großer, offener Punkt ist die menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten. Wir sind weit hinter unsere Ziele zurückgefallen: mit 5 kommunalen Zelt/Leichtbauhallenlagern gelingt dieser vor mehr als 10 Jahren zivilgesellschaftlich erkämpfte Anspruch nicht. Dass jede und jeder ein gutes Ankommen, ausreichend Privatsphäre und schnell eine eigene Wohnung hat, dafür müssen wir noch einiges bewegen:

  • Ein dringendes Anliegen ist eine elektronische Gesundheitskarte für Geflüchtete im Bezug des Asylbewerberleistungsgesetzes. Diese sind während des Asylverfahrens und als Geduldete auf rudimentäre medizinische Grundversorgung zurückgeworfen und nicht Teil der Krankenversicherung. Sie müssen sich beim zuständigen Amt einen Behandlungsschein abholen. Das bedeutet Barrieren und kann zu Problemen bei der Wahrnehmung der eingeschränkten Leistungen führen. Das ist gesundheitsschädlich und ausgrenzend. Noch dazu hat die Ampel-Regierung die Geltung des Asylbewerberleistungsgesetzes von 18 auf 36 Monate erhöht, wer nicht vorher eine Anerkennung bekommt, was allein die Behörden in der Hand haben, lebt nun doppelt so lange im prekären Status. Abhilfe für die Gesundheitsversorgung könnte eine elektronische Gesundheitskarte sein, die viele Bundesländer bereits eingeführt haben. In Sachsen ist das unter der Kenia-Regierung nicht geschehen, aber die Kommunen können es selbst machen. Wir haben erfolgreich beantragt, dass die Stadt Leipzig dem Beispiel Dresdens folgt. Umgesetzt ist der Beschluss seither nicht.
  • Wir haben uns in den Haushaltsverhandlungen für mehr Geld für Migrantinnenselbstorganisationen, interkulturelle Projekte und den vorbildhaften Sprint-Sprachmittlerinnenpool eingesetzt – mit Erfolg. Die finanzielle Ausstattung hat sich stark verbessert.
  • Die Ausländerbehörde muss ambivalent betrachtet werden, sie vollzieht oft restriktive Gesetze des Bundes, ist für Menschen ohne Staatsbürger*innenschaft aber eine Schlüsselbehörde, um zu ihren Rechten zu gelangen. Wir haben für eine bessere Ausstattung mit Personalstellen gekämpft und konnten zuletzt 10 zusätzliche Stellen erwirken. Aber auch für die Einrichtung einer Ombudsstelle für die (häufigen) Beschwerden haben wir gearbeitet und mussten da trotz deutlichem Stadtratsbeschluss mehrfach nachfassen. Auch im Rahmen der Debatte um die schleppenden Einbürgerungen haben wir uns mit Vorschlägen, z.B. für ein Lotsensystem eingebracht.
  • Wir haben uns intensiv mit Diskriminierung von arbeitenden Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund beschäftigt, u.a. auch mit einem Film, der im Rahmen der Interkulturellen Wochen gezeigt wurde. Klar ist: Zugänge zu guter Arbeit müssen erleichtert werden, da ist die Kommune aber am kürzeren Hebel. Zudem müssen Aufklärung über die eigenen Rechte als Erwerbstätige*r gestärkt und Menschen empowert werden, diese wahrzunehmen. Last but not least brauchen die Menschen, die eine Duldung oder neu den Chancenaufenthalt haben, Unterstützung, um Sprache zu lernen, Schulabschlüsse zu erlangen oder auf anderem Wege in Ausbildung und Arbeit zu kommen, um auf eigenen Füßen zu stehen. Darum drehte sich ein von uns initiierte und beschlossener Stadtratsantrag.
  • Die Debatte, die die „Black lives matter“-Bewegung angestoßen hat, haben wir in den Stadtrat getragen. Der Beschluss, dass die Stadt ihre koloniale Vergangenheit aufarbeitet und damit Rassismus in einer seiner stärksten Wurzeln entgegentritt, war ein großer Erfolg, ist wichtiger Bestandteil der Erinnerungskultur und zivilgesellschaftlicher Arbeit und hat sich in der Debatte um das Ende von kulturalisierenden Veranstaltungen im Leipziger Zoo und dessen Rolle in der Kolonialzeit – all das war Teil eines sehr heiß diskutierten Antrags des Migrant*innenbeirats – gespiegelt.
  • Nachdem wir bereits 2019 die Stadt zum „sicheren Hafen“ für Geflüchtete gemacht haben (zumindest den Stadtratsbeschluss mit demselben Inhalt erfolgreich gestellt hatten), haben wir den von der Stadt selbst ergriffenen Schritt des Beitritts zum Bündnis „Städte sicherer Häfen“ mit einem Beschluss über die Übernahme einer Patenschaft mit dem Rettungsschiff „Rise above“ von Mission Lifeline ergänzt. Leipzig hat diese Patenschaft inne und mehrfach für Spenden geworben. Ein eigenes Spendenkonto scheiterte laut Aussagen der Verwaltung an der Landesdirektion.
  • Mit dem Angriff Russlands auf die gesamte Ukraine kamen schnell auch nach Leipzig tausende Flüchtende. Mit dem linXXnet haben wir eine Wohnungsbörse eingerichtet, die über mehrere Monate Hunderte Menschen in Privatquartiere vermittelte. Im Stadtrat haben wir eine Gastgeberinnenpauschale von 5 Euro/Tag für die Leipzigerinnen beantragt, die Menschen bei sich untergebracht haben, und sind damit gescheitert.

Nicht nur einmal ist zu betonen, dass diese Arbeit nur mit einer starken Fraktion und Impulsen aus der Stadtgesellschaft & flankiert mit Kämpfen der progressiven Zivilgesellschaft und Betroffener möglich ist.

Es folgt zum Schluss ein Blick auf antifaschistische und Wahlkreisbezogene Erfolge.

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