Für & Wider: Korrupte vs. inkompetente Verwaltung

Zum neunten Mal fragte Martin in der “Weltnest”-Rubrik “Für & Wider” Kommunalpolitiker*innen verschiedener Parteien nach ihrer Position – diesmal ausgehend vom Sonderbericht zu den „Herrenlosen Häusern“ zur Frage ob eine Verwaltung lieber korrupt oder inkompetent sein soll

Martin:

Der Bericht des Sonderprojekts zum Thema herrenlose Häuser kommt zu dem Schluss, dass es sich um ein paar bedauerliche Einzelfälle handelt. Wenn Korruption ausgeschlossen werden kann, bleibt nur noch Inkompetenz übrig. Das führt uns zu einer Frage, die mich des Öfteren umtreibt. Was ist eigentlich besser: Eine korrupte, oder eine inkompetente Verwaltung?

Meine Antwort:

Korruption kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „bestochen“. Ein ziemlich harter Anwurf also. Dass es im Fall der „herrenlosen Häuser“ um mehr ging, als „bedauerliche Einzelfälle“ zeigen die reinen Zahlen. Mein Stadtratsfraktionskollege Steffen Wehmann wies jüngst darauf hin, dass bei der Aufarbeitung der „754 erfassten Akten“ (gesamt: 784) schon in 2012 festgestellt wurde, dass über 88 Prozent (667) Bearbeitungsfehler aufwiesen, in 248 Fällen in weniger als 10 Tagen gesetzliche Vertreter bestellt wurden, in 565 Fällen (das heißt 75 Prozent des Aktenbestandes) keine Eigentümerrecherche erfolgte und in 147 Fällen zumindest zum Teil die Eigentümer bekannt waren, und die Objekte trotzdem verkauft wurden. Es geht also um systematisches Versagen und mangelndes Rechtsbewusstsein.

Die Frage nach der Wahl zwischen einer korrupten oder inkompetenten Stadtverwaltung ist nicht ernst gemeint, oder? Natürlich kann der Mensch sich keines von beidem wünschen. Beides trifft meines Erachtens aber in dieser Pauschalität nicht zu. Was mir viel öfter begegnet ist eine veränderungsresistente, intransparente und indifferente Verwaltung. Wenn trotz massiven Drucks über Jahre keine echte Bewegung in Sachen Kita-Ausbau passiert, wenn ein Bürgerentscheid gegen die Privatisierungsbremse kalt abgewiesen wird, wenn der Kämmerer wichtige Mittel für Jugendarbeit zurückhält, wenn der Techno-Club Distillery bei Bauplanungen einfach „übersehen“ oder die Einrichtung von Freiflächen für Openair-Partys seit Jahren ausgesessen wird, werde ich einfach wütend. Denn an diesen und zahlreichen anderen Beispielen zeigt sich, wie abgelöst Teile der Verwaltung von den Bedürfnissen der Menschen arbeiten, für die sie ja eigentlich im Dienste sind. Glücklicherweise gibt es auch zahlreiche Gegenbeispiele.

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