Im April berichtete eine Leipziger Lokalzeitung an präsenter Stelle über die „Graffiti-Flatrate“. Mit diesem, bereits älteren Angebot des „Aktionsbündnis STATTBILD“ können HausbesitzerInnen für 500 Euro pro Jahr eine Dauerentfernung von Graffiti buchen, Erledigung des Bürokratie-Aufwandes inklusive. Das Vorgehen gegen Graffiti ist nichts Neues, doch gibt es noch Freiräume?
Die (Anti-)“Graffiti-Flatrate“ soll neben Effizienz und Kostenersparnis auch abschreckend wirken und der Lethargie von ImmobilieneigentümerInnen sich um die Entfernung der Malereien zu kümmern, entgegenwirken. Der Ordnungsbürgermeister gab in diesem Zusammenhang die Devise aus, dass die bisher 500 Flaterate-NutzerInnen auf 5000 gesteigert werden sollen, damit dieses Angebot sein „Abschreckungspotenzial flächendeckend entfaltet“. Dieser Ansporn könnte nach hinten losgehen, wenn provokante SprayerInnen die Aufkleber, die auf die Flatrate hinweisen, eher animieren statt abhalten sich zu verewigen.
Wie gehabt wird Graffiti in Leipzig einseitig als ordnungspolitisches Problem und als „Schmiererei“ kategorisiert. Doch wie steht es um Freiräume für Graffiti in Leipzig? Großes Aufsehen erregte 2003 die „Schließung“ der Wall of fame am Karl-Heine-Kanal durch u.a. den damaligen Ordnungsbürgermeister Tschense und besagten Verein „STATTBILD“. Hier zeigte sich exemplarisch, dass es darum geht Graffiti-Kunst im Sinne einer einer sauberen Stadt jegliche Grundlage zu nehmen.
Das Engagement um Alternativen verlief seinerzeit, vor allem aufgrund mangelnder Unterstützung der Verwaltung, im Sande.
Graffiti ist und bleibt auch heute noch eine beliebte künstlerische und politische Ausdrucksform, die sich Räume nimmt. Der Subversivitätsfaktor dürfte durch Popularisierung, Kommerzialisierung und das „Hinter-Glas-Sperren“ von einzelnen Kunstwerken sukzessive verschwinden, was weder durch den genialen und größenwahnsinnigen „Schwanzvergleich“ von Crews wie den Radicals und und ORG (die im Frühjahr 2012 ihren Wettkampf mit Riesen-Malereien am Ring-Hochaus bzw. Robotron-Haus auf die Spitze trieben) noch durch sinnenleerte Kringel an allerlei Wänden aufgewogen wird.
Graffiti wird im Spannungsfeld von spießigem Stadtbild-(aka STATTBILD)-Sauberkeitsfetischismus & Eigentumsverteidigung und dem Kampf um den kollektiv genutzten öffentlichen Raum zum Politikum.
Mehr nicht und nicht weniger.
In der Stadtratssitzung am 19.6.2013 fragt die Linksfraktion den Oberbürgermeister in diesem Sinne nach Freiräumen für Graffiti und will damit in Erfahrung bringen ob es jenseits der öffentlichkeitswirksamen Verteufelung auch einen reflektierten Umgang mit dieser dieser Aktions- und Kunstform gibt.
Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Stadtrat, Beantwortung im Rahmen der RV am 19.6.2013
Während Graffitis in der Öffentlichkeit zumeist als „Schmierereien“ firmieren, sind sie für zahlreiche Menschen Kunst und insbesondere Ausdrucksform von Jugendkulturen. Vor zehn Jahren wurde eine wichtige legale Fläche „Wall of fame“ in Plagwitz „geschlossen“. Eine wichtige Kompensation für diesen Verlust fand die Szene am WERK 2. Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, ob es genügend Freiräume für Graffitikunst gibt, sowohl für ihre subversiv-jugendkulturelle Form als auch für die (semi-)professionelle Auftragskunst.
Wir fragen vor diesem Hintergrund:
1. Welche legal nutzbaren Flächen (im Sinne von Flächen zum Ausprobieren) gibt es in Leipzig derzeit außer der „Wall of fame“ am WERK 2?
2. Welche legalen, von der Stadt Leipzig unterstützten Graffiti-Projekte mit vielen Teilnehmenden gab bzw. gibt es in Leipzig seit 2009?
3. Wie viele und welche öffentlichen Flächen hat die Stadt Leipzig seit 2009 durch Graffiti-KünstlerInnen gestalten lassen? Wurden hierbei gestalterische Motive vorgegeben?
4. In welcher Form trägt die Stadt Leipzig in ihrer öffentlichen Kommunikation dem künstlerischem Aspekt von Graffiti Rechnung, um einem einseitigen Bild von „illegalen Schmierereien“ entgegenzutreten?
Ein Gedanke zu „Freiräume für Graffiti in Leipzig?“