Für eine inklusive Gesellschaft derer, die hier leben!

Die Faschisten beantragten im Dezember-Plenum des Sächsischen Landtages den Stopp der Staatsangehörigkeitsrechts-Reform. Damit will die Ampel das angestaubte geltende Gesetz ein wenig an die Realität anpassen. Ich habe für meine Fraktion erwidert und für eine inklusive Gesellschaft derer, die hier leben geworben. Zwischen AfD, CDU und Innenminister passte in der Debatte im Übrigen kaum ein Blatt.

Der Paß ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustand wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustande kommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Paß niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird“,

so der Arbeiter Kalle zum Physiker Ziffel im Restaurant des Hauptbahnhofs von Helsinki im Gespräch über die internationale Lage. Berthold Brechts Flüchtlingsgespräche, denen dieser Dialog entnommen ist, ist nicht die einzige literarische Auseinandersetzung mit den Auswirkungen von Flucht und Vertreibung durch das nationalsozialistisch Regime. Durch Ausbürgerung und Aberkennung des deutschen Passes wurden viele von ihnen staaten- und auch mittellos. Was der Verlust staatsbürgerlicher Rechte bedeutet, wurde hunderttausenden Jüdinnen & Juden, Linken, Oppositionellen, Humanist*innen schmerzlich klar.

Es war die jüdische Philosophin Hannah Arendt, die aus ihrer eigenen Erfahrung als geflüchtete Staatenlose eine Kritik der Schutzunfähigkeit einer nationalstaatlich strukturierten Welt formulierte. Sobald Menschen wirklich auf „die abstrakte Nacktheit ihres Nichts-als-Menschseins zurückgeworfen sind, nicht einem Staat zugehörig oder durch diese Zugehörigkeit geschützt sind – garantiert ihnen keine Institution mehr die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Menschlichkeit.

Während Brecht und Arendt nach klassischer Auffassung sowohl juristisch wie auch kulturell als deutsche Staatsbürger*innen anerkannt wären, so sind Millionen migrierter Menschen in der Gegenwart formell nicht gleichwertiger Teil der Aufnahmegesellschaften, sondern verharren in einem unsicheren Zwischenstatus, in Unterordnung zu den anerkannten Bürger*innen dieser Gemeinschaften.

Egal wie sie sich mühen, assimilieren, bekennen, die Zugehörigkeit zum deutschen Staatsvolk ist voller Hürden. Und selbst wenn sie sie genommen haben, sprechen Ewiggestrige ihnen die echte Zugehörigkeit in rassistischer Manier auch weiter ab.

Fortschrittliche Denker*innen formulierten als Alternative die Idee der Staatsbürgerschaft des Wohnortes: Dort wo Menschen leben, sollten ihnen die universellen Rechte zustehen: Das Recht auf Bildung, Arbeit, Wohnen, auf Freizügigkeit, politische Teilhabe – kurz auf Würde und Zukunft. Es liegt auf der Hand: Weil der Mensch ein Mensch ist, formulierte wiederum Brecht.

Doch was erleben wir hierzulande angesichts des Vorhabens der Ampel-Regierung, das angestaubte Staatsbürgerschaftsrecht ein klitzekleines bisschen an die Realität anzupassen. Rückwärtsgewandte Debatten, Lamentieren über das Verramschen des deutschen Passes, eine massive Angst die zufällig, qua Geburt erworbene Staatsbürgerschaft mit anderen Menschen teilen zu müssen. Es ist absurd und aus der Zeit gefallen.

Die Ampel will das herrschende Prinzip nicht radikal durchbrechen, das sieht man auch an der Verweigerung des Wahlrechts für langjährig hier lebende Menschen ohne deutschen Pass: Geplant ist eine Verkürzung der Anwartszeiten für die Einbürgerung von regelhaft acht auf fünf Jahre, geknüpft an Voraussetzungen wie Deutschkenntnisse, Lebensunterhaltssicherung und dem Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Geplant ist endlich die generelle Akzeptanz von Mehrstaatlichkeit, sowie eine Senkung der Hürden beim Erwerb der Staatsbürgerschaft für in Deutschland geborene Kinder. Aber – und darauf weisen Sozialverbände und MSO hin – das Gesetzesvorhaben enthält eben auch Verschärfungen. So sollen Ausnahmeregelungen beim Leistungsbezug als Voraussetzung der Einbürgerung gestrichen werden: für Beeinträchtigte Menschen, Ältere, die nicht als Gast- oder Vertragsarbeiter*innen gekommen sind, oder Alleinerziehende werden so die Hürden unerreichbar hoch. Eine Regelung für Staatenlose fehlt noch immer.

Und trotzdem poltert die CDU und hetzt die AfD. Wohl aus Prinzip. Nicht mal der neoliberale Geist ist ihnen recht, der dem Gesetzesvorhaben inne wohnt. Nämlich „die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandort Deutschlands zu sichern“ und die starke Verknüpfung des Rechtes auf Staatsbürgerschaft mit ökonomischen Voraussetzungen. Wahrscheinlich, weil die Reform die konstruierte nationale Identität und die kulturelle Homogenität, die es nie gab, ein Stückchen mehr ins Wanken bringen.

Wir Linken halten es da lieber mit der inklusiven Gesellschaft derer, die hier leben.

Ganz pragmatisch betrachtet müssen wir aber vorwärts kommen. Millionen von Menschen leben seit langem in Deutschland, zahlen hier Steuern und sind Teil der Gesellschaft, sind jedoch weiter von wichtigen Rechten, wie dem Wählen, der vollen Berufsfreiheit und der Freizügigkeit ausgeschlossen. Vielerorts betrifft das in Sachsen auch Menschen, die längst die noch jetzt geltenden Voraussetzungen erfüllt haben, weil die Ausländerbehörden bei der Bearbeitung der Anträge nicht hinterherkommen. Wir müssen darüber sprechen, wie die Einbürgerung schneller und unbürokratischer von Statten gehen kann, wie Menschen ihren Rechtsanspruch auf Einbürgerung auch wahrnehmen können. Was wir nicht brauchen, sind nationalistische Reflexe aus der Mottenkiste.

Wir lehnen den Antrag der AfD ab.

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