Weltnest fragt in dieser Woche nach dem Ende des „Leipziger Modells“, dem Modell wechselnder Mehrheiten anstelle von festen Koalitionen
Martin fragt:
Im Stadtrat von Dresden starten die SPD, Linke und Grüne ein Pilotprojekt. Man möchte statt wechselnder Mehrheiten eine feste Koalition bilden, um das Stadtparlament gegenüber dem Oberbürgermeister und der Verwaltung zu stärken. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass wir in Leipzig den gleichen Versuch starten? Was würden Sie von einer ähnlichen Koalition erwarten?
Meine Antwort:
Die Situation in Dresden ist mit der in Leipzig wohl kaum zu vergleichen, die Stimmung zwischen den Fraktionen links der CDU und beispielsweise vor Jahren auch innerhalb der LINKEN angespannt. In Leipzig scheint mir die Kooperationsfähigkeit zwischen LINKEN, Grünen und SPD eingeübter. Das Leipziger Modell als Modell wechselnder Mehrheiten funktioniert aus meiner Erfahrung der eher jüngeren Jahre gut. Ein bisschen kommt mir die Initiative, die in Leipzig vor allem von Grünen und FDP ausgeht, wie eine Scheindebatte vor. Gerade die Grünen müssen hier nicht so angestrengt in Richtung der LINKEN argumentieren, denn gerade links und grün stimmen im Stadtrat recht oft miteinander (zum Beispiel in kinder- und jugendpolitischen Fragen, MigrantInnen- und Asylpolitik und auch in Sachen Verkehrspolitik). Oft ist es die SPD, die sich solchen gemeinsamen Standpunkten verweigert. Das hat aber mit innerparteilichen und -fraktionellen politischen Mehrheitsverhältnissen zu tun. Genau bei der SPD ist meines Erachtens anzusetzen, sich klarer zu sozialen Belangen zu bekennen anstatt sich permanent schützend vor OBM und ihre Bürgermeister zu stellen. Genau das verhinderte in der Vergangenheit wegweisende Stadtratsbeschlüsse wie gegen die Privatisierung öffentlicher Unternehmen. Eine Art „Koalitionsvertrag“ wird dagegen nichts ausrichten, geschweige denn wird er mit der SPD inhaltlich zustande gekommen.
So oder so. Das Leipziger Modell verschafft Flexibilität, Flexibilität für eine sachorientierte Politik, wie sie auf kommunaler Ebene angebracht ist. Das Leipziger Modell bedeutet in meinen Augen auch ein plus an Demokratie. Vor allem einzelne Fraktionsvertreter*innen, aber auch ganze Fraktionen können in diesem Zusammenhang einfacher in die Diskussion mit den anderen Vertreter*innen und Fraktionen kommen und um Mehrheiten werben und hemmen sich nicht durch festgefügte Vereinbarungen. Entscheidend ist auch hier, der Druck, den die Stadtgesellschaft für bestimmte Belange macht. Für diese essentiellen Interventionen von „außen“ ist das Leipziger Modell eher förderlich.