Weltnest diese Woche zu Connewitz und vermeintlichen Normalisierungstendenzen ;)
Martin fragt:
In Connewitz ist die Hölle los. Beziehungsweise nicht mehr. Und das ist eben für viele Anwohner die Hölle. Graffiti-Flatrate und Polizeiposten zeigen tatsächlich Wirkung. Es soll ganze Straßenzüge ohne Bombings und Tags geben. Aber es kommt noch dicker.
Pro Tag werden drei Autos abgefackelt? Geschenkt! Aber sobald der erste Baum in Flammen aufgeht, steht das Viertel Kopf. Apropos Bäume: jetzt soll sogar ein Park verkauft werden, damit darauf gebaut werden kann. Wie kann Connewitz jetzt noch gerettet werden? Brauchen wir die „Bunte Hilfe“, oder ist das genau die Entwicklung, die Connewitz braucht?
Meine Antwort:
Ich bitte dich, Martin. Doch nicht schon wieder Connewitz, Und dann noch mit solchen infamen Wegweisungen!
Der Häuslerbesitzer-Verein Haus und Grund hat es im Sommer doch richtig konstatiert und die Linie vorgegeben: Connewitz alt schadet den InvestorInnen: „Die Grundstückspreise liegen heute niedriger als in den Neunzigern. Jedes Verkehrsschild und jedes Haus ist mit Graffiti beschmiert. Man sieht eingeschlagene Fenster. Selbst ein neuer Polizeiposten wurde attackiert. Offenbar hat die Stadt bei alledem schon resigniert.“ Jetzt endlich ist Connewitz auf dem richtigen Weg: Graffiti wird schnell weggemacht, Bäume brennen statt Autos, Parks werden beseitigt und damit auch das Lebensgefühl dieses Stadtteils. Connewitz wird endlich marktfähig. Yes!
Aber im Ernst: die Beispiele in der Fragestellung sind schief. Der Baum hat mich den Autos so wenig zu tun wie Graffitis mit dem Angriff auf den Polizeiposten.
Das Problem der Wahrnehmung an Connewitz ist, dass viel vermengt und wenig hinterfragt wird. Connewitz ist weder „Hort von ChaotInnen“ noch „total krass linkes Viertel“ und ich bin weder die Anführerin des einen, noch des anderen Mythos. Connewitz ist wunderschön, lebens- und liebenswert, mit seiner Geschichte und mit seiner Realität (wer braucht schon Autos, … Scherz. Autos werden überall in der Stadt angezündet, in Connewitz wird ein politischer Hintergrund vermutet. Wenn es den gibt, dann gibts zumindest einen Grund darüber kritisch zu diskutieren.. und damit: ACHTUNG DISTANZIERUNG: will ich keine Straftat relativieren).
In Connewitz gibt es nachbarschaftliche Hilfe, Kiezläden, Kneipen, in denen Leute sich kennen und ins Gespräch kommen, werden Trinkerecken nicht kritisch beäugt, treffen Menschen zu allen Tages- und Jahreszeiten im öffentlichen Raum zusammen (und sind auch mal laut dabei, na und?) oder sorgen dafür dass öffentliche Freizeitanlagen nicht reglementiert werden. Menschen, die hier leben, widerstehen (aktiv) Gentrifizierungstendenzen und staatlicher Kontrolle, überdimensionierten Einkaufsmärkten, der Bebauung von Freiflächen etcpp. Nicht immer sind die Methoden dabei adäquat (präventiv für die üblichen Reflexe derer, die nicht verstehen, dass die Welt nicht zentral gesteuert wird), aber es lebt. Und wer ein Problem hat, soll kommen und diskutieren. Denn zu aktuellen, kiezbezogenen Fragen zog es in der Vergangenheit regelmässig über 200 Menschen.
Ergo: Ich wiederhole gern: Connewitz fetzt. In all seiner Unvollkommenheit, mit all seinen positiven und negativen Projektionen. Leipzig braucht mehr Bewegung von unten, Connewitz eher Entdämonisierung.
Bildquelle: Das Internationale Rotzlöffeltum, Aktion “Schirmherrschaft über das Connewitzer Kreuz” zum Protest gegen die Videoüberwachung, März 2010 (zum “Bekenner-Video”) – der Baum ist weg!
Da will ich hier mal sagen, dass ich nicht der Martin im oberen Text bin.
Jedoch appropo Bäume, an der Wundtstraße Ecke Karl-Tauchnitzstraße (Pferderennbahn) sowie Ecke Dufourstraße ist jetzt auch alles Kahlgeschlagen.
Das stinkt zum Himmel, wenn Tausende Bäume in Leipzig plattgemacht werden um Betonklötze zu errichten! Grüne Lebensqualität Adè.