Während die BILD-Zeitung am 1.11.13 effekthascherisch titelte: Stadt plant zwei neue Asylheime! verspricht der Blick in die Fortschreibung des Konzeptes „Wohnen für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Leipzig“ einen durchdachten Ansatz, natürlich mit einigen Haken. Eine erste Einschätzung und Pressemitteilung
Im Juli 2013 wurde vom Stadtrat mit überwältigender Mehrheit das Konzept „Wohnen für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Leipzig“ beschlossen. Damit sollte ein Paradigmenwechsel bei der Unterbringung von Asylsuchenden in Leipzig eingeleitet werden, weg vom Wohnen in Massenunterkünften am Stadtrand hin zum Wohnen in kleinteiligen Häusern im gesamten Stadtgebiet.
Mehr als ein Jahr nach der Beschlussfassung durch den Stadtrat, ist das Konzept weit von seiner Realisierung entfernt. Nur zwei von insgesamt sieben Objekten – die Riebeckstraße mit 110 Plätzen und die Eythstraße als Einrichtung für Asylsuchende mit erhöhtem Betreuungsbedarf aka Suchtkranke – für sind in Betrieb genommen worden. Die Inbetriebnahme von vier geplanten Objekten verzögert sich. Die beiden aus privater Hand angemieteten Häuser in der Georg-Schumann- (Gohlis) und Georg-Schwarz-Straße (Lindenau) sollen noch im Dezember 2013 eröffnet werden, die LWB-Objekte Markranstädter Straße (Plagwitz) und Pittlerstraße (Wahren) im März 2014. Die Realisierung der Unterkunft in der Bornaischen Straße steht wegen Kostenfragen gänzlich infrage
Ein Hauptziel des Unterbringungskonzeptes, die Schließung der Massenunterkunft in der Torgauer Straße, scheint in weite Ferne gerückt. In den vergangenen Monaten wurde das stark kritisierte Heim erweitert. Rund 250 leben derzeit dort. Im Zuge des Anstieges der Zuweisungszahlen von Asylsuchenden nach Leipzig – bis zu 250 Menschen werden für die verbleibenden zwei Monate in Leipzig erwartet – soll der Standort Torgauer Straße komplett belegt werden (d.h. gesamt 390 Personen).
In der aktuell ins Stadtratsverfahren gebrachten Vorlage zur Fortschreibung des Konzeptes „Wohnen für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Leipzig“ wird als möglicher Schließungstermin das Jahr 2016 in Aussicht gestellt.
Mit der Fortschreibung will die Stadt Leipzig zudem das Unterbringungskonzept, das im Sommer 2012 zu heftigen stadtpolitischen Debatten inklusive Sichtbarwerden des gesellschaftlichen Rassismus führte, weiter an die Realität anpassen. Auch Forderungen von KritikerInnen wurden aufgenommen (Verstärkung dezentrale Unterbringung und Aufstockung und Ausdifferenzierung der sozialen Betreuung).
Dem Grunde nach ist eine Kategorisierung der Unterbringung in so genannte Erstaufnahmeeinrichtungen und in kleine Gemeinschaftsunterkünfte sowie dezentrale Unterbringung in eigenen Wohnungen geplant. Als Erstaufnahmeeinrichtungen sollen demnach die Liliensteinstraße 15a (Grünau) und die Torgauer Straße 290 bis zu ihrer Ersetzung durch zwei neue Unterkünfte für je 200 Personen sein. Die Aufenthaltsdauer in diesen Unterkünften soll auf 6 bis 12 Monate begrenzt sein, dann folgt ein Umzug in die kleinen Gemeinschaftsunterkünfte oder – für die, deren Antrag bewilligt wurde – in eigene Wohnungen.
Die Aktualisierung des Konzeptes ist vor allem auch mit gestiegenen Asylsuchenden-Zahlen zu erklären. Die Stadt Leipzig muss im laufenden Jahr insgesamt ca. 700 Menschen aufnehmen, das sind 300 mehr als 2012 und 415 mehr als 2011.
Der Anstieg der Zahl von Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, deutet sich schon länger an. Dafür sprechen Konflikte in Syrien, aber auch die schlechten und unsicheren Lebensbedingungen z.B. von Roma in den Balkan-Staaten. Syrien und Serbien sind neben Rußland 2013 Haupt-Herkunftsländer von Geflüchteten.
Mögen es die langsam mahlenden Verwaltungsmühlen sein, die eine adäquate Vorbereitung auf die den erwarteten moderaten Anstieg der Gesamtzahl von Asylsuchenden in Deutschland und explizit Sachsen verhindert haben. Die Folgen dessen sind dramatisch. Kommunen verweigern sich der Pflichtaufgabe Asylsuchende unterzubringen und dort wo kurzfristig Unterkünfte errichtet werden sollen, gründen sich in kürzester Zeit BürgerInneninitiativen dagegen, mal mit, mal ohne Mitwirkung der NPD. (siehe u.a.: Rassistische Hetze gegen Flüchtlinge nimmt zu, Pro Asl, 24.10.13 und NPD organisiert Widerstand gegen Asylberwerberheime, Monitor 29.10.13)
Für die Vermeidung derartiger zielgerichteter rassistischer Mobbildungen und vor allem im Interesse einer verbesserten Lebenssituation von Geflüchteten wäre die Abschaffung der sowohl bundes- als auch in Sachsen landesgesetzlich festgeschriebenen Regelunterbringung von Asylsuchenden in Sammelunterkünften unabdingbar.
Das selbstbestimmte Wohnen in eigenen Wohnungen (dezentrale Unterbringung) bleibt den geflüchteten Menschen durch genau diese Gesetze verwehrt. Die Spielräume von Kommunen und Landkreisen in Sachsen sind begrenzt. Um in einer eigenen Wohnung zu leben, müssen die Betroffenen einen Antrag stellen, bewilligt werden in der Regel nur Anträge von Familien und nachgewiesen kranken Menschen. In Leipzig leben etwas über 50 % der Asylsuchenden in eigenen Wohnungen. Diese Quote wird sich weiter verschlechtern.
Offensichtlich hat sich auch die Stadt Leipzig aus Mangel an Plätzen in Sammelunterkünften bemüht beim Freistaat die Lockerung der Kriterien für die Berechtigung Asylsuchender dezentral, also selbstbestimmt in Wohnungen zu leben zu erwirken, zuletzt per Schreiben ans Sächsische Innenministerium Anfang September.
Im laufenden Jahr sind bisher 119 Anträge auf Auszug in eine eigene Wohnung gestellt worden, von denen 85 % bewilligt wurden. Nicht alle, deren Anträge positiv beschieden sind, ziehen laut Stadtverwaltung auch aus. Ein Grund dafür ist der Mangel an preis- und größeangemessenen Wohnraum und der Akt des Anmietens selbst. Hierzu tragen Verständigungsprobleme, aber auch Vorbehalte gegen die Vermietung an MigrantInnen bei. Um diese Hürden zu nehmen, will die Stadt den Weg zur eigenen Wohnung stärker unterstützen. Dafür sind zwei zusätzliche Stellen im Sozialamt geplant. Ein überfälliger Schritt.
Auch die soziale Betreuung soll entsprechend der Unterbringungsformen ausdifferenziert und verstärkt werden. (In der Torgauer Straße 290 gibt es beispielsweise derzeit für 250 BewohnerInnen 2,2 Stellen, für 390 BewohnerInnen sollen nun eine Stelle drauf gelegt werden, in Zukunft soll in Einrichtungen wie dieser ein Schlüssel von 1:50 greifen). Auch für Menschen, die in eigene Wohnungen ausgezogen sind, sollen stärkere Unterstützungsformen etabliert werden, u.a. durch das Patenschaftsmodell, das der Flüchtlingsrat Leipzig e.V. koordinieren soll.
Juristische Schritte sind übrigens laut Antwort der Stadtverwaltung auf eine Anfrage der Linksfraktion gegen keine der geplanten Unterkünfte anhängig. Gegen den Ausbau der Riebeckstraße 63 als Unterkunft für Asylsuchende waren Ende des vergangenen Jahres aus der Nachbarschaft erfolglos Rechtsmittel eingelegt worden.
Inzwischen gibt es im Gegenteil überall Unterstützungsstrukturen bzw. entsprechende Angebote. Überall außer in Leipzig-Wahren. Die geplante Unterkunft in der Pittlerstraße 5/ 7 ist übrigens auch die einzige der kleinen Gemeinschaftsunterkünfte, die in Bezug auf das Sicherheitskonzept in die Kategorie 2 eingeordnet wird. Das bedeutet – zunächst für ein Jahr – stärkere Sicherheitsmaßnahmen z.B. durch Videoüberwachung und 24-Stunden-Wachschutz. Begründung: „da zu erwarten ist, dass die Integration des Hauses in das Umfeld einen längeren Zeitraum beansprucht“.
Bereits vor einigen Tagen machte die immer noch aktive BürgerInneninitiative Wahren darauf aufmerksam, dass die Hauseigentümerin LWB bereits im September „illegal mit den Sanierungsmaßnahmen begonnen habe“. Das ist formal richtig, aber zeigt, dass die Belange der Asylsuchenden den aktiven BürgerInnen herzlich egal sind.
Der Mietvertrag für die LWB-Objekte in der Pittler- und auch Markranstädter Straße müssen auf Initiative des Grundstücksverkehrsausschußes im November 2013 durch den Stadtrat beschlossen werden. Es ist gut möglich, dass sich die CDU hier als Fürsprecherin der BI hervortun wird und die Unterkunft in Wahren noch einmal grundsätzlich zur Disposition stellt.
Links:
– Fortschreibung des Konzeptes „Wohnen für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Leipzig“: Beschreibung benötigter Unterbringungskapazitäten aufgrund gestiegener Zuweisungszahlen, Handlungsbedarf zur Sicherstellung der Unterbringung 2013 und 2014, Fertigstellung der Erhaltungsmaßnahmen am Standort Torgauer Str. 290 hier klicken (pdf)
– Umsetzung des Konzeptes „Wohnen für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Leipzig“ (RBV-1293/12): Sicherheitskonzepte; Ausführungsbeschluss für Bewachungsleistungen in Unterkünften für gemeinschaftliches Wohnen von Asylbewerber/-innen und Flüchtlingen hier klicken (pdf)
– Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion: Stand der Umsetzung des Konzeptes „Wohnen für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Leipzig“, Patenschaftsmodell, Finanzierung hier klicken (pdf)
Pressemitteilung, 1.11.2013
Die Fraktion DIE LINKE begrüßt die Ausdifferenzierung der Unterbringungsformen, die Verstärkung des dezentralen Wohnens in eigenen Wohnungen sowie der sozialen Betreuung und fordert die Prüfung von Kooperationsverträgen mit der LWB GmbH, den Genossenschaften und privaten Immobilien-Eigentümern nach dem Vorbild von Berlin
Am 21.11.2013 soll der Leipziger Stadtrat über eine Fortschreibung des 2012 nach heftigen Debatten beschlossenen Unterbringungskonzeptes für Asylsuchende entscheiden. Damit soll das Konzept den objektiven Gegebenheiten – der steigenden Zahl Asylsuchender in Leipzig sowie Probleme beim Finden geeigneter kleinteiliger Unterkünfte – angepasst werden. Konkret ist die langfristige Schließung der stark kritisierten Sammelunterkunft in der Torgauer Str. 290 zugunsten zweier neuer Erstaufnahmeeinrichtungen für jeweils 200 Personen geplant. In diesen sollen die ankommenden Asylsuchenden maximal ein Jahr verweilen bis sie in kleinteilige Unterkünfte oder in eigene Wohnungen umziehen können. Zudem ist eine Verstärkung und Anpassung der sozialen Betreuung an die Bedürfnisse der Asylsuchenden in den jeweiligen Einrichtungen geplant.
Dazu erklärt Juliane Nagel, Stadträtin der LINKEN in Leipzig:
Die vorgelegte Fortschreibung des Unterbringungskonzeptes ist plausibel und durchdacht.
Zum einen beweist die Stadtverwaltung, dass sie die Kritik am menschenunwürdigen Zustand der Massenunterkunft in der Torgauer Straße 290 ernst nimmt. An der Schließung dieser Einrichtung wird – zugunsten der Errichtung zweier neuer Erstaufnahmeeinrichtungen für jeweils 200 Personen – festgehalten. Zudem wird zum ersten Mal geregelt, dass der Aufenthalt von Asylsuchenden in den großen Erstaufnahmeeinrichtungen zeitlich auf maximal ein Jahr begrenzt sein soll.
Um neu in Leipzig ankommenden Asylsuchenden tatsächlich die Möglichkeit für Ruhe und Rückzug sowie zur Verarbeitung von Fluchterfahrungen zu bieten, muss ein großes Augenmerk auf die adäquate Ausgestaltung der Unterkünfte gelegt werden. Bei einer Kapazität von 200 Personen pro Einrichtung ist die Realisierung dieses Anspruches fragwürdig!
Die in der Vorlage avisierte Erweiterung der Kapazität der kleinen Gemeinschaftsunterkünfte von 50 auf 100 Personen sieht DIE LINKE skeptisch. Je größer die Unterkunft desto weniger haben die Asylsuchenden die Möglichkeit eines normalen Lebens und ausreichend Privatsphäre.
Erfreut zeigt sich die Fraktion vor allem über die Forcierung der Möglichkeit, dezentral, das heißt selbstbestimmt in eigenen Wohnungen zu leben. Leider verhindern die Gesetzgeber auf Bundes- und vor allem Landesebene diese aus menschenrechtlicher Sicht zu präferierende Variante weiterhin durch harte Kriterien für potenziell Auszugsberechtigte. Aus Sicht der LINKEN muss die gesetzlich festgelegte Regelunterbringung in Massenunterkünften endlich durch das prinzipielle Recht aller Asylsuchenden, in eigenen Wohnungen zu leben, ersetzt werden!
Die Fraktion DIE LINKE regt an, den Abschluss von Kooperationsverträgen mit der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH (LWB), den Wohnungsgenossenschaften und der Immobilien-Eigentümer-Gemeinschaft „Haus und Grund“ zum Zwecke der Bereitstellung von Kontingenten von Wohnungen für auszugsberechtige Personen zu prüfen. In Berlin werden über einen entsprechenden Vertrag jährlich 275 Wohnungen in verschiedenen Segmenten bereitgestellt.