Der „letzte Akt“: Das „Runes & men“-Festival am 14./15. Oktober im Eventpalast bietet dem rechten Rand des Neofolk-Spektrums eine Bühne

140613-schwarz-statt-braun_1401181783Am 14./15. Oktober 2016 soll in Leipzig das fünfte und letzte „Runes & Men“ Festival stattfinden. Jährlich werden im Rahmen dieses Festivals rechte und rechtsoffene Neofolk- Bands präsentiert. Zum „letzten Akt“, wie es die VeranstalterInnen selbst nennen, soll sich auf der Bühne des Eventpalast auf dem Alten Messegelände die Creme-de-la-Creme der Szene präsentieren: Blood Axis, Fire & Ice und Death in June.

Der eigentlich längst tot geglaubte Neofolk wird durch die Zuwendung von neurechten Bewegungen wie den Identitären wieder „hip“. Das kommt nicht von ungefähr, denn der bewusst mit faschistischen und reaktionären Versatzstücken hantierende Teil der düster-romantischen Kulturszene bietet für die neurechte Ideologie perfekte Anknüpfungsmöglichkeiten. Rechte Andockversuche in der Neofolk-Szene sind keine Neuheit. Glaubhafte Distanzierungen und Klarstellungen blieben seit jeher aber aus.
Das für den 14./15. Oktober 2016 angekündigte Schauspiel der faschistischen Ästhetik und antimoderner Ideenwelten sollte nicht unbeachtet über die Bühne gehen.

Das Festival
Schon der Name des Festivals ist Programm: „Runes & Men“ ist der Titel eines der bekanntesten und beliebtesten Songs von Death in June (DIJ), die wiederum eine der zentralen rechten Neofolk-Bands ist. Im Refrain des Liedes heißt es u.a.: „I drink a German wine And drift in dreams of other lives And greater times“.  („Ich trinke einen deutschen Wein und schwelge in Träumen von anderen Leben und besseren Zeiten.“) Bereits beim ersten „Runes & Men“-Festival im Dezember 2012 in Dresden gab sich die Band mit ihren von „größeren, deutschen Zeiten“ träumenden Frontman Douglas Pearce auch selbst die Ehre. Seitdem findet „Runes & Men“ in Leipzig statt, 2013 und 2014 in der inzwischen geschlossenen Theaterfabrik im Westen der Stadt und 2015 im „Hellraiser“. Präsentiert wird die Veranstaltung, bei der Jahr für Jahr eindeutig faschistische Bands aufspielten, von der Equinoxe Organization, die seit Jahren mit Konzerten rechter Neofolk-Bands Geld macht, zuletzt im Juni diesen Jahres das Festival „Fire and sun“, bei dem VertreterInnen der neurechten Ideenschule um Götz Kubitschek und der ihm verbundenen Identitären Bewegung zugegen waren. (1)
Auf ihrer Facebook-Seite stellt sich die Equinoxe-Agentur als „non-political platform for different ideas“ vor. Das Mantra des unpolitisch-Seins und der Abgrenzung nach „rechts und links“ ist der faschistischen Neofolk-Szene eigen und taucht als vermeintliche Erwiderung auf Kritik immer wieder auf.
Equinoxe bietet mit ihren Veranstaltungen seit Jahren Akteuren eine Bühne, die ästhetische und inhaltliche Anleihen an den Faschismus präsentieren, die nicht kritisch kontextuiert und kommentiert werden und damit einen Anknüpfungspunkt sowohl für Menschen mit romantisch-antimodernen Weltbild als auch für Neonazis bilden.

Die Bands
Es ist klar, dass wir es bei den in Rede stehenden Kunstprojekten nicht mit klassischen Nazibands zu tun haben. Darum lohnt sich eine feingliedrige Betrachtung der Akteure, ihrer Inszenierung und Äußerungen.
Mit der britischen Band Death in June (DIJ) wird in Leipzig eine der zentralen Bands der rechten Neofolkszene auftreten. Texte und Auftreten von Death in June sind von einer faschistischen Ästhetik geprägt und sparen nicht mit Bezügen zum Nationalsozialismus. Sowohl in Bühnenshows als auch auf Veröffentlichungen kokettieren Death in June immer wieder mit NS-Symboliken wie dem SS-Totenkopf oder der Schwarzen Sonne. Im Song „Rose Clouds of Holocaust“ wird der Holocaust, der industrielle Massenmord an 6 Millionen JüdInnen, als „bittere Lüge“ bezeichnet. Bereits der Namen der Band ist eine Anleihe an den NS, konkret den Röhm-Putsch im Juni 1934, in dessen Zuge die Führungsriege der SA mit ihrem Anführer Ernst Röhm durch die SS ermordet wurde. DIJ-Frontmann Douglas Pearce scheint von dem SA-Führer Röhm fasziniert, adaptierte mehrfach dessen Namen und nutze sein Bild – umringt mit SA-Männer – für ein Plattencover. Das im Jahr 1987 erschienene Album „Brown Book“, dessen Cover ein SS-Totenkopf ziert, wurde von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien wegen nationalsozialistischer Tendenzen indiziert wurde. Das Album enthielt u.a. auch eine Vertonung des „Horst-Wessel-Liedes“, der inoffiziellen Hymne des NS-Regimes.
Vorwürfe der NS-Verharmlosung wurden von Death in June immer zurückgewiesen. Man spiele lediglich mit Versatzstücken faschistischer Symboliken und Bewegungen. Ihr vermeintliches Spiel wird jedoch an keiner Stelle ihres künstlerischen Werkes gebrochen. Ihr Spiel mit dem Faschismus ist nicht allein „Kunst“, sondern eben faschistische Kunst. (2)
Ähnlich verhält es sich mit Blood Axis. Bereits im Jahr 2011 gab es in Leipzig eine Kontroverse aufgrund des Auftritts der Band, ebenfalls in der Theaterfabrik. Die Band gehört neben DIJ zu den maßgeblichen extrem rechten Bands des Dark Wave-Genres. Michael Moynihan ,Sänger und Begründer von „Blood Axis“, gilt als Beförderer neuheidnischer und rechter Esoterik sowie germanischer und keltischer Mythen. Die Grenzen zur Verherrlichung nationalsozialistischer Ideologie wurden von Moynihan in seinem Wirken als Verleger, Publizist und Musiker immer wieder überschritten.
Seine Verehrung des SS-Brigadeführers Karl Maria Wiligut, seine positive Bezugnahme auf die Ästhetik von Leni Riefenstahl oder die Ideen des NS-Ideologen Karl Rosenberg kommen nicht von ungefähr. Bei Auftritten oder Veröffentlichungen spielt(e) Michael Moynihan/ „Blood Axis“ in der Vergangenheit immer wieder mit NS-Symboliken. Berührungsängste zu Publikationsorganen der rechten Szene existieren nicht, so veröffentliche Moynihan beispielsweise in der US-amerikanischen Neonazi-Zeitschrift „Plexus“, in dem britischen neurechten Magazin „The Scorpion“ und in der deutschen neurechten Zeitung „Junge Freiheit“. In einem Interview mit „„No Longer A Fanzine“ leugnete er 1994 den Holocaust. (zitiert nach Albert Schobert, Heidentum, Musik und Terror, http://www.diss-duisburg.de/Internetbibliothek/Artikel/Heidentum.htm)
Der Bandname „Blood Axis“ selbst bezieht sich auf die Achsenmächte (NS-Deutschland und seine PartnerInnen im 2. Weltkrieg), als Bandsymbol wird das Krückenkreuz genutzt, das mindestens zweimal in seinen gestalterischen Details verändert wurde (1996 – entsprechend der Fahne des Austrofaschismus und 1998 entsprechend des völkisch-esoterischen Neutempler-Ordens). (3)
Last but not least steht auch „Fire & Ice“ für den faschistischen Flügel der Neofolkszene. Ihr Frontmann Ian Read war lange Zeit an der einschlägig bekannten rechten Neofolk-Band und Death-in-June-Spaltprdokukt Sol Invictus beteiligt, die mit offensiv-antimodernen Texten hantierte.
Kooperationen mit Douglas Pearce oder Blood Axis säumen seinen künstlerischen Weg. Bekannt geworden ist auch sein Kommentar zu seinem Verhältnis nach faschistischen und rassistischen Ideen: “Keine Idee ist völlig wertlos. Die Deutschen hatten einen riesigen Komplex, der ihnen, ehrlich gesagt, von einer Nachkriegsgehirnwäsche eingeimpft worden war. […] Deutsche Magier sollten sich wirklich von den Meinungen darüber was ‚korrekt‘ ist und was nicht […], die ihnen die Leute aufgedrängt haben, befreien.“Vor zwei Jahren verhinderten AntifaschistInnen ein Konzert mit „Fire and Ice“ in einer Dorfkirche Brandenburg mit Verweis auf die rechte Verortung der Band.
Auch bei den weiteren Band kann ein politischer Impetus vermutet werden. Darkwood aus Leipzig zb. schreiben zu ihrer Sinnstiftung: „Das Projekt DARKWOOD wurde aus der Notwende heraus geboren, der Liebe zu unserer Heimat Ausdruck zu verleihen.“ (4)

Der Veranstaltungsort
Das faschistische Spektakel soll am 14. und 15. Oktober 2016 im Eventpalast stattfinden. Dieser befindet sich auf dem Alten Messegelände. Auf der Website des Location wird das „Runes and Men“-Festival als „Unser Tipp“ geführt. In der Vergangenheit fand in der Location unter anderem das von Neonazis ausgerichtete Freefight-Event Imperim Fighting Championship statt.

Warum Kritik?
Mit klassischen Stiefel-Neonazitum und plumpen NS-Bezügen hat der rechte Rand des Neofolk im Großen und Ganzen nichts zu tun. Anschlussfähig ist die Szene allerdings für VertreterInnen der neuen Rechten, EsoterikerInnen und allerlei anderen Rückwärtsgewandten. Die gemeinsame Schnittmenge sind ein verklärter Antimodernismus, Patriotismus und und die Sehnsucht nach klaren Hierarchien und Führungsfiguren. Die „Phalanx Europa“ dient sowohl NeofolkerInnen und Neuen Rechten als stilisiertes Bollwerk gegen den Untergang des Abendlandes, das gegen andere „Kulturen“, hier insbesondere gegen die islamisch geprägte Welt verteidigt werden müsse. Die Parallelen zu rechten zu rechten Straßenbewegungen wie Pegida und deren parlamentarischen Arm, der AfD, liegen auf der Hand.
Faschistisch inspirierter Neofolk ist nicht wegen seiner propagandistischen Massenwirkung ein Problem. Im Gegenteil ist er elitär und oft verklausuliert. Gerade in Zeiten, in denen sich nationalistische und rassistische Umtriebe immer unverhohlener Raum nehmen, wird Neofolk jedoch zur idealen Begleitmusik von rechtem Terror auf der Straße. Death in June und Co. tragen in diesem Sinne dazu bei den Faschismus als alternativen Gesellschaftsentwurf zu popularisieren. Dies sollte gerade in Zeiten offener Pogrome gegen Geflüchtete und politischer Stimmungsmache a la Alternative für Deutschland und CSU nicht unwidersprochen bleiben.

Verweise:

1 Soundtrack eines rechten Gefühls, von Fabian Peltsch in: „Rolling Stone“ August 2016, https://www.welt.de/print/die_welt/politik/article157524895/Soundtrack-eines-rechten-Gefuehls.html, eingesehen am 9.10.2016

2 L’art pour l’art oder faschistische Kunst, von Pascal und David Begrich (Miteinander e.V.), Oktober 2011, www.miteinander-ev.de/index.php?action=download&id=267 eingesehen am 9.10.2016

3 siehe Auseinandersetzung um den Auftritt von Blood Axis im August 2011 in Leipzig: https://jule.linxxnet.de/index.php/2011/06/debatte-um-die-neofolk-band-blood-axis/, eigensehen am 9.10.2016

4 http://www.last.fm/de/music/Darkwood, eingesehen am 9.10.2016

Der Text basiert auf meinen Auseinandersetzungen mit „Runes and men“ & Blood Axis aus den Jahren 2011 und 2013. In den verlinkten Texten sind auch weitere Verweise zu finden.

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