Dringende humanitäre Initiative aus Sachsen – von CDU, AfD und SPD abgelehnt

NewsGR_Twitter_GiorgosKosmopoulosAuf Antrag der LINKEN wurde am Donnerstag, 2.2. über ein Sofort-Aufnahmeprogramm für Geflüchtete aus Griechenland und Italien debattiert. Gerade angesichts des Winters und der überfüllten und fehlenden wetterfesten Unterkünfte wäre dies ein wichtiges Zeichen gewesen. Meine Rede zur Einbringung des Antrages:

Es gilt das gesprochene Wort!

Drei Menschen starben in der vergangenen Woche in Moria auf Lesbos. Im Hotspot-Camp auf Samos gab es zahlreiche Suizidversuche. Seit Dienstag sind Geflüchtete dort in den Hungerstreik getreten. Insgesamt sitzen auf den Ägäisinseln derzeit 15.000 Menschen fest. Die Hotspots sind damit doppelt überbelegt, zahlreiche Menschen harren in der Kälte aus.

Soviele Menschen wie derzeit allein auf den griechischen Inseln festsitzen, so viele sind in etwa im vergangenen Jahr in Sachsen angekommen, knapp 15 Tausend. Dies ist ein Bruchteil im Vergleich zum Vorjahr. Diese Zahl lässt vor allem konservative Kräfte jubeln: Die Maßnahmen der Abschottung, wie die Schließung der Balkan-Route, und der fragwürdige EU-Türkei-Deal werden gefeiert und als funktionierende Mechanismen idealisiert. Doch wir können ganz deutlich sehen: Diese Politik kostet Menschenleben.

Die Gründe, die Menschen zur Flucht zwingen, sind in den letzten beiden Jahren nicht weniger geworden – im Gegenteil: Die Zahl der weltweit Flüchtenden steigt immer weiter. Währenddessen nehmen die am wenigsten entwickelten Staaten dieser Welt das absolute Gros an Geflüchteten auf. Der UN-Flüchtlingskommissar macht immer wieder deutlich, dass Europa endlich mehr tun muss, nicht nur durch die Unterstützung der primären Aufnahmeländer, sondern durch größere Aufnahmekontingente.

Aber die reiche EU schottet sich weiter ab. Eine verschärfte Variante der gescheiterten Dublin-Verordnung wird derzeit verhandelt, so genannte Migrationspartnerschaften mit zweifelhaften Staatschefs sind in der Pipeline und die Grenzen werden hochgerüstet. 5022 Menschen sind im Jahr 2016 allein bei der Überfahrt übers Mittelmeer ums Leben gekommen.

Es braucht eine humanitäre Wende, sichere Wege um in Europa Schutz zu finden, und innerhalb der EU solidarische Verteilungsmechanismen.

Wir sind uns als LINKE durchaus bewusst, dass Angela Merkel im Jahr 2015 auch Maßstäbe für eine gemeinsame europäische Asylpolitik setzen wollte, als die Grenzen eben nicht schloss. Wir wissen aber auch zu gut, dass dieser Ansatz lange begraben ist. Innenpolitisch jagt eine Asylrechtsverschärfung die andere und mit dem EU-Türkei-Deal werden Geflüchtete in ein Land zurückgeführt, das ein rigoroses Demokratieabbauprogramm vorantreibt und die Todesstrafe wieder einführen will. Und der Deal funktioniert nicht mal – 800 Menschen wurden seit März 2016 aus Griechenland zurückgeschoben, davon mehr als die Hälfte in den ersten beiden Monaten.

Mit dem vorliegenden Antrag nun wollen wir die sächsische Regierung einerseits auffordern weiter auf eine europäische Lösung und eine gemeinsame europäische Migrations- und Asylpolitik zu drängen, die sich den Menschenrechten und der Humanität verpflichtet sieht. Wir knüpfen an den Antrag der Koalition aus dem September 2015 an und wollen sie beim Wort nehmen. So wurde die Staatsregierung seinerzeit ersucht, sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen, dass humanitäre Hilfe für Menschen in Not geleistet wird.

Lenken wir den Blick auf die Zustände in Griechenland, Italien oder dieser Tage auch Serbien, sehen wir diesen Handlungsbedarf. Handlungsbedarf, der auch durch ein fehlendes Umsteuern in der EU-Migrations- und Asylpolitik, durch falsche Deals und Nicht-Handeln zustande gekommen ist.

Zehntausende Geflüchtete sitzen im Süden und Süd-Osten Europas fest. Waren die Bedingungen in den provisorischen Lagern seit jeher schlecht – es fehlt am Zugang zu Wasser, Lebensmitteln, medizinischer Versorgung, ganz zu schweigen von den hygienischen Bedingungen – hat der Winter die Situation in eine neue humanitäre Katastrophe verwandelt.

Und wir müssen uns vergegenwärtigen: Dies alles spielt sich im Herzen eines der reichsten Regionen der Welt ab. Die Schuld den Aufnahmestaaten zuzuschieben, reicht dabei eben nicht.

Der griechische Politiker Giorgios Chondros sagte vor kurzem sehr treffend in einem Interview im Deutschlandfunk: „Diese wirklich sehr katastrophale Lage bringt eigentlich die europäische Flüchtlingspolitik wieder auf die Tagesordnung.“

Chondros verweist auf die Nicht-Einhaltung von minimalen Verpflichtungen bei der Umverteilung von Menschen aus Griechenland und Italien in andere EU-Staaten. Und hier liegt ein weiteres Anliegen des ihnen hier vorliegenden Antrags.

Auf dem EU-Gipfel im September 2015 kam es zwar nicht zur Vereinbarung eines regulären Verteilmechanismus innerhalb der EU, immerhin aber setzten die EU-Innenminister ein Relocation-Programm durch. Innerhalb von zwei Jahren sollen demnach 160.000 Geflüchtete aus Griechenland und Italien, und durch einen Nachbeschluss auch aus der Türkei, auf die Mitgliedsstaaten verteilt werden. Die Bundesrepublik Deutschland, die im Rahmen dieses Aufnahmeprogramms etwas über 27.000 Geflüchtete aufnehmen soll, hat bis Ende Januar lediglich 1831 Personen aufgenommen, EU-weit sind es etwa 11.000. Seit September 2016 stellt die Bundesregierung nominell zwar monatlich 500 Plätze bereit, aber selbst unter diesen Voraussetzungen würde es immernoch mehr als vier Jahre bis zur Aufnahme der zugesagten Anzahl an Geflüchteten dauern.

Gerade vor dem Hintergrund der in den letzten beiden Jahren aufgebauten Kapazitäten in der Erstaufnahme und auf der kommunalen Ebene wäre es für uns in Sachsen ein leichtes ein Sonderkontingent an Geflüchteten aufzunehmen. Rechnet man die Gesamtzahl der Relocation-Plätze nach dem Königssteiner Schlüssel auf Sachsen herunter, ergibt dies eine Gesamtzahl von 1350. Sagen sie nicht, dass der Freistaat nicht in der Lage wäre über zwei Jahre dieser Zahl von Menschen Zuflucht zu bieten. 7500 Erstaufnahme-Plätze wurden zum Jahreswechsel vom Netz genommen, so auch die vorbildliche Einrichtung in der Friederikenstraße in Leipzig. Meine Kleine Anfrage zu den kommunalen Unterkünften vom September 2016 ergab, dass in den Kommunen von insgesamt 21 000 Plätzen nur 14.000 belegt waren.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Auftrag, den wir mit unserem Antrag an die Staatsregierung richten wollen, ist nichts revolutionäres. Wir drängen auf nichts anderes als die fristgemäße Erfüllung einer Selbstverpflichtung zum Wohle der Menschen, um die es dabei geht, und die in den europäischen Mittelmeeranreinerstaaten vor sich hin vegetieren.

Gleichsam machen wir mit unserem Antrag einen Ansatz stark, der prägend für das Europa der Zukunft sein könnte: Das Agieren aus den Regionen heraus. Wie gestern bereits in der Debatte um unseren Vorschlag für ein neues Flüchtlingsaufnahmegesetz in Bezug auf die landesgesetzliche Implementierung der Normen der EU-Aufnahmerichtlinie vorgeschlagen, wollen wir auch hier unsere eigene Verantwortung als Bundesland deutlich machen und auch zum Handeln kommen.

Vergleichbares ist in der Bundesrepublik und auch europaweit zu beobachten. Initiativen aus  Osnabrück, Darmstadt, Marburg, Mannheim, Wolfsburg oder Heidelberg sprechen sich für die Aufnahme von Geflüchteten aus Italien und Griechenland aus. Der Stadtrat Marburg beschloss bereits im vergangenen Jahr, 200 Geflüchtete aus Idomenie zu holen, auch der Thüringer Ministerpräsident erklärte die Bereitschaft zur Aufnahme von 2000 Geflüchteten aus Griechenland.

Im Bündnis „Solidarity Cities“ erklären große Städte wie Barcelona, Amsterdam oder Athen, aber auch Leipzig, Verantwortung übernehmen zu wollen, sie signalisieren Aufnahmebereitschaft und fordern gleichzeitig auch einen anderen Umgang mit Geflüchteten und ein Umdenken in der Flüchtlingspolitik.

Schließen wir uns diesem Weg an und setzen sie heute mit der Zustimmung zu unserem Antrag ein Zeichen für Menschenrechte und Humanität.

Schlusswort

Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vielen Dank für die Debatte. Nur noch ein paar kurze Worte. Man könnte jetzt auf alle
Einwände mit langen Ausführungen reagieren.

Ich habe in meinem Redebeitrag nicht behauptet, dass Deutschland keine große Verantwortung übernommen hätte, Herr Ulbig. Man muss aber konstatieren, dass die Zahl von Geflüchteten im letzten Jahr im Vergleich zum Vorjahr rapide gesunken ist. Das hat auch etwas mit Abschottungsmaßnahmen zu tun. Das habe ich konstatiert.

Weiterhin habe ich dafür plädiert, dass – wir kennen die Staaten, die sich konsequent der Aufnahme von Geflüchteten verweigern – Deutschland nicht aufhört, für eine solidarische Verteilung, also eine Verteilung, die der wirtschaftlichen Stärke und der Einwohnerzahl angemessen ist, weiterhin zu werben. Das möchten wir mit dem Antrag noch einmal unterstreichen. Es geht überhaupt nicht darum, dass Deutschland alle Flüchtlinge aufnimmt.

Diesbezüglich möchte ich zu Zahlenspielen kommen. Kollege Ursu hat „Eurostat“ zitiert. Es kann viel aus Zahlen gelesen werden. Wenn man die absoluten Zahlen nimmt, dann hat Deutschland die meisten Flüchtlinge aufgenommen. Wenn man das aber zum Beispiel in Relationen zur Einwohnerzahl setzt, dann ergibt sich für das Jahr 2015, dem Jahr, in dem wir hier fast 900.000 Menschen aufgenommen haben, ein ganz anderes Bild. Da rutscht Deutschland wieder auf Platz 5, weil andere Staaten, die wesentlich kleiner sind, mehr Menschen aufgenommen haben. Aus meiner Sicht sind dabei Ungarn und Schweden weit vorn.

Um das abschließend zu unterstreichen: Wir wollen Energie reinbringen. Wir wollen, dass dieses Relocationsprogramm – – Anderthalb Jahre sind bereits verstrichen, seit das Relocationsprogramm vereinbart wurde. Es soll nur noch ein halbes Jahr laufen.
Wir wollen, dass endlich diese Zahlen auch nur annähernd erreicht werden, die vereinbart worden sind. Ich kann sie noch einmal nennen: Nicht einmal 2.000 Menschen sind in Deutschland angekommen. Es ist alles schön und gut, dass auch soundsoviele schon in Sachsen angekommen sind – aber Deutschland hat sich verpflichtet, mehr als 27.000 Menschen aufzunehmen. Da sind 2.000 Menschen ein Bruchteil. Wenn man es sehr genau nimmt, bleibt nur noch ein halbes Jahr, um 25.000 Menschen aufzunehmen. Ich bezweifle, dass die Bundesrepublik das aus eigener Kraft oder mit eigenem Willen bewerkstelligen wird.

Ein letztes Wort noch zur Verantwortung der Ebenen. Natürlich hat der Freistaat Sachsen eine Verantwortung und ist ein Player in der europäischen Asylpolitik. Das wollen wir mit unserem Antrag unterstreichen.

Ich bitte Sie um Zustimmung.

>> Zum Antrag der Linksfraktion

Foto: Twitter / @GiorgosKosmop; Copyright: private/third party

Ein Gedanke zu „Dringende humanitäre Initiative aus Sachsen – von CDU, AfD und SPD abgelehnt“

  1. Die imperialistische BRD kann in ihrer gegenwärtigen Verfasstheit nicht unbegrenzt viele fremde Menschen aufnehmen, versorgen, integrieren ohne schlimme Auswirkungen auf die sozial Schwachen. Wer die Frage nach den Folgen einer Politik der offenen Grenzen im Kapitalismus nicht beantworten will hat auch kein wirkliches Interesse an einer politischen Auseinandersetzung und den Sorgen der einfachen Menschen.
    Die Linke beachtet schon wieder, wie 1989, nicht dass die Urkraft vieler Menschen „Schluss“ sagen wird, wenn die Gehirnwäsche und Propaganda der im Rausch lebenden Elite nicht mehr wirkt und immer neue Verschlimmerungen den Menschen aufgedrückt werden.
    Und wenn man noch als Linke die Menschen deren Urkraft „Schluss“ sagte als Rassisten beschimpft, weil man nicht den Mut hat mit den herrschenden Establishment zu brechen, stattdessen lieber die Vordenker in der eigenen Partei diffamiert, dann hat man als Linke verloren und die Höcke’s werden gewinnen.

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