Dialoge für Gohlis – Religionsfreiheit, Islam und Moscheebau

Dialoge für Gohlis, ein temporärer Zusammenschluss von Akteuren aus dem Ortsteil Gohlis und engagierten Menschen, die sich für Religionsfreiheit und gelebte Vielfalt einsetzen, hat einen Flyer produziert, in dem sich mit Fragen, und Vorbehalten gegenüber dem geplanten Moscheebau in Leipzig-Gohlis sowie gegenüber dem Islam an sich auseinandergesetzt wird.

Gleiches Recht für Alle

Die Rechtsordnung der Bundesrepublik gilt für alle hier lebenden Menschen. Ihre Basis ist das Grundgesetz, in dem die Religionsfreiheit verankert ist. Jeder Mensch hat das Recht, nichtgläubig oder religiös zu sein. Dies gilt völlig unabhängig davon, was wir oder was die Mehrheit von der jeweiligen Glaubensrichtung und ihren Lehrsätzen halten, ob wir sie für sinnvoll ansehen oder für uns ablehnen. Voraussetzung ist, dass die betreffende Religionsgemeinschaft nicht ihrerseits gegen die Menschenwürde verstößt.

Zur Rechtsordnung der Bundesrepublik gehört ebenso, dass der Erwerb eines privaten Grundstückes durch eine Gemeinde ein privater Rechtsakt ist, der keiner Genehmigung bedarf. Für den Bau eines Gebäudes, auch eines religiösen Gebäudes, gilt Baurecht. Danach ist die Errichtung eines religiösen Gebäudes in einem Wohngebiet zu-lässig.

Was ist die Ahmadiyya-Gemeinde?

Wie auch das Christentum besteht der Islam aus vielen unterschiedlichen Konfessionen und Gemeinschaften, die unterschiedliche Lehrmeinungen vertreten. Die Ahmadiyya-Gemeinde bekennt sich zur Religionsfreiheit. Sie lehnt Zwang in Glaubensfragen ab. Dies ist einer der Gründe, weshalb sie in einigen muslimisch geprägten Ländern, wie zum Beispiel in Pakistan, verboten ist und ebenso verfolgt wird wie christliche Kirchen.
In Hessen, ein Bundesland mit seit vielen Jahren konservativ geführter Regierung, ist die Ahmadiyya-Gemeinde als erste muslimische Religionsgemeinschaft in Deutschland überhaupt als Körperschaft des öffentlichen Rechtes anerkannt und damit den christlichen Kirchen gleichgestellt.
Viele Angehörige der Ahmadiyya haben längst die deutsche Staatsbürgerschaft. Aber auch wenn dem nicht so wäre, würde für sie die Religionsfreiheit gelten, denn diese ist in unserer Rechtsordnung kein an die Staatsbürgerschaft gebundenes, sondern eben ein Menschenrecht.

Brauchen Muslima und Muslime zur Ausübung der Religionsfreiheit eine Moschee?

Ja. Zur Religionsfreiheit gehört das Recht sich mit anderen Gläubigen in einer Gemeinde zusammenzuschließen und Gottesdienst zu feiern. Im Interesse der Gläubigen und der Achtung der Freiheit von Nicht- und Andersgläubigen ist es nur folgerichtig, dass dies in einem eigenen Gebäude geschieht. Wo auch sonst?
Die Ahmadiyya-Gemeinde will ihre Moschee im Übrigen komplett selbst finanzieren. Keine öffentlichen Mittel gehen durch den Moscheebau anderen, beispielsweise sozialen, Aufgaben verloren.
Diese Gleichbehandlung der Religionsgemeinschaften auf das Recht zum Bau repräsentativer Gotteshäuser ist zudem von Art. 3 GG (Gleichbehandlungsgrundsatz) abgedeckt. Das Recht ist hier auf Seiten der Ahmadiyya-Gemeinde!

Der Islam gehört zu Deutschland

Derzeit leben etwa vier Millionen muslimische Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Für diese große Zahl gilt, wie für alle anderen auch, das Recht auf freie Religionsausübung!
Der Islam in Deutschland ist also eine Realität. Entsprechend unserer Rechtsordnung soll sich der Islam legal, in der Öffentlichkeit und in Partnerschaft mit nicht- und mit andersgläubigen Menschen entwickeln. Bei allen Glaubensrichtungen und Weltanschauungen ist dies die beste Voraussetzung, um Vorurteile und Engstirnigkeit zu überwinden.
Im aktuellen Konflikt über den Moscheeneubau in Leipzig flammen derzeit Vorbehalte gegenüber Muslimia und Muslimen auf, die bereits seit Jahren – unter anderem durch Thilo Sarrazin vertreten – in ständiger Wiederholung weite Verbreitung finden: Sie seien gewalttätig, grenzten sich in Parallelwelten ab, seien missionarisch und potentiell terroristisch.
Diese Vorurteile haben mit der Realität nichts zu tun.
Warum sollte sich die Ahmadiyya-Gemeinde gerade in Gohlis niederlassen wollen, wenn sie den Kontakt zu Einheimischen scheute? In einem unbeobachteten Hinterhof wären Terroranschläge doch viel besser zu planen, als in einer repräsentativen und für alle offenen Moschee.
Auch die Kritik am Missionieren ist scheinheilig. Die meisten Religionen
werben für Ihren Glauben. In einer pluralistischen Gesellschaft mit freier Meinungsäußerung steht es gemäß dem Grundgesetz allen frei, für ihre Überzeugung oder Anliegen zu werben. Mündige Bürgerinnen und Bürger sind selbst in der Lage diesem Werben stattzugeben oder sich ihm zu entziehen. Es ist kaum glaubwürdig, dass ausgerechnet in Sachsen ein zwangsweiser Missionierungsdruck existieren sollte, wo es doch hier nur 1,4% Menschen muslimischen Glaubens gibt. Im Gegenteil: Muslima und Muslime sind in Sachsen aktuell und absehbar eine Minderheit, die um ihr Recht auf freie Religionsausübung ringen. Dabei sollten wir sie unterstützen.
Und verhalten wir uns nicht ähnlich wie die viel beschworenen „Hassprediger“, wenn wir Menschen allein aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Glaubens ablehnen oder beschimpfen?
Eine permanente Wiederholung macht haltlose Behauptungen von einer drohenden Islamisierung noch lange nicht zu Wahrheiten!
Dass sich die Ahmadiyya-Gemeinde an Bürgerforen beteiligt und versucht auf Ihre Fragen einzugehen, zeigt, dass sie ein harmonisches Zusammenleben mit den Anwohnern im Umfeld der Moschee wirklich anstrebt!
Darauf sollten wir interessiert und offen reagieren. Zurückweisen müssen wir rassistische und rechtsradikale Gruppen wie die NPD, die ihren Wahlkampf auf Kosten des friedlichen Zusammenlebens in Gohlis treibt, Angst und Emotionen schürt. Die im Anonymen wirkende Gruppe „Gohlis sagt nein“, hetzt auf ihrer Facebook-Seite gegen die Demokratie und gegen Migrantinnen und Migranten und stiftet Unfrieden. Sie wird wissen, warum sie auch nach Monaten noch aus dem Versteck heraus agiert.

Keine Moscheen in Deutschland ohne Kirchen in Saudi-Arabien?

Wollen wir in Bezug auf die Religionsfreiheit etwa saudische Verhältnisse? Warum sollten in Saudi-Arabien Kirchen gebaut werden, wenn in Deutschland keine Moscheen gebaut werden dürfen? Religionsfreiheit fordern wir für Deutschland wie für Saudi-Arabien.
In unserem Land ist sie Verfassungsgrundsatz. In Saudi-Arabien muss sie noch erkämpft werden.

Moscheen passen nicht ins Stadtbild?

Städte verändern sich fortwährend, positiv wie negativ. Die großflächige Kommerzialisierung der Innenstadt vertreibt zunehmend kleinere Geschäfte und arme Menschen. Eine Moschee hingegen ist Ausdruck einer lebendigen, kleinen, muslimischen Gemeinde in Leipzig. Die geplante Moschee ist auch – entgegen der Behauptungen der NPD – keinesfalls eine „Großmoschee“, sondern kaum größer als ein Einfamilienhaus. Sie bietet mit einer Gesamtfläche von etwa 170 qm 100 Gläubigen Platz zum Beten. Die Moschee ist damit bedeutend kleiner als jede in Leipzig bisher existierende Kirche!
Veränderungen im Stadtbild sind meist gewöhnungsbedürftig, aber eben auch Ausdruck einer weltoffenen, interkulturellen Messestadt, die Leipzig in den Augen seiner Bürgerinnen und Bürger sein soll.

Dialoge für Gohlis:

Said Arif * Cornelia Falken * Frank Franke * Marina Friedrich * Florian Illerhaus * Skadi Jennicke * Jürgen Kasek * Stefan Kurzawski * Johannes Lehnert * Martin Linke * Martina Lück * Holger Mann * Martin Meissner * Juliane Nagel * Miguel Ruiz * Michael Wagner * Sven Windisch *

V.i.S.d.P.: Gerd Klenk (Bürgerverein Gohlis, Lindenthalerstraße 34)

>>> zum Flyer als pdf-download

 

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