Am 3. Oktober 2020 war ich in Schwarzenberg eingeladen, wo ein Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Akteuren und Parteien unter dem Motto „Bunte Perle Schwarzenberg“ ein politisches Fest veranstaltete. Neben Pro Choice und Aufstehen gegen Rassismus war ich eingeladen ein paar Worte zu sagen. Ich dokumentiere meine Rede:
Heute wird vielerorts der Tag der Deutschen Einheit begangen, heute vor 30 Jahren endete der Prozess der die ehemalige Deutsche Demokratische Republik an Westdeutschland eingemeindete.
Ein Glücksversprechen der Wiedervereinigung waren auch offene Grenzen, war Reisefreiheit.
„Für ein offenes Land mit freien Menschen“, so das Motto junger Menschen, die in Leipzig schon vor den Novembertagen 1989 für demokratische Reformen demonstrierten und bald vom nationalistischen Taumel der Montagsdemos überrollt wurden.
Diese Zeit war es, in der sich auch in Sachsen rassistische Hetze Bahn brach. Dem Taumel vom wiedervereinten Deutschland fielen die zum Opfer, die vermeintlich nicht zur Gemeinschaft gehörten, die nicht dazu gehören sollten. Das rassistische Pogrom von Hoyerswerda im September 1991- vor ziemlich genau 29 Jahren – war der Beginn einer Kette von Ausbrüchen in Ost und West, die sich gewaltsam gegen Migrantinnen und Migranten, gegen Geflüchtete richteten. In der Folge wurde von einer parlamentarischen Mehrheit im Bundestag das Grundrecht auf Asyl faktisch abgeschafft, indem der Grundgesetzartikel 16 verstümmelt wurde. Das Jahr 1992/93 steht exemplarisch für eine beängstigende Kooperation zwischen Straße und Parlament gegen die Menschenwürde.
Schauen wir auf die Gegenwart, auf Deutschland, auf Sachsen vor 5 Jahren, lassen sich hier durchaus Parallelen ziehen. Vor wenigen Wochen jährten sich die Angriffe auf Schutzsuchende, die in Heidenau in der sächsischen Schweiz in einem Baumarkt untergebracht werden sollten. Einwohner der Stadt und Neonazis aus dem Umland versuchten in jenen Augustnächten zu verhindern, dass die Geflüchteten ihre Unterkunft beziehen können.In Hoyerswerda oder Rostock-Lichtenhagen waren sie aus ihren Unterkünften vertrieben worden.
Und man fragt sich rückblickend immer noch: Wie können Menschen so tief sinken und gegen Menschen vorgehen, die vor Krieg, Verfolgung und Folter geflohen sind, egal ob Frauen, Kinder oder Männer.
Die Ereignisse in Heidenau betteten sich ein in eine Reihe von rassistischen Angriffen und Zusammenrottungen, die bis zum Terror gegen Geflüchtete und ihre Unterstützer*innen ging. Exemplarisch dafür stehen Freital, Dresden oder Clausnitz und später auch Chemnitz. Und diese Zeiten sind auch verknüpft mit dem Aufstieg der AfD, die Teil der rassistischen Bewegung auf der Straße und deren parlamentarischer Arm ist.
Erst in dieser Woche mussten wir im Sächsischen Landtag wieder erleben, wie die extrem rechte Partei das Parlament als Bühne für ihre Hetze nutzte.
Als wir als LINKE nämlich die Situation von Geflüchteten in den griechischen Elendslagern thematisiert und Sachsens Verantwortung für eine Lösung der humanitären Krise eingefordert haben.
Ihr wisst, ihr habt die Debatte hier im Kreistag selbst geführt, wie essentiell es ist insbesondere auf Lesbos humanitär zu intervenieren, gerade nach dem verheerenden Brand im Lager Moria. Und nicht durch den Aufbau neuer Zeltlager, in denen Tausende Menschen unter unwürdigen Bedingungen hausen müssen, sondern durch die Evakuierung der Elendslager.
Sachsen tut sich bei der Lösung der dramatischen Situation in den europäischen Hotspots in der Ägäis nicht als humanistischer Motor hervor. Anders als Thüringen, Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen oder 170 Kommunen bundesweit gab es von der sächsischen Regierung eben kein klares Signal. Unseren Antrag sich gegenüber dem Bundesinnenminister für die Aufnahme von 500 Schutzsuchenden aus Lesbos stark zu machen lehnt die Kenia-Koalition ab. Sachsen nimmt lediglich so viele Menschen von den griechischen Inseln auf, wie es nach bundesweiten Verteilschlüssel muss. Und das liegt vor allem an der CDU. Die hat sich in Sachsen noch nie für Offenheit gegenüber Schutzsuchenden ausgezeichnet und im Gegenteil immer nach rechts gefischt.
Offene Grenzen und Bewegungsfreiheit, das Glücksversprechen für die Ostdeutschen in der Wendezeit, gelten eben nicht für alle, gilt nicht für Geflüchtete, die in den europäischen Lagern in der Ägäis festsitzen oder eben mit einer Wohnsitzauflage auch hier in Sachsen gezwungen werden an Orten zu bleiben, wo sie nicht leben wollen.
Eine harte Hand bei Abschiebungen, die Schaffung einer eigenen Abschiebehafteinrichtung und zahlreiche bürokratische Hürden für Menschen, die ein Bleiberecht erlangen wollen, gehören zur traurigen Bilanz der sächsischen Asylpolitik der letzten Jahre. Sachsen hat bei den Innenministerkonferenzen wiederholt darauf gedrungen, Abschiebungen auch in kriegsgeschüttelte Länder wie Afghanistan oder Syrien wieder zuzulassen. Immer wieder wurden bei Abschiebungen Familien getrennt, erwerbstätige und auch schwer erkrankte oder beeinträchtigte Menschen brutal aus ihrem Leben gerissen.
Auf der anderen Seite stehen auch in Sachsen die vielen Initiativen, Vereine und Einzelpersonen, die sich nicht nur auf dem Peak der Fluchtbewegungen 2015/16 ehrenamtlich für ein gutes Ankommen und für ein gutes Einleben der neu hinzu gekommenen Menschen engagiert haben und sich weiter engagieren. Die bei Wohnungssuche, Spracherwerb, bei Kinderbetreuung, Jobsuche helfen und Orientierung und Zuneigung geben. Menschen, die Widerspruch erheben, wenn rassistische Sprüche geklopft werden oder gar Gewalt ausgeübt wird. Die, die deutlich sagen: Wir haben Platz für Menschen aus den Elendslagern in Griechenland.
Ich meine ganz klar: Diese Menschen, ja ihr seid Teil der humanistischen Basis dieses Landes. Die, die Ursprungsforderung von 1989: Ein offenes Land für Freie Menschen mit Leben erfüllen und unveräußerliche Menschenrechte verteidigen.
Danke dafür, hört nicht auf und seid euch unserer Unterstützung immer gewiss.