Eine Nacht der Eskalation. Worte zu Silvester am Connewitzer Kreuz

Silvester am Connewitzer Kreuz ist schlimmer ausgefallen, als es manch eine, mich eingeschlossen, erwartet hatte. In den vergangenen Jahren blieben größere Eskalationen aus. Im letzten Jahr war es gänzlich ruhig geblieben. So wie es eigentlich sein muss.

Bereits ab den Mittagsstunden des 31.12.2019 flog ein Polizeihubschrauber über Connewitz und machte unmissverständlich klar: Ihr habt keine „normale“ Silvesterfeier zu erwarten. Wie erwartet, aber von der Polizei nicht öffentlich angekündigt, wurde für Connewitz ein Kontrollbereich eingerichtet, der es der Polizei erlaubt verdachtsunabhängige Kontrollen durchzuführen. Davon wurde auch hinreichend Gebrauch, zum Beispiel als zwei Gäste des linXXnet beim Rauchen vor dem Abgeordnetenbüro kontrolliert wurden. Dass es sich dabei um nicht-weisse Menschen handelte, spricht ebenfalls Bände über die Kontrollpraxis der Polizei. Im Minutentakt fuhren Sixpacks durch die Straßen des Stadtteils. Connewitz war von Polizei belagert.

Ein MDR-Journalist fragte mich heute, am 1.1.20, ob das die Gewalt rechtfertige. Und ich sage klar: Nein! Wenn mir Politiker*innen der CDU oder rechte Hetzer*innen jetzt vorwerfen, dass ich Gewalt gegen Polizei legitimieren würde, weise ich das klar zurück. Die habe ich an keiner Stelle. Ich beklage alle, die in der Silvesternacht verletzt wurden. Dass es nicht „nur“ Polizeibeamt*innen getroffen hat, sondern auch unbeteiligte Zivilist*innen, vergessen aber die Meisten, die sich jetzt zu Wort melden. Es ist einfach scheiße, wenn Gewalt in so einer Nacht die Oberhand gewinnt. Auf der anderen Seite ist es entlarvend, wie schnell Kritik an einem Polizeieinsatz zum Vorwurf der Legitimation von Gewalt gegen die Polizei führt.

Im Gegensatz zu diesen war ich am Connewitzer Kreuz zugegen, habe sowohl Angriffe auf die Polizei, als auch das rabiate Vorgehen der Polizei wahrgenommen. Immer wieder rannten Polizeigruppen in Menschenansammlungen, rannten dabei Menschen um, verletzten Menschen. Daraufhin wurde die Polizei beworfen. Dies wiederholte sich immer und immer wieder. Auch ich und andere, die Menschen, die verletzt oder inhaftiert wurden, zu Hilfe eilen wollten, wurden von Wurfgeschossen getroffen.

Ich wünsche mit, dass die Polizei ihre Einsatzstrategie in Bezug auf die Silvesternacht in Connewitz überdenkt und beginnt dem Stadtteil und seiner heterogene Bewohner*innenschaft normal zu behandeln. Es braucht keine behelmten Stoßtrupps, die sich unter die Feiernden mischen und jeden und jede beargwöhnen. Zum Beispiel fiel den Beamt*innen kurz vor 24:00 nichts anderes ein als die Personalien von zwei Menschen, die kurz ein Transparenz hochgehalten hatten, aufzunehmen.
Auch ganz „normale“ Connewitzer*innen sagten gestern Nacht zu mir, dass es doch das Beste wäre, wenn die Polizei einfach nicht da bzw. so präsent wäre.
Auch zum Löschen kleiner Feuer braucht es keinen Stoßtrupp. Vielleicht stärkt eine defensive Einsatzstrategie ja sogar die Selbstinitiative der vielen verschiedenen Menschen, die sich jährlich am Kreuz versammeln.

Unterirdisch ist die Kommunikationsstrategie der Polizei. Ich habe vor dem 31.12.2019 zwei mal via Twitter nachgefragt ob in Connewitz wieder ein Kontrollbereich eingerichtet wird. Antwort: Keine.
In der Pressemitteilung zu den Ereignissen der Silvesternacht wird ein Bürger namentlich benannt und markiert und der Rechtfertigung von Gewalt gegen die Polizei bezichtigt wird, was der benannte eben nicht macht. Dies zieht sich durch die gesamte Kommunikationsstrategie der Polizei in den sozialen Netzwerken und via Presseverlautbarungen. Und das übrigens nicht erst in der Silvesternacht. Seit Monaten reagiert die Polizei überzogen und kritisch auf Kritik und mischt sich in politische Debatten ein.

Fakt ist: Die Ereignisse der Silvesternacht werden Debatte und Vorgehen gegen eine heterogene linke Szene und den Stadtteil Connewitz weiter befeuern. Einen Eindruck davon gegen hunderte Hass-Nachrichten, die  mich und auch andere allein am 1.1.2020 erreichten. Auch CDU-Politiker*innen kündigen bereits eine härtere Gangart an.
Zu dem, was auch meiner Sicht in Connewitz nötig ist, verweise ich auf einen kürzlich veröffentlichten Blogbeitrag.

Ein „frohes Neues“ jedenfalls, sieht anders aus.

PS: Das linXXnet sammelt Erfahrungs- und Betroffenenberichte zum Polizeieinsatz. Bringt oder schickt diese gern vorbei.

2 Gedanken zu „Eine Nacht der Eskalation. Worte zu Silvester am Connewitzer Kreuz“

  1. Liebe Jule,

    vielen Dank für diese Zeilen.
    Als ich am 31.12. auf der Fahrt nach Dresden im Radio vom geplanten Strategieeinsatz der Polizei in Connewitz erfuhr, sagte ich gleich zu meiner Frau, dass diese Polizeitaktik nicht aufgehen wird, sondern leider wieder möglicherweise zur Gewalt führen wird. Natürlich verabscheue ich jegliche Gewalt, egal ob sie gegen Polizisten oder Zivilisten gerichtet ist.

  2. Ich erkenne bisher eine Tatsache wenn ich all die Augenzeugen Berichte lese und zwar es gab Verletzte. Auf Seiten der Polizei, der feiernden Anwohner und auf Seiten der Angreifer. Deshalb erst einmal die besten Genesungswünsche an alle.
    Natürlich ist ein Angriff auf Polizisten /Menschen nicht Tolerierbar! Ich bin zwar Leipziger aber wohne im beschaulichen Norden Eutritzsch und nicht im unruhigen Süden Connewitz und würde persönlich auch nicht dort Feiern. Ich habe bisher wie die meisten hier im Forum nur Videos gesehen und Berichte dazu gesehen und gelesen, wobei ich bei den Videos nicht beurteilen kann was direkt davor passiert ist. Was mich stört ist die mangelhafte Kommunikation der Polizei mit den Medien, ich möchte da nichts unterstellen aber mit Blick auf die Oberbürgermeister Wahl ab dem 02.02.2020 hat es für mich Geschmäckle! Man sollte die ganze Angelegenheit dringendst in einem Untersuchungsausschuss bis zum 02.02.2020 Aufarbeiten. Natürlich rechtfertigt nichts Gewalt aber als ehrenamtlicher Sanitäter weiß ich wie einfach es sein kann Personen die unter Alkohol oder Drogen stehen zu Tätlichkeiten anzustacheln wenn dann dazu noch eine Gruppendynamik entsteht ist es vorbei.
    Allen Verletzten, gute Besserung
    Allen Lesern ein gutes und gesundes neues Jahr
    Mit freundlichen Grüßen
    Thomas Wagner
    Leipzig Eutritzsch

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