Hirngespinst „kriminelle Vereinigung“: Auch Fansozialarbeit von Ausspähaktion betroffen

Nach drei Jahren wurde im November 2016 ein Ermittlungsverfahren gegen 14 Personen wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung ohne Ergebnisse eingestellt. Auch die Arbeit eines Fansozialarbeiters wurde als Unterstützung krimineller Aktivität fehlgedeutet und überwacht. Auch meine Kommunikation wurde als Gesprächspartnerin von Beschuldigten überwacht. Mein Statement:

Das Gros der Beschuldigten wurde über die gesamte Zeit ausgespäht und überwacht (Telekommunikation sowie Observationen), diese Grundrechtseingriffe betreffen nicht nur die 14 Betroffenen, sondern über 75 Menschen, die von den Behörden mit den Verdächtigten in Verbindung gebracht wurden. Am gestrigen Montag gab der Träger des Leipziger Fußball-Fanprojektes, die Outlaw gGmbH, bekannt, dass einer seiner Mitarbeiter, der Fansozialarbeiter für den Leipziger Fünft-Ligisten BSG Chemie Leipzig, als Beschuldigter (!) in diesem Verfahren geführt wurde.

Es ist schon ein starkes Stück und es dürfte einmalig sein, dass der Mitarbeiter eines Fanprojektes derart kriminalisiert wurde. Seine komplette Arbeit im Rahmen der Fansozialarbeit wurde als Unterstützung krimineller Aktivität fehlgedeutet und überwacht. Skurriler Höhepunkt: Laut Akten wurde ihm u.a. vorgeworfen, Fahrten in den sächsischen Landtag organisiert zu haben. In den Augen der Behörden offensichtlich Teil seines kriminellen Handelns. Das ist ein Skandal!

Auch meine Kommunikation als Stadträtin und Mitglied im Jugendhilfeausschuss, der für die Belange des Fanprojektes verantwortlich ist, war von dieser Überwachungsmaßnahme betroffen. In Zukunft muss ich mir offenbar überlegen, mit wem ich mich am Telefon noch austauschen darf, ohne überwacht zu werden.

Aber auch darüber hinaus muss ein weiteres Mal hart sowohl mit den sächsischen Ermittlungsbehörden als auch der sächsischen Justiz ins Gericht gegangen werden. In Leipzig wurden 14 Personen und zig unbeteiligte Dritte kriminalisiert und durchleuchtet, mit einem bedeutenden Arbeitsaufwand und über Jahre hinweg. Der Umfang der Akten spricht Bände, mehrere hundert Seiten wurden zu jeder Person angelegt. Die Ermittlungsbehörden erhielten Einblick in die Privatsphäre, in Geschäftsbeziehungen und auch politische Verbindungen.

Der §129 Strafgesetzbuch ist ein Schnüffelparagraph. Wie bereits bei der vermeintlichen Dresdner Antifa-Sportgruppe, gegen die das Verfahren nach vier Jahren 2014 eingestellt wurde, muss auch hier eingestanden werden, dass die „kriminelle Vereinigung“ ein Hirngespinst war. Gegen die rechtsterroristische „Gruppe Freital“ gab es offenbar weniger Ermittlungseifer, wenn eine Vertreterin der Staatsanwaltschaft beim Prozess aussagte, dass ihr nur „fünf der tausend Puzzleteile“ vorgelegen hätten, um das Handeln der Neonazigruppe einzuschätzen.

PM 25. April 2017

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