In einer gemeinsamen Erklärung äußern Jürgen Kasek, Vorstandssprecher Bündnis 90/ Die Grünen Leipzig und Juliane Nagel, Stadträtin DIE LINKE in Leipzig Zustimmung zum Modellprojekt zur kontrollierten Heroinabgabe und zur Einrichtung einer abstinenzorientieren Kinder- und Jugenddrogenberatungsstelle in Leipzig.
Seit März 2011 haben sich die Zahlen nicht relevant verändert, doch weiterhin wird ein linearer Zusammenhang zwischen der angewachsenen Zahl von Einbrüchen und Raubüberfällen in Leipzig und DrogenkonsumentInnen behauptet. Juliane Nagel, DIE LINKE und Jürgen Kasek, Bündnis 90/ Die Grünen fordern „Belege statt Mutmaßungen.“
Die beiden PolitikerInnen erklären: „Niemand hat geleugnet, dass ein Teil der DrogenkonsumentInnen straffällig werden, um an Geld und Stoff zu kommen. Wir stützen uns dazu gern auf den städtischen Suchtbericht 2010. Dieses von der Stadtverwaltung vorgelegte, Jahr für Jahr vom Stadtrat bestätigte Dokument führt die drogenrelevanten Straftaten detailgetreu auf: im Jahr 2009 lag der Anteil der Rauschgiftkriminalität bei 1,9 % der Gesamtkriminalität. Im selben Jahr gab es 12 Fälle der direkten Beschaffungskriminalität. Diebstahl und Raub gelten als indirekte Beschaffungskriminalität. Auch in diesem Zusammenhang weist der städtische Suchtbericht polizeiliche Zahlen aus. Demnach waren 79 DrogenkonsumentInnen unter 3.142 ermittelten Tatverdächtigen zu Ladendiebstählen, bei Diebstahl unter erschwerenden Umständen in/aus Geschäften waren es 49 von 63 ermittelten Tatverdächtigen, bei Diebstahl unter erschwerenden Umständen in /aus Kfz 23 von 94 und bei Raubstraftaten 28 von 358.
Wir gehen davon aus, und so lesen auch wir die Äußerungen des Sozialdezernenten, dass die Stadt sich über eine Kriminalitätsbelastung durch direkte und indirekte Beschaffungskriminalität durchaus bewusst ist. Der Zusammenhang zwischen der Arbeit der Suchthilfestrukturen und steigender Kriminalität dagegen wird von uns zurückgewiesen.Wer diesen Zusammenhang behauptet, hat sich weder mit der Arbeit von Aufklärungsprojekten, Suchtberatungs- und Behandlungsstellen, mit ambulanter Suchthilfe und Streetwork beschäftigt, noch verstanden dass die Stadt nicht für die Ahndung von Straftaten sondern für Kriminalitätsprävention zuständig ist. Und hier macht sie ihre Sache genau wie im Bereich der gesundheits- und sozialpolitischen Suchtprävention und -hilfe gut. Prof. Fabian ist vollkommen zuzustimmen, wenn er sagt, dass die Beschaffungskriminalität ohne die vielfältigen Suchthilfestrukturen noch höher wäre.
In eine ähnliche Richtung weist der in sieben deutschen Städten praktizierte Modellversuch der staatlich kontrollierten Heroinabgabe. Wir unterstützen den Kriminologen Prof. Christian Pfeiffer, der sich in der LVZ vom 25.5.2011 für die Ausweitung dieses Modellprojektes auf weitere Kommunen ausspricht. Menschen, die suchtkrank werden, dürfen nicht kriminalisiert werden, ihnen muss geholfen werden. Die staatlich kontrollierte Abgabe von Heroin bedeutet eine gesundheitliche Stabilisierung suchtkranker Menschen, bei denen alle anderen Maßnahmen bislang versagen, und nimmt ihnen den Druck, sich auf kriminelle Weise Geld zu beschaffen. Laut Pfeiffer, der den Modellversuch mit seinem Institut begleitete, läßt sich im Zusammenhang mit der kontrollierten Heroinabgabe eine deutliches Absinken von Beschaffungskriminalität nachweisen.
Warum sollte Leipzig nicht in das bundesweite Modellprojekt, welches auch von der schwarz- gelben Bundesregierung gefördert wird, einsteigen? Wir fordern eine Überprüfung dieser Option und appellieren an die CDU, sich diesen Vorschlägen nicht zu verschließen. Entsprechende medizinische Einrichtungen sollten die Erlaubnis von der CDU/FDP Landesregierung erhalten, diesen Weg einzuschlagen.
Kontrollierte Heroinabgabe bedeutet nicht, Drogenkonsum staatlich zu alimentieren, sondern Schwerstabhängigen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen und gesellschaftliche Folgekosten zu minimieren.
Der hierbei praktizierte akzeptierende Ansatz versteht sich nicht als Alternative oder Konkurrenz zur Abstinenz. Im Gegenteil wird die Wahrscheinlichkeit eines drogenfreien Lebens durch Akzeptanz erhöht.
Auch können wir uns der Forderung nach der Schaffung einer abstinenzorientieren Kinder- und Jugenddrogenberatungsstelle in Leipzig anschließen. Kinder- und Jugendliche sind die Ersten, die gegen Drogenabhängigkeit gestärkt werden müssen. Wir sind im Sinne einer humanen Sucht- und Drogenpolitik immer dafür nach vorn zu diskutieren. Anstelle von vernichtender Kritik sollte darum lieber über eine Erweiterung und Qualifizierung der Leipziger Suchthilfelandschaft, die sowohl abstinenzorientierte als auch akzeptierende Angebote vorhält, diskutiert werden – und natürlich über eine adäquate finanzielle Ausstattung der Angebote.
Jedes einzelne Opfer einer Straftat ist ein Opfer zuviel, so die beiden Politiker. Daher müsse der Fokus der Debatte aber insgesamt auf die Verbesserung der Situation ausgerichtet werden. Die einseitige Ausrichtung auf die Straftaten, die im Zusammenhang mit Drogensucht stehen, die ausweislich der Zahlen nur 1,9 % Anteil an den Gesamtstraftaten hat, wird dem Problem in seiner Gänze nicht gerecht.
„Wir müssen eine mutige Debatte führen, eine Debatte die die Betroffenen einbindet, die Zivilgesellschaft und Bürger sensibilisiert und aktiviert. Wer Panik schürt und mit Schuldzuweisungen arbeitet, arbeitet nicht lösungsorientiert sondern im Interesse der eigenen Profilierung. Dies ist nicht geeignet um zu einer Verbesserung der Situation zu kommen. Wir werden nur dann zu einer Verbesserung kommen, wenn sich alle Akteure vorurteilsfrei aufeinander zu bewegen und gemeinsam das Problem angehen.“