Auf der Zukunftskonferenz der Bewegungslinken „DIE LINKE 2025 – Unsere Zukunft beginnt jetzt!“ diskutierten David Begrich (Experte für die extreme Rechte und Mitarbeiter des Miteinander e.V. Sachsen-Anhalt), Elif Eralp (Abgeordnete in Berlin) und ich über Strategien gegen Faschismus und Rechtsruck. Hier meine Reflexion dazu:
Es gibt deutliche Unterschiede im Umgang mit dem Erstarken der Rechten in Ost und West. Wir brauchen mehr Räume, um diese Unterschiede zu überwinden, und die Kontexte, in denen Faschismus und Reaktion derzeit im Aufwind sind, erst einmal zu verstehen – erst darauf können gemeinsame Strategien aufbauen.
Auch wenn die Zustimmungswerte für die faschistische AfD in den West-Bundesländern steigen, zeigen sowohl Wahlumfragen als auch Einstellungsstudien, dass die Zustimmung zu Ideologien der Ungleichwertigkeit und zu autoritären Konzepten im Osten ungleich höher sind. Es ist die AfD, die es derzeit schafft, der extremen Rechten massenwirksame Repräsentation, Organisationsstrukturen und inhaltlichen Ausdruck zu verschaffen. Sie ist längst keine Eintagsfliege mehr, sondern bundesweit etabliert.
Im Landkreis Sonneberg (Thüringen) konnte sich zumersten Mal ein AfD-Politiker als Landrat und im Städtchen Raguhn-Jessnitz (Sachsen-Anhalt) als Bürgermeister durchsetzen. In den drei ostdeutschen Bundesländern, in denen Landtagswahlen anstehen – Brandenburg, Sachsen und Thüringen – wird die AfD in diversen Wahlumfragen als stärkste Partei gesehen.
Bei diesen Wahlen wird es ganz zuvorderst um die Verteidigung der Demokratie gehen müssen, so der Tenor des Inputs von David Begrich. Dafür ist es wichtig zu analysieren, wie die Strategie der AfD funktioniert. Die Mobilisierung von Demokratieskepsis und Veränderungsangst und -ablehnung hilft ihr, weite Teile der ostdeutschen Gesellschaft hinter sich zu versammeln. Dabei greift sie auf das Narrativ einer Normalität zurück, die es nie gab – ohne Migration, Klimawandel, globale Konflikte und Veränderungen der Erwerbsarbeitssphäre. Sie spitzt die Widersprüche und uneingelösten Versprechen der liberalen Demokratie zu, um gegen dieselbe mobil zu machen. Die etablierten Parteien stärken die AfD und damit die extreme Rechte, indem sie diese Widersprüche vernebeln und mehr noch, wenn sie die rechten Stichworte aufnehmen und politisch umsetzen.
Am deutlichsten ist dies derzeit im Bereich der Migrations- und Klimapolitik zu beobachten.
Es reicht nicht, diese Gemengelage mit bloßen Slogans über eine standhafte Linke zu kontern. Es braucht eine lare antifaschistische Haltung und Praxis, die deutlich aufzeigt, dass unsere Positionen unabhängig vom Ausmaß der Faschisierung der Mehrheitsgesellschaft nicht verhandelbar sind. Es braucht aber auch konkrete Strategien und glaubwürdige inhaltliche Antworten auf die gesellschaftlichen Herausforderungen, inklusive Optionen auf tatsächlich umsetzbare Veränderungen.
Elif Eralp zeigte am Beispiel Berlin, wie wichtig es ist, unterschiedliche Strategien in verschiedenen Bezugsräumen anzuwenden: Außerparlamentarische Initiativen, beispielsweise migrantisierter Menschen, sind wichtige Partnerinnen im Kampf gegen den enthemmten Rassismus von AfD, CDU und Co., und können Druck gegen auch nur kleinste Anzeichen von Kooperation mit der AfD im parlamentarischen Raum machen. Aber DIE LINKE versucht auch jene Menschen zu erreichen, die anfällig für die Agitation der Faschisten sind, seien es am Existenzminimum lebende Erwerbslose oder prekär Beschäftigte.
Zuletzt etwa 40 Prozent der Arbeiter:innen wählten bei ostdeutschen Landtagswahlen die AfD. Der Grund dafür ist nicht, dass die LINKE die Arbeiter:innenklasse verraten hätte. Konkurrenz, Vereinzelung und Abstiegsängste als Folgen der Neoliberalisierung sowie Statusverlust auch im Kontext der Umwälzung der Produktion sind entscheidende Gründe für die rechte Mobilisierbarkeit im Osten.
Hier wird es im nächsten Jahr darum gehen, die Faschisten aus Regierungen herauszuhalten. Gerade bei rechten Landesverbänden der CDU wie in Sachsen ist das Gerede von der „Brandmauer“ mehr als unglaubwürdig, in Thüringen praktizieren sowohl CDU als auch FDP anlassbezogene Kooperationen mit der AfD, die sich vor allem gegen die linksgeführte Landesregierung richten. Die gesellschaftliche Stimmung wird derzeit in der gesamten Bundesrepublik durch rassistische Diskurse angeheizt, wobei die AfD sich fast zurücklehnen kann, während sich die Parteien der vermeintlichen Mitte in Vorschlägen zur Aushebelung von menschenrechtlichen Garantien überbieten. Im Endeffekt aber erntet sie die Früchte dieser rechten Landnahme.
Dass es im Osten vor allem in den Räumen außerhalb der Großstädte um die Weiterexistenz demokratischer und solidarischer Strukturen geht, dass es Antworten auf Konstellationen, in denen die AfD auch elektoral als stärkste parlamentarische Kraft hervorgeht, braucht – dieses Verständnis muss auch in der gesamten LINKEN wachsen.
So entspinnen sich hier und da schon kleine Gespräche über gemeinsame Interventionen zu den kommenden Landtagswahlen. Eine wahrnehmbare antifaschistische Flanke gehört zu dieser Oststrategie: Wir sind das Bollwerk gegen rechts und die solidarische Stütze für die Einzelkämpfer:innen und oft marginalisierten Strukturen vor Ort! Das müssen wir deutlicher kommunizieren und dieses Versprechen auch wirklich einlösen.
Ansonsten braucht es hier wie da starke und langfristig angelegte Basisarbeit. Gut gemeinte Aufklärung, wofür die AfD „wirklich steht“, dürfte kaum fruchtbar sein, wird sie doch vielerorts genau dafür gewählt. Wichtiger sind Erfahrungen konkreter Solidarität zum Beispiel im Kontext von Arbeitskämpfen oder in der Unterstützung von Deklassierten in prekären Wohnvierteln. Stellvertretend hierfür stehen die Kampagne „Wir fahren zusammen“ ebenso wie gemeinsame Kämpfe von migrantisierten und „biodeutschen“ Arbeiter:innen. Sie markieren konkrete Beispiele dafür, dass Geflüchtete schnell Teil der hiesigen Gesellschaft werden können und es gemeinsame Interessen im Kampf für gute Infrastruktur, bezahlbare Mieten und gut entlohnte Jobs gibt.
Statt Ökologie und soziale Gerechtigkeit gegeneinander auszuspielen, gilt es linke, antikapitalistische Ideen für eine sozial-ökologische Wende in Produktion, Verkehr und Energieerzeugung zu forcieren und deren Praxistauglichkeit zu beweisen, auch im Kleinen. Hier sind wir vor allem in ehemaligen Braunkohleregionen gefragt, wo die AfD im Osten Wahlerfolge mit dem Wegfall von Einkommensquellen aber auch Statusverlust von Kohlearbeiter:innen und ganzer Regionen generieren kann. Auf der anderen Seite entstehen beispielsweise in der Lausitz neue Wirtschaftsakteure, die sich in regenerativer Baustoffforschung und in Sachen Kreislaufwirtschaft erproben. Es ist an uns, selbstbewusst klarzustellen, dass es so wie es nie war, nie werden kann, besser aber in jedem Fall.