… keine ruhige Hinterbank: Rückblick auf die Stadtratsarbeit seit 2019

Vorab: Kommunalpolitik fetzt! Sie ist zeitintensiv, kleinteilig, kann keine großen Räder drehen im Sinne von Gesetze erlassen, aber Kommunalpolitik gestaltet das direkte Lebensumfeld und ist in ihrer Wirkung unmittelbar sicht- und spürbar. Ich habe – auch im direkten Vergleich zum Landtag – schätzen gelernt, dass im Stadtrat das Ringen um gute Lösungen im Vordergrund steht und nicht Schaufensterpolitik betrieben wird. Während wir als LINKE Opposition im Landtag an einer arroganten und herablassenden Regierung aus CDU, Grünen und SPD wie an einer Betonmauer abprallen, egal was wir beantragen, habe ich im Stadtrat vielfältige Erfahrungen des Aushandelns und des Suchens nach gemeinsamen Lösungen erlebt. Oft ist das mit Kompromissen verbunden, oft dauern Umsetzungen von Beschlüssen ewig. Nichtsdestotrotz: Es macht Spaß auf dieser Ebene etwas zu bewegen. Meine Fraktion, die Linksfraktion, hat als größte Fraktion viel erreicht, oft im Bündnis mit Grünen und SPD. Dies lückenlos zu dokumentieren ist schier unmöglich. Im Folgenden der Versuch einer kleinen Auswertung der letzten über 4 Jahre Stadtratsarbeit, die voller Lücken bleibt.

Ich arbeite im Stadtrat im Jugendhilfeausschuss zur Kinder- und Jugendpolitik. Im Sozialausschuss schwerpunktmäßig zur Wohnungslosen-, Wohnungs-, Drogen- und Migrationspolitik und bin im Migrant*innen- und Drogenbeirat tätig. Und natürlich habe ich einen Blick auf meinen Wahlkreis im Leipziger Süden, aber gerade wenn es um alternative Projekte, um Freiräume und antifaschistische Politik geht, natürlich weit darüber hinaus.

Im Bereich der Bekämpfung von Wohnungslosigkeit und Wohnungslosenhilfe haben wir in den letzten vier Jahren weiteres auf den Weg gebracht. Das Wichtigste ist der Erfolg des kommunalen Housing-first-Projektes, das wir nach einer Modell-Phase nun verstetigen und erweitern. Weitere Erfolge in diesem Bereich:

  • Etablierung und Finanzierung der umfeldnahen gesundheitlichen Versorgung wohnungsloser Menschen mit Arztsprechstunden in den Übernachtungshäusern und ganztägiger Öffnung von Notunterkünften für vulnerable Personen
  • Stärkung der Safe-Straßensozialarbeit & des Hilfebusses
  • temporäre Aussetzung der Gebühren für Übernachtungshäuser, Mindeststandards für den Kälteschutz und Unterkünfte für besondere Zielgruppen (leider haben wir mit der Initiative für die komplette Aussetzung der Gebühren keine Mehrheit bekommen)
  • mobiles Angebot zur medizinischen Versorgung wohnungsloser Menschen mit finanzierter Personalstelle
  • Auftrag für die Etablierung eines Angebots für wohnungslose EU-Bürger*innen, damit diese eine mittel- und langfristige Perspektive bekommen
  • Hilfe für junge Wohnungslose durch gezielte Vermittlung in Wohngemeinschaften und Bürgschaften für Mietvertragsabschluss

Ein zentraler Punkt, um Wohnungslosigkeit nachhaltig zu bekämpfen, ist bezahlbarer Wohnraum. Dieser ist in Leipzig bekanntermaßen Mangelware, worunter vor allem Menschen in prekären Lebenslagen und mit geringen Einkommen leiden. Hier Entspannung zu schaffen ist im kommunalen Rahmen nicht einfach, denn Wohnungs- und vor allem Mietenpolitik wird in Bund und Land gemacht. Wir haben an vielen Stellen agiert und einiges erreicht. Hier einige Punkte, bei denen ich mitwirken konnte:

  • Etablierung und Ausweitung von Sozialen Erhaltungssatzungen in mittlerweile acht Stadtgebieten, u.a. Connewitz haben wir per Antrag auf den Weg gebracht, derzeit werden drei weitere Gebiete untersucht (In Gebieten, in denen Soziale Erhaltungssatzungen gelten, können Luxussanierungen und Aufwertungen von Wohnraum nicht ohne Genehmigung umgesetzt werden. Darunter fallen beispielsweise der nicht zweckmäßige Einbau von teuren Fußböden, zweiten Balkonen oder Aufzügen, die nicht stufenlos erreichbar sind. Es geht um Maßnahmen, die zu Mieterhöhungen führen können – in bestehenden Mietverhältnissen, aber spätestens bei Neuvermietungen und somit die Spirale der Mieterhöhungen immer weiter antreiben).
    In Einzelfällen, wie der Immobilienfirma United capital, habe ich durch systematische Anfrage im Stadtrat dazu beigetragen, dass die Durchsetzung der Erhaltungssatzung im Sinne der Mieter*innen auch geschieht. Wenn Fehlverhalten von Eigentümern nicht durch engagierter und aufmerksame Mieter*innen gemeldet und die Ahndung dann auch verfolgt wird, bleiben die Erhaltungssatzungen zahnlos.
  • Wir haben eine Mieter*inneninformationsstelle auf den Weg gebracht, die abseits des Angebots des Mietervereins kostenfreie Infos für Mieterinnen gibt, angesiedelt beim Leipziger Erwerbslosenzentrum
  • Anstoß zur Erschwerung von Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen und den verlängerten Kündigungsschutz für Mieter*innen um erstmals umgewandelte Wohnungen – beides wird durch das Land Sachsen blockiert
  • Druck für das Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum zu Ferienwohnungen und durch Leerstand – das Landesgesetz hat viel zu viele Lücken, aber es kann jetzt kommunal losgehen – spekulativer Leerstand war und ist ein Thema, das in den letzten Jahren auch intensiv durch Hausbesetzungen thematisiert und eingefordert wurde, was ich äußerst gern begleitet habe, denn Eigentum verpflichtet!
  • Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft LWB war immer wieder Thema der positiv-kritischen Auseinandersetzung: Seit 2019 frage ich jährlich nach Mieterhöhungen bei der LWB, angestoßen durch einen Bekannten, der wegen wiederholter Mieterhöhung umziehen musste. Und siehe da: die LWB erhöht jährlich bei um die 6000 Haushalten die Miete und schöpft dabei scheinbar auch die gesetzlich mögliche (und in Leipzig abgesenkte) Spanne von 15 % aus. Die Erhöhungen wurden auch in Corona-Zeiten und in der Energiepreiskrise durchgezogen, für 2024 sind sogar 9000 Haushalte betroffen! Doch der Widerstand wächst, viele Mieter*innen haben sich in den vergangenen Jahren aktiviert, zusammengeschlossen – im nächsten Stadtrat werden wir hier proaktiv nach Lösungen streben
  • Abgeschafft wurde das diskriminierende Listenverfahren für geflüchtete Personen bei der LWB
  • Mit „Südvorstadt für alle“ wurde von der Basis – Stadtteilinitiative, Mieter*innen und Stadtbezirksbeirat – der Beschluss für ein Modellprojekt für die soziale und ökologische Sanierung von 105 Wohnungen der LWB auf den Weg gebracht. Doch die LWB sperrt sich gegen die proaktive und kooperative Umsetzung des Beschlusses, so dass hier noch ein langer Atem nötig ist.
  • Auch im Süden, aber auch stadtweit die Rettung der Konzeptverfahren – seit 2017 werden in Leipzig kommunale Grundstücke nicht mehr veräußert, sondern in Erbbaupacht an Baugruppen vergeben, die gemeinwohlorientierte, soziale- oder stadtentwicklungsrelevante Ziele verfolgen. Bisher gab es zwei Ausschreibungsrunden, eine dritte läuft derzeit. Die Projekte in der 2. Runde wurden hart durch gestiegene Baukosten und Zinsen erwischt. Nur durch eine städtische Zusatzförderung von 5,4 Millionen Euro konnten zuletzt 6 von 8 Projekten gerettet werden, das größte ist das der Leika-Genossenschaft am Herderpark in Connewitz, 36 Wohnungen sollen hier entstehen – Leitbild: Sozial, ökologisch, barrierefrei.

Im Bereich der Drogenpolitik ist in den letzten Monaten einiges in Bewegung gekommen. Vor allem mit der Entkriminalisierung von Cannabis zum 1.4.2024. Im Stadtrat spielte diese konkrete Facette eines breiten Themas öfter eine Rolle. Zum Beispiel mit dem Beschluss, dass Leipzig Modellregion für Cannabis-Fachgeschäfte werden soll, ein Modell das über die nun beschlossene 1. Säule mit legalem Besitz von bis zu 50g und Anbauvereinigungen hinausgeht, mutmaßlich aber nicht mehr kommen wird. Ich habe mich vor allem um andere Facetten bemüht. Hierbei geht es vor allem um die Sicherung und Weiterentwicklung der Hilfe- und Präventionslandschaft. Der erneute Versuch das herausragende Projekt DrugScouts abzuwickeln, im Sinne von nicht weiter zu finanzieren, ist auch an unserem Widerstand gescheitert, stattdessen gab es sogar eine bessere Finanzausstattung. Federführend war ich am Beschluss der Etablierung eines Drogenkonsumraums und eines Modellprojektes DrugChecking in Leipzig beteiligt. Beides ist intensiv in der Be- und Erarbeitung, beides ist von Verordnungen abhängig, die das Land erlassen muss und beides wird Geld kosten. Sowohl Konsumraum – der in Leipzig mobil und voraussichtlich in Verantwortung des Zentrums für Drogenhilfe geschaffen wird – als auch das DrugChecking sind etablierte Formen der Harm Reduction, führen erwiesenermaßen dazu, dass weniger riskant konsumiert wird und schaffen Ansatzpunkte für Beratung und einen kompetenteren Umgang mit Substanzen.

 

Und ich habe noch mehr zu berichten: in einem 2. Teil werde ich eine Bilanz zu Erfolgen in den Bereichen Kinder- und Jugendpolitik, Migration und Antirassismus, zu Antifaschismus und zum Leipziger Süden ergänzen.

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