Wer in prekären Bedingungen lebt und schlecht versorgt ist, ist gefährdeter.
Die Linksfraktion im Stadtrat hat erfolgreich beantragt die umfeldnahe gesundheitliche Versorgung wohnungsloser Menschen sicher zu stellen. Arztsprechstunden in Übernachtungshäusern und eine angelagerter Beratung werden nun ausgeweitet. Ich dokumentiere meine Rede:
Die Corona-Pandemie hat uns eindrücklich vor Augen geführt, dass der Zugang zur Gesundheitsversorgung und ein gut ausgebautes öffentliches Gesundheitswesen essentiell, ja überlebenswichtig ist. Gleichzeitig haben sich durch die Pandemie die Hürden für die, die sowieso strukturell von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen sind, noch einmal vergrößert.
Das betrifft vor allem Menschen, die keine Wohnung haben, egal welchen Pass sie haben.
Oft ist sogar eine reguläre Krankenversicherung vorhanden, jedoch gibt es bei vielen eine große Scham, zum Arzt zu gehen, ihre Mobilität ist zudem aus verschiedenen Gründen eingeschränkt.
Kleine Unfälle und Verletzungen werden nicht behandelt, es fehlen Rückzugsräume und Schutzmöglichkeiten, woraus schwerwiegende Probleme entstehen, sich Symptome verschlimmern oder chronifizieren können.
Ein grippaler Effekt, den wir mit ein paar Tagen Ruhe, Schlaf, Tee und Heilmitteln gut kurieren können, kann sich bei Menschen, die auf der Straße leben, schnell verschärfen und zur schweren Erkrankung werden.
Das Risiko betrifft nicht nur die, die erkranken, sondern auch andere, die sich so zum Beispiel in Notunterkünften anstecken können. Und neben der Gefahr für Leib und Leben steigen auch die Kosten für die Gesundheitsversorgung.
Wenn sie mit sozialen Trägern der Wohnungslosenhilfe in Leipzig sprechen, wird unisono das Problem der prekären Gesundheitsversorgung ihrer Klient*innen benannt. Im „Fachplan Wohnungsnotfallhilfe in Leipzig 2018 bis 2022“ haben wir, hat der Stadtrat den Auftrag verankert „die Einführung eines Angebots der medizinischen Versorgung von wohnungslosen Personen in Notunterbringungseinrichtungen und als Erweiterung des Angebotes des Hilfebusses“ zu prüfen.
Wie der Verwaltungsstandpunkt bestätigt wird mittlerweile in der Notunterkunft in der Rückmarsdorfer Straße durch zwei Ärzt*innen ehrenamtlich eine regelmäßige Sprechstunde angeboten. Ein flächendeckendes, vernetztes Angebot, mit dem auch die Menschen erreicht werden können, die die Notunterkünfte nicht nutzen, gibt es aber nicht.
Wir schlagen ihnen mit unserer Initiative vor ein breiter aufgestelltes niedrigschwelliges Angebot zu schaffen, mit dem auch in den Tagestreffs und im Übernachtungshaus für Frauen in der Scharnhorststraße und möglicherweise mobil eine Versorgung ermöglicht wird. Dabei können akute Probleme behandelt und gelindert werden, darüber hinaus soll mittels Beratung und Clearing ins reguläre Versorgungsystem vermittelt oder aber die Zugangsmöglichkeit hergestellt werden. Das können die behandelnden Ärztinnen und Ärzte nicht leisten. Darum schlagen wir ihnen vor den Verein Clearingstelle und Anonymer Behandlungsschein Leipzig e. V. (CABL e. V.) mit der Koordinierung und Betreuung dieses Vorhabens zu betrauen. Cabl ist inzwischen zu einer festen Anlaufstelle für Menschen geworden, die sowohl Barrieren beim Aufsuchen von medizinischen Fachstellen sehen als auch Menschen, die keine reguläre Krankenversicherung haben. Der Verein wird für seine eigentliche Tätigkeit der Beratung und Vermittlung von Menschen vom Gesundheits- bzw. Sozialamt finanziert und ist in der Trägerlandschaft sehr gut vernetzt.
Last but not least schlagen wir vor, dass erkrankte Menschen, die auf Notunterkünfte angewiesen sind, sich dort bis zur Genesung rund um die Uhr aufhalten können. Alle müssen die Unterkünfte derzeit laut Hausordnung 8 Uhr verlassen und können ab 16:00 wiederkommen.
Wir freuen uns, dass das Sozialdezernat unsere Vorschläge positiv aufgenommen und auch mit konkreten finanziellen Mitteln untersetzt hat.
Wir legen ihnen hier den Verwaltungsstandpunkt zur Abstimmung vor, allerdings mit kleinen Ergänzungen.
Was hoffentlich unstrittig ist und uns von Sozialarbeiter*innen nahe gelegt wurde, ist dass der 24-Stunden-Aufenthalt in den Notunterkünften für erkrankte Wohnungslose anonym und kostenfrei ermöglicht werden sollte, um Barrieren wirklich zu senken.
Weiterhin denken wir, dass eine stabile, kontinuierliche Gewährleistung der Arzt-Sprechstunden in den Einrichtungen nicht auf ehrenamtlicher Basis konstituiert werden sollte. Wir wollen die angestrebte umfangreiche Tätigkeit der Ärzt*innen honorieren und gleichzeitig dafür sorgen, dass so wirklich an eine Perspektive auf Dauerhaftigkeit geschaffen wird. Darum schlagen wir ihnen vor, das Geld, dass die Verwaltung zur Finanzierung von Ausstattung und Koordination in den Doppel-Haushalt 21/22 einstellen will um ein Honorar-Budget zu ergänzen.
Lassen Sie uns mit dem Beschluss heute eine wichtige Lücke im Hilfesystem schließen.
Der Antrag wurde in der Version des Verwaltungsstandpunktes einstimmig angenommen.
Bild: https://www.diakonie-kkkleve.de