Auseinandersetzungen in der Eisenbahnstraße: Wider einfach strukturierte Erklärungsmuster

Es geiferte wieder ordentlich durch die Kommentarspalten: Drei gewaltvolle Auseinandersetzungen in Leipzig-Ost, in bzw. im unmittelbaren Umfeld der Eisenbahnstraße an drei Tagen infolge. Die „gefährlichste Straße Deutschlands“ macht wieder von sich reden. Und natürlich sind es „die“ „Ausländer“, die da Stress machen. So weit, so schlecht die einfach strukturierte deutsche Seele.
Das Bild, das mich heute an der Polizeidirektion in der Dimitroffstraße erwartete, war ein Anderes. Eine mindestens 20 Menschen zählende syrische Familie hatte sich vor dem Eingang des zentralen Stadtreviers niedergelassen, bekundete Angst zu haben und nicht in ihre Wohnung in der Eisenbahnstraße zurückkehren zu wollen.
Sowohl am Freitag, 22. Mai als auch am Sonntag, 24. Mai seien Familienmitglieder im Umfeld der Wohnung tätlich angegriffen worden. Eine Tochter läge schwer verletzt im Krankenhaus. Sie habe sich am Sonntag zwischen die streitenden Seiten gestellt.

Der Anlass der Auseinandersetzungen und der Grund für deren Zuspitzung liegt im Dunklen und kann nur durch die Ermittlungsbehörden erhellt werden. Jede Spekulation, wie auch jede Zuschreibung a la „Familien-Clan-Auseinandersetzungen“ verbietet sich.

Fakt ist, dass die aus Syrien geflohene 15-köpfige Familie an diesem Pfingstmontag entschlossen war nicht wieder in ihrer Wohnung in der Eisenbahnstraße zurückzukehren. Sie fürchten dort um ihre Sicherheit, vor allem die der acht Kinder.  Ihr Entschluss war die Polizei aufzufordern für ihre Sicherheit zu sorgen. Das Angebot einer Rund-um-Bewachung durch ein Polizeiauto vor dem Haus lehnten sie ab. Auch Angebote in einer Kirchgemeinde in Taucha und bei weiteren Verwandten außerhalb Leipzigs unterzukommen, wurden zunächst abgewiesen.

Die Familie gehört zur Gruppe der Kontingentflüchtlinge, die in Deutschland erstmal einen temporär gesicherten Aufenthaltsstatus haben und das Asylverfahren nicht durchlaufen müssen. Sie sind nicht von Abschiebung bedroht und haben auch keine Asylunterkunft bewohnt, sondern ihre Wohnung selbst angemietet. Das macht die Situation nicht einfacher. Formal müssen sie ihre Wohnung kündigen und sich auf dem Wohnungsmarkt nach einer Neuen umtun.

Sowohl eine Vertreterin der Kirchgemeinde in Taucha, die die Familie betreut, als auch Polizei und Sozialamt versuchten am heutigen Montag eine Lösung zu finden.
Nach langen Gesprächen und Überzeugungsarbeit bei den Betroffenen wurde eine Übernachtungsmöglichkeit zunächst bis Dienstag in der Kirchgemeinde in Taucha organisiert. Morgen wird es dann darum gehen alternative Wohnmöglichkeiten in Leipzig zu suchen. Am liebsten allerdings, so die Aussage eines einzelnen Familienmitglieds, wollen sie Leipzig und auch Sachsen verlassen.

Die Unnachgiebigkeit der Familie in Sicherheit gebracht zu werden, kann als starkes Plädoyer gegen die rassistischen Schubladen gewertet werden, die sich angesichts der Auseinandersetzungen der letzten Tage wieder geöffnet haben. Und auch die üblichen Sonntagsreden bzw. -forderungen nach besserer Integration scheinen zunächst verfehlt.

Wichtig ist es Empathie zu zeigen und dem individuellen Sicherheitsbedürfnis Rechnung zu tragen. Zunächst nicht mehr und nicht weniger.

 

 

4 Gedanken zu „Auseinandersetzungen in der Eisenbahnstraße: Wider einfach strukturierte Erklärungsmuster“

  1. Die Ursache liegt doch schon an der Wahl des Wohnortes. Flüchtlinge sollen flächendeckend verteilt werden, das heißt auch in die höherwertigen Gebiete wie Gohlis oder Waldstraßenviertel und nicht hauptsächlich in die günstigen Gebiete, die leider auch häufig eine höhere Kriminalität ausweisen.

    Gerade eine Großfamilie sollte an einem Ort ungebracht werden, an dem sie sich auch weiterentwickeln kann, der gute Möglichkeiten an Partizipation der Kinder an Bildung etc. gewährleistet und möglichst fern von Kriminalität und Drogen ist. Dann geht es der Familie besser und der gesamten Gesellschaft.

    Leider findet alleine schon aufgrund der Mietpreisunterschiede eine Getthosierung statt. Der Familie werden damit Zukunftschancen genommen, also vollkommen richtig das sie umziehen wollen. Das ist wohl die beste Lösung.

  2. @Martin:
    Das grundsätzliche Problem löst sich nicht mit der flächdeckenden Verteilung.
    Was sagen sie dazu, wenn ihr Handy auf Arbeit klingelt und sich die Kriminalpolizei bei ihnen meldet, da man eine Wohnungsdurchsuche w/Verstoß gg. das BTG durchführen musste und die externen Räumlichkeiten nicht genau zuordnen konnte. Dabei versehentlich ihre Privaträume mit Hilfe von Fachkräften geöffnet wurden um bei der Durchsunchung festzustellen, dass man hier falsch geöffnet hat. Und im Vorfeld die Polizei bereits mehrfach im Haus war und auch bei ihnen immer wieder geklingelt hat bzgl. Informationen zum bereits integrierten Nachbarn.
    Geschehen im Waldstrassenviertel – wie verhalte ich mich jetzt gegenüber meinem Nachbarn – bin verunsichert und verängstigt.
    Willkomen ist das Eine – nur wie integriert man so viele verschiedene Kulturen um allen gerecht zu werden – wo wir schon bei der eigenen Bevölkerung scheitern?

  3. @ Silly, das ist kein Problem der Integration sondern Schlamperei des Vermieters. Ferner scheint die Polizei auch ziemlich geschlampt zu haben, wenn die bereits mehrfach im Objekt waren und bisher nicht abklären konnten, was zu welcher Wohnung gehört. Gegen beide würde ich rechtlich vorgehen.

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