Jetzt kommt’s darauf an: Mieter*innen der Kantstraße 55 – 63b schützen, Entmietung verhindern!

Fast zehn Jahre währt der Kampf der Mieter*innen in den Blöcken der Kantstraße 55 – 63b in der Leipziger Südvorstadt.
Nachdem sich GRK und Instone Real Estate erfolglos die Zähne an der Entmietung des Wohnensembles Kantstraße ausgebissen haben, geht die neue Eigentümerin, die Campus Group, nun in die Vollen.

Die GRK – Holding GmbH war über lange Zeit Eigentümerin des Ensembles, vorher gehörten Teile (die Hauseingänge 59a – 63b) der Stadt Leipzig (die anderen Häuser der Juhrich Hausverwaltung). Der gesamte Komplex wurde an die GRK veräußerte. Der Verkehrswert des städtischen Teils betrug damals 503.000,00 Euro (siehe Verkaufsbeschluss aus dem Jahr 2005).

Nach auch öffentlichen Protesten 2012/13 legte die GRK ihre Sanierungspläne für die Kantstraße zunächst auf Eis. Zum 30.6.2014 endete dann ein großer Teil der befristeten Mietverträgen. Zirka 60 % der Mietparteien waren betroffen und mussten ausziehen.
2017 gingen die vier Wohnhäuser an die Instone Real Estate über, 2019 an die Campus Group.

Derzeit sind noch 15 von zirka 75 Wohnungen bewohnt, 20 Erwachsene und 20 Kinder leben dort.

Im Protokoll des Stadtbezirksbeirats Süd, wo Mieter*innen am 02.09.2020 vorgesprochen haben, heißt es:

„Aufgrund des lange andauernden Leerstandes kommt es bereits zur Verschlechterung der Bausubstanz, bspw. dringt ungehindert Wasser durch die Löcher im Dach in die Wohnungen der obersten Stockwerke ein. Der Vermieter kündigt immer wieder Modernisierungsmaßnahmen an, aber seit sieben Jahren werden nicht mal dringend notwendige Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt, es wird psychischer Druck aufgebaut, u.a. indem den Mieter*innen bereits Eigenbedarfsklagen angekündigt wurden.“

Kündigungen, Mieterhöhungsverlangen, Modernisierungsankündigungen und mindestens eine Verwertungskündigung liegen auf dem Tisch.

Ich begleite die Mieter*innen der Kantstraße nun schon seit 2012. Im Rahmen von Podiumsdiskussionen und Demonstrationen machten wir auf das Problem der drohenden Verdrängung aufmerksam. 2012 wurden wir noch belächelt, als wir – auch am Beispiel der Kantstraße – über Gentrifizierung in Leipzig sprachen, heute ist gemeinhin anerkannt und mit harten Zahlen belegt, dass es in der Stadt einen krasse Aufwertungs- und damit einhergehenden Verdrängungsdruck gibt. Mieten steigen und Menschen werden aus ihren Wohnungen raussaniert.

Die verbliebenen Mieter*innen der Kantstraße haben wirklich alles versucht: Laute Proteste, Öffentlichkeitsarbeit, Vernetzung und sogar Verhandlungen mit den Eigentümern zur Übernahme eines der Häuser. Doch GRK und Instone blieben hart, legten harten Bandagen an und versuchten mittels Einzellösungen und Ablösezahlungen Mieter*innen zum Auszug zu bewegen (Zwischenbilanz im Kreuzer: https://kreuzer-leipzig.de/2019/08/05/ein-viertel-erhalten/). Auch die neue Eigentümerin, die Campus Group blockt und scheint jetzt ernst machen zu wollen. Die Bestandsmieter*innen stören bei der hochwertigen Sanierung.

Ich habe die Stadtverwaltung jüngst nach Möglichkeiten zur Unterstützung der Mieter*innen angefragt. Die Antwort ist erwartungsgemäß ernüchternd.

Bis 2021 sind die beantragten Baugenehmigungen erteilt, die um bis zu 2 Jahre verlängert werden können. Deren Inhalt ist: „Umbau und Sanierung eines Mehrfamilienhauses; Neuaufteilung Grundrisse; Errichtung von Balkonanlagen, Einbau Personenaufzug; Einbau von Loggien und Dachgaupen“.

Für die Südvorstadt, wo das Ensemble liegt, lagen die Kriterien für den Erlass einer Sozialen Erhaltungssatzung (Milieuschutz), die einen solch grundlegenen Umbau hätte verhindern können, (noch) nicht vor. Auch ein stärkerer Schutz der Bestandsmieter*innen durch eine von drei auf zehn Jahre verlängerte Kündigungssperrfrist infolge der Umwandlung von Mietwohnraum in Eigentumswohnungen nach § 577a Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch ist in Sachsen nicht anwendbar. Meine Fraktion hatte sich vor kurzem bei der Stadt erkundigt, ob sie sich auf Landesebene für den Erlass einer entsprechenden Verordnung einsetzen würde, was bis zum Ende des Jahres zumindest geprüft werden soll (siehe Antwort der Stadt auf die Anfrage).

Auf meine Frage ob die Stadt die Möglichkeit sieht, die Häuser zurück zu erwerben, heißt es lapidar: nein.

Sicher ist es nicht die Stadt Leipzig, die die größte Verantwortung für die Situation der Mieter*innen trägt. Nichts desto trotz steht sie historisch betrachtet am Anfang des Entmietungsprozesses. Erst im Juli 2015 verpflichtete der Leipziger Stadtrat die städtische Verwaltung per Ratsbeschluss, den Verkauf kommunaler Grundstücke und Gebäude zu stoppen und damit einen Paradigmenwechsel in der städtischen Liegenschaftspolitik einzuleiten.  Das nutzt den Mieter*innen der Kantstraße nichts, genau wie vielen anderen, die in von Stadt und LWB an Private veräußerten Wohnhäusern leb(t)en. Der hohe Leerstand im Komplex Kantstraße ist zumindest nicht Schuld der Mieter*innen und hätte durch eine behutsame Sanierung mit den ehemaligen und gegenwärtigen Mieter*innen schon längst behoben werden können.

 

Wirklich verwerflich und unverständlich ist, dass sich ein Unternehmen wie die GRK bzw. ihr Folgekonstrukt Instone Real Estate, die sich immer wieder mit Spenden an karitative Einrichtungen hervortat, nicht ernsthaft auf Verhandlungen mit den Mieter*innen zur Übernahme eines der vier Häuser einließ. Die Rendite zählt offensichtlich mehr als der Schutz des Wohnumfeldes von Menschen.
Auch Druck von Offiziellen der Stadtpolitik hätte hier vielleicht etwas bewirken können, schließlich ließ sich Oberbürgermeister Jung in seinem Wahlkampf 2013 durch die GRK finanzieren, die Zeit, in der es in der Kantstraße schon mal heiß her ging.

Für die verbliebenen Mieter*innen ist fast ein Jahrzehnt des Stress und des Ringens um ihr ganz persönliches Wohnumfeld vergangen. Niemandem ist ein solcher Zustand der Unsicherheit, der Angst und des Drucks zuzumuten. Die Mieter*innen der Kantstraße sind dabei nicht die einzigen, die von einem solche Gebahren auch renommierter Immobilienunternehmen betroffen sind.

Die Stadt Leipzig muss Instrumente zum Schutz von Mieterinnen und Mietern nutzen und den Druck in Sachen Mietpreisbremse, Zweckentfremdungs- und Umwandlungsverbot und zur Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung beim Land erhöhen! In Sachen Kantstraße ist die Campus Group am Zuge dafür so sorgen, dass die verbliebenen Bewohnerinnen und Bewohner zu bezahlbaren Mieten bleiben können. Dazu gibt es keine Alternative!

Antwort auf die Anfrage „Was unternimmt die Stadt Leipzig um die verbliebenen Mieter*innen in der Kantstraße 55-63b zu schützen?“

Dezernat Stadtentwicklung und Bau, 10.11.2020

1. Liegt für den Komplex Kantstraße 55-63b eine Baugenehmigung vor? Wenn ja: Seit wann und durch welchen der verschiedenen Eigentümer wurde jene beantragt?

Für den Gebäudekomplex Kantstraße 55 – 63b wurden zwischen März und August 2018 4 Baugenehmigungen (Kantstraße 55, 57 / Kantstraße 59a, 59b / Kantstraße 61a, 61b / Kantstraße 63a, 63b) seitens des Amtes für Bauordnung und Denkmalpflege erteilt. Die Baugenehmigungen sind noch bis 2021 gültig und können auf Antrag des Bauherrn jeweils um bis zu 2 Jahren verlängert werden.

Antragsteller ist ein privater Investor. Weitergehende Aussagen zu persönlichen Daten können aufgrund datenschutzrechtlicher Vorschriften nicht gemacht werden.

2. Inwiefern war und ist das Bauordnungsamt in die aktuelle Instandsetzungs-/Modernisierungsmaßnahmen einbezogen? Was wurde konkret genehmigt? Wurden bzw. werden auch Verkehrssicherungspflichten des Eigentümers geprüft?

Dem Amt für Bauordnung und Denkmalpflege sind keine aktuellen Instandsetzungs-/ Modernisierungsmaßnahmen bekannt. Die Titel der o.g.  Baugenehmigungen lauten:

„Umbau und Sanierung eines Mehrfamilienhauses; Neuaufteilung Grundrisse; Errichtung von Balkonanlagen, Einbau Personenaufzug; Einbau von Loggien und Dachgaupen“. Ein Baubeginn wurde bisher für keine der Baugenehmigungen durch den Antragsteller angezeigt.

Maßnahmen der Verkehrssicherungspflichten sind nicht in der Zuständigkeit der unteren Bauaufsichtsbehörde. Verletzungen von Verkehrssicherungspflichten wurden dem ABD zudem auch nicht angezeigt.

3. Wie bewertet die Stadt Leipzig die scheinbar systematische Entmietung des Komplexes und den damit geschaffenen massiven Leerstand? Über welche Handlungsmöglichkeiten verfügt die Stadtverwaltung gegen ein solches Gebahren von Eigentümer*innen zulasten von Mieter*innen vorzugehen?

Die Stadt hat wenig bis keine Handlungsmöglichkeiten, da diese Thematik das Mietrecht berührt, welches im Zivilrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelt ist. Da die Stadtverwaltung hoheitlich nur im öffentlichen Recht handeln kann, sind Möglichkeiten der Stadtverwaltung, die Mieter und Mieterinnen bei Ihrer mietrechtlichen Fragestellung zu unterstützen, nicht gegeben. Eine individuelle Beratung, z.B. im Mieterverein oder anderen Mietervertretungen, ist zu empfehlen und wurde seitens der Mieter auch genutzt.

Die einzige rechtliche Möglichkeit ist im § 577a Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) definiert. Demnach kann bei einer Wohnraumumwandlung eine Kündigungssperrfrist von drei Jahren eintreten. Die Bundesländer können diese auf zehn Jahre verlängern. In Sachsen ist jedoch keine entsprechende Verordnung erlassen worden. Somit gilt daher lediglich die allgemeine Sperrfrist von 3 Jahren.

Die Instrumente des besonderen Städtebaurechts (Soziale Erhaltungssatzungen) sind hier auch nicht anwendbar, da die entsprechenden Vorgaben nicht erfüllt werden können. Im Rahmen der gesamtstädtischen Voruntersuchung zur Relevanz von Sozialen Erhaltungssatzungen in Leipzig wurde das Aufwertungspotenzial, der Aufwertungsdruck und das Verdrängungspotenzial auf Ebene der statistischen Bezirke der Stadt Leipzig analysiert. Im Ergebnis der Verschneidung von 19 Indikatoren dieser drei Analyseebenen wurden für die statistischen Bezirke des Ortsteils Südvorstadt keine mittlere oder hohe Relevanz für eine Soziale Erhaltungssatzung abgeleitet (vgl. Beschluss VI-DS-05896 vom 24.10.2018). Somit konnte auch kein Aufstellungsbeschluss für Bereiche der Südvorstadt in die Gremien eingebracht werden. Im Rahmen der Fortschreibung dieser gesamtstädtischen Voruntersuchung, welche für Ende 2021 vorgesehen ist, werden wieder alle Stadtbezirke betrachtet und ausgewertet.

Eine Umsetzung wohnungspolitischer Ziele kann nur gemeinsam und im Dialog angegangen werden. Dies geschah durch Akteure des Netzwerkes Leipziger Freiheit, welche zwischen den Mietern und Mieterinnen und zuerst der GRK sowie dann auch dem neuen Eigentümer in vielen Gesprächen versucht haben zu vermitteln. Leider blieben die Bemühungen erfolglos. Im Übrigen fand und findet die Stadt einen geballten Leerstand an Wohnungen nicht nur für die betroffenen Mieter und Mieterinnen unangemessen, sondern auch für das Quartier negativ.

4. Welche Unterstützung können die Mieter*innen von der Stadt erwarten? Gibt es eine rechtliche und materielle Möglichkeit den Komplex durch die Stadt Leipzig (zurück) zu erwerben?

Zu den Handlungsmöglichkeiten der Stadt verweisen wir auf die vorstehenden Ausführungen. Es besteht zudem keine rechtliche Möglichkeit die Grundstücke zu erwerben.

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