Integrations- und Teilhabegesetz für Migrant*innen vorgelegt: Gleichberechtigte Teilhabe für alle, die hier leben

Den aktuellen politischen Debatten um die weitere Verschärfung des Asylrechts setzen wir als LINKE ein Integrationsgesetz für Sachsen entgegen. Verbindliche gesellschaftliche und politische Teilhabemöglichkeiten für Migrant*innen schaffen. Meine Rede zur Einbringung des Gesetzes im Landtagsplenum am 20.6.2018 zum Nachlesen (unten)

Integration braucht Ordnung!

Heute reden fast alle nur von #Abschottung und #Abschiebung. Wir wollen eine wirkliche Alternative für alle, die hier leben: ein offenes und freundliches #Miteinander, das Konflikte nicht verdrängt, sondern ihre Lösung produktiv macht für die gesamte #Gesellschaft. Wir haben im #saxlt ein Gesetz vorgeschlagen, das die #Integration verbindlich ordnet – im Interesse von Alteingesessenen und Hinzugekommenen gleichermaßen. Dabei geht es bei weitem nicht nur um #Geflüchtete – denn ein Großteil der zuwandernden Menschen stammt aus anderen #EU-Ländern. bit.ly/2z3ZQTh

Gepostet von Linksfraktion Sachsen am Freitag, 29. Juni 2018

 

Anrede

– Die 10-jährige Samira hat gute Noten, besser als viele ihrer Freundinnen. Mit ihren Eltern verständigt sie sich den Sprung ins Gymnasium zu versuchen. Doch die Gespräche mit der Bildungsagentur verlaufen negativ. Ihre Empfehlung lautet auf den Besuch der Oberschule, im Gegensatz zum Gros ihrer FreundInnen.

– Amadou bewirbt sich bei für einen Job in einer Kreisverwaltung in Sachsen. Er wird nicht mal zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Er ist in Deutschland geboren und hat einen exellenten Fachhochschulabschluss.

– Mulay und Mohammed werden bei McDonalds in Leipzig rassistisch beleidigt, sie widersprechen und werden angegriffen. Die eintreffende Polizei weigert sich die Anzeigen aufzunehmen und überprüft stattdessen mögliche polizeiliche Einträge der Betroffenen.

– Auf Regierungsebene wird ein Erlass zur Einführung von landesinternen Wohnsitzauflagen gefertigt. Es wird behauptet, dass dies einen positiven Effekt für Geflüchtete, für die Integration hat. Gefragt hat die Betroffenen niemand.

Diese Beispiele lassen sich endlos fortsetzen. Denn: Das Ausmaß von Diskriminierung und Benachteiligung derer, die nicht in der Bundesrepublik geboren wurden, derer die phänotypisch von der Norm abweichen oder gar mit Akzent oder gebrochen deutsch sprechen ist groß. Und es ist mal offen und mal verborgen.

Ja genau dieses Ausmaß ist auch in diese Parlament weitestgehend unsichtbar, der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund, der in Sachsen bei immerhin 6,5 % liegt, wird weder in Parlament, noch in der Regierung noch in der Verwaltung des Freistaates auch nur annähernd wiedergespiegelt (auch meine Fraktion). Und genau deswegen, werden an dieser Stelle die meisten der Zuhörenden schon abgeschaltet haben und meinen: die spinnt oder aber: was geht mich das an.

Aber nein: Weder spinne ich, noch kann es uns egal sein, wenn Menschen die Zugänge zur Teilhabe an dieser Gesellschaft, zum Broterwerb, zum Bildungswesen, zu öffentlichen Dienstleistungen oder zur politischen Teilhabe verwehrt bleibt. Das ist nicht nur ungerecht und wider die Menschenrechte, es erzeugt auch berechtigten Frust und gesellschaftliche Konflikte. Es schafft die Parallelgesellschaften, über die sich die konservativen Vertreterinnen und Vertreter dieses Hauses nur zu gern echauffieren.

Wir wollen, dass es Beispiele wie die eingangs erwähnten nicht mehr gibt. Gleichbehandlung, Unterstützung gegen Benachteiligung, die Veränderung von althergebrachten Strukturen, die sich an einer vermeintlich homogenen Bevölkerung orientieren und die Ermöglichung von Teilhabe in möglichst allen Lebensbereichen, das ist, was wir mit unserem Gesetz zur Verbesserung der Teilhabe von Migrantinnen und Migranten sowie zur Regelung der Grundsätze und Ziele der Integration im Freistaat Sachsen erreichen wollen.

Mit der Einbringung unseres Integrationsgesetzes wollen wir die Debatte aus der vergangenen Landtagssitzung weiterführen und quasi vom Kopf auf die Füße stellen. Denn: Ein Integrationskonzept muss auf eine Basis aufsetzen, die Rechtsansprüche generiert und damit Verbindlichkeiten schafft. Und das geht unseres Erachtens nur über einen legislativen Akt.

Mit unserem Gesetzentwurf treten wir in die Fußstapfen von Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Berlin, die sich bereits mit Landesgesetzen der Schaffung von gesellschaftlichen und politischen Teilhabemöglichkeiten für Migrantinnen und Migranten gewidmet haben. Explizit abgrenzen wollen wir uns allerdings zum auf Assimilation und Restriktionen setzenden Gesetz aus Bayern.

Schwerpunkte unseres Gesetzesentwurfes sind:

1. die interkulturelle Öffnung – dies ist ein wesentlicher Schlüssel für eine bessere Teilhabe von Migrantinnen und Migranten. Dabei geht es uns keineswegs darum dass in Zukunft Klischeehandbücher das Behördenhandeln bestimmen, sondern dass Barrieren abgebaut werden, bedeutet so zu handeln, dass die Bedürfnisse und Lebenslagen von und Auswirkungen auf Menschen mit aber auch ohne Migrationsgeschichte mitgedacht werden. Im Gesetz schreiben wir u.a. die Erhöhung des Anteils von Migrantinnen und Migranten im öffentlichen Dienst und die Förderung der interkulturellen Kompetenz der Bediensteten und Beschäftigten der öffentlichen und sonstigen Stellen fest. Hier hat das Land, hier haben aber auch die Kommunen einen dringlichen Nachholbedarf.

2. Integration findet vor allem in den Kommunen statt und wird zum großen Teil durch Akteure der Zivilgesellschaft ermöglicht. Dieser auch in diesem Haus immer wieder getätigten Aussagen tragen wir mit der Schaffung von konkreten kommunalen Strukturen und der Festschreibung der Förderung von Maßnahmen freier Träger Rechnung.

In § 12 finden sie die so genannten Kommunalen Integrationszentren, die in jedem Landkreis und jeder Kreisfreien Stadt geschaffen werden sollen. Vorbild ist NRW, dort gibt es 53 dieser Zentren. In den KIZ sollen kommunale Integrationsbemühungen sowohl öffentlicher als auch zivilgesellschaftlicher Akteure gebündelt werden, ein Schwerpunkt liegt zudem auf der Entwicklung kommunaler Bildungslandschaften.

3. Nur wer sich als gleichberechtigtes Mitglied einer Gesellschaft wahrgenommen fühlt, fühlt sich auch eingeladen, in ihr mitzuwirken und Verantwortung zu übernehmen.

Diesem Anspruch können wir auch auf Landesebene durch die Schaffung von institutionalisierten Beteiligungsstrukturen Rechnung tragen. Wir schlagen die Schaffung eines Landesmigrationsrates vor, der sich aus verschiedenen Akteuren des gesellschaftlichen und öffentlichen Lebens und aus von MigrantInnenorganisationen selbst bestimmten VertreterInnen zusammensetzt, der bei allen legislativen Akten, die Belange von Menschen mit Migrationsgeschichte betreffen zu konsultieren ist, der unabhängig arbeiten und der durch eine verbindliche Sach, Personal- und Finanzaustattung auf stabile Füße gestellt wird.

Weiterhin wollen wir kommunale Migrations- bzw. Integrationsräte mindestens in den Kreisfreien Städten, Landkreisen und Großen Kreisstädten festschreiben.

Ebenso greifen wir die Frage der kommunalen Integrationsbeauftragten wieder auf, wollen das Amt des Sächsischen Ausländerbeauftragten zum Integrationsbeauftragten umgestalten, wollen Integration in Beruf und Arbeit vorantreiben und Dienst- und Arbeitsfreistellung auch an anderen als christlichen Feiertagen, etwa dem Fastenbrechen oder Nevruz, ermöglichen.

Last but not least haben wir uns selbstverständlich um die Frage der Finanzierung Gedanken gemacht. Alle zusätzlichen Aufgaben müssen der kommunalen Ebene voll erstattet werden. Genau dafür ist auch Geld da bzw muss Geld da sein: Denn hier geht es um den sozialen Frieden und um ein gedeihliches Zusammenleben. Konkret wollen wir außerdem eine kommunale Integrationspauschale einführen. Jährlich sollen die Gemeinden, Städte und Landkreise in diesem Rahmen insgesamt 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt bekommen, um damit die auch für Integration notwendige Infrastruktur herzurichten oder neu zu schaffen. Und auch dies kommt im Endeffekt der gesamten Bevölkerung zu Gute.

Ich schließe mit den Worten des Sachverständigenrates Deutscher Stiftungen für Integration und Migration, der im Gutachten zum Zuwanderungs- und Integrationsgesetz Teil 1 schrieb:

„Sollte die Staatsregierung ein solches Gesetz erwägen, wäre Sachsen das erste der ostdeutschen Flächenländer mit einem solchen Vorhaben; dem Land käme damit eine Vorreiterrolle zu und er würde ein deutliches Zeichen setzen, auf die auch in Zukunft virulenten Fragen der Integration und gesellschaftlichen Teilhabe von Zuwanderern vorbereitet zu sein.“

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