Am 23.1.2013 beschloss der Stadtrat mit übergrosser Mehrheit die Durchführung der 3. Internationalen Demokratiekonferenz und deren Ausstattung mit 135.000 Euro aus dem Stadtetat. Ich konnte dieser Vorlage nicht zustimmen, was ich in meiner nicht gehaltenen Rede begründe
Vorab ein paar grundsätzliche Anmerkungen zum Vorhaben der Ausrichtung der 3. Internationalen Demokratiekonferenz: wir sprechen hier nicht nur über ein für die Stadt Leipzig wichtiges Thema sondern im Grunde über eines der höchsten Güter unserer Gesellschaft, das Verfassungsrang hat: über Demokratie.
Demokratie ist nie statisch zu verstehen, im Gegenteil: Demokratie bedeutet Bewegung, Dissenz und Meinungsstreit. Demokratie darf sich zudem nicht auf den Wahlakt aller x Jahre beschränken, im Gegenteil sie muss ständig gelebt und erprobt werden.
Doch gerade in der Gegenwart ist die Demokratie schwerwiegenden Eingriffen konfrontiert, und damit meine ich nicht zuförderst antidemokratische Einstellungen, die durchaus ein Problem sind, sondern ich meine die Aushöhlung demokratischer Rechte von Staats wegen.Überbordende Ordnungs- und Kontrollvorstellungen, aber auch die Ökonomisierung aller Lebensbereiche drohen in der Realität die Demokratie auszuhöhlen. Verwiesen sei auch auf das vor einer Woche gefällte harte Urteil gegen einen Antifaschisten, der sich an breit getragenen Protesten gegen den alljährlichen Naziaufmarsch in Dresden beteiligt hatte.
Damit geht das Vertrauen in dieselbe verloren, was sich u.a. in verheerend niedrigen Wahlbeteiligungen niederschlagen – sie kennen die Zahlen auch aus Leipzig – oder darin, dass Kernwerte der Demokratie wie Solidarität und Gerechtigkeit zunehmend verloren gehen.
Erfreulicherweise lassen sich gerade in Leipzig Beispiele finden, die zeigen, dass Menschen durchaus aktiv werden, wenn es um konkrete Belange dieser Gesellschaft geht, denken wir an das Bürgerbegehren gegen die Privatisierung kommunaler Unternehmen der Daseinsvorsorge oder das Engagement von zahlreichen Menschen für ein menschenwürdigeres Leben von Asylsuchenden im vergangenen Sommer.
Demokratische Teilhabe muss jedoch auch in Leipzig auf breitere Füße gestellt werden, und dafür ist es einerseits wichtig Demokatie im Alltag, jenseits des alle paar Jahre stattfindenden Wahlaktes, zu stärken und sich auf der anderen Seite den Zusammenhang zwischen sozialen Lebenslagen und demokratischer Teilhabe zu vergegenwärtigen. Wer um seine Existenz ringen muss, wird sich ungleich weniger beteiligen, wer ausgegrenzt wird, wird kein Vertrauen in die Demokratie gewinnen. Dies betrifft leider immer mehr, auch junge Menschen, auch in Leipzig.
Der Vorschlag, den wir heute erörtern, die Durchführung und Finanzierung der 3. Demokratiekonferenz will den Schwerpunkt auf Jugendliche und Jugendbeteiligung setzen. Eine richtige Schwerpunktsetzung.
Nichts desto trotz will ich ein paar kritische Worte finden. Dies betrifft vor allem die Frage der Einbeziehung von lokalen Akteuren, der Nachhaltigkeit des Vorhabens für den Alltag und die Finanzierung.
Auch wenn Dr. Giradet in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am Montag widersprach, dass es sich bei der Konferenz nicht um ein Prestigeprojekt handelt, will ich den Eindruck hier unterstreichen. Ja, es ist lobenswert, dass der eigentlichen Konferenz 30 Projektschultage und Veranstaltungen in der Volkshochschule vorgeschaltete sind und das Jugendliche eng in die Vorbereitung der Konferenz eingebunden werden. Doch trotz dieser Bemühungen wird die Wirkung vor allem auf von Teilhabe ausgeschlossene Jugendliche in dieser Stadt und auf demokratie-bezogene Alltagsprobleme aus meiner Sicht gering bleiben. Aber genau hier bräuchten wir verstärkte Bemühungen!
Ich möchte in diesem Zusammenhang unsere letzte Stadtratssitzung, in der wir den Haushalt 2013 auf den Weg gebracht haben, in Erinnerung rufen: dort haben wir die Frage der Aufstockung des Budgets für die Schaffung eines Jugendparlaments erörtet und eine Entscheidung getroffen, die die Jugendlichen, die in der Initiative Jugendparlament an diesem Ziel arbeiten, vor den Kopf gestossen hat. Auf Kosten von parteipolitischen Befindlichkeiten fand die Aufstockung der Stelle, die die pädagogische Begleitung der Initiative Jugendparlament leistet und daneben auch an der Schaffung von Beteiligungsstrukturen in den Stadtteilen arbeitet, keine Mehrheit. Stattdessen haben Erwachsene hier über die Köpfe der Jugendlichen beschlossen, was sie für den richtigen Weg halten. Genau so etwas stärkt Politikverdrossenheit. Und um dies mit Zahlen zu unterlegen: besagte Stellenaufstockung hätte 15.000 Euro gekostet. 11 % dessen, was uns die Demokratiekonferenz als Stadt kosten soll. Ebenso haben wir in dieser Stadtratssitzung über 10.000 Euro Zuschlag für den Lokalen Aktionsplan gesprochen, mit dem Basis-Projekte für eine demokratische, diskriminierungsfreie Kultur gefördert werden. Auch dieser, unser Antrag fand weder die Mehrheit ihrer Stimmen, liebe KollegInnen und Kollegen, noch die Zustimmung der Stadtverwaltung.
Kontinuierliche Struktur- und Projektarbeit minimal besser auszustatten, geht nicht, dafür aber 135.000 und damit 85.000 Euro mehr als noch vor zwei Jahren für ein Konferenzprojekt auszugeben, mit einem Finanzplan, der nicht besonders plausibel und stimmig ist?
Mir persönlich fällt die Zustimmung vor dem Hintergrund dem benannten Ungleichgewicht der Finanzierungsentscheidungen und angesichts meiner Erfahrung mit prekären, ehrenamtlich, aber mit viel Herz gestemmten Projekten, schwer.
Auch wenn ich sehe, wie engagiert die IdeengeberInnen und OrganisatorInnen bei der Sache sind.
Vielleicht können Sie diese Kritik bei der Ausrichtung der Konferenz bedenken und vielleicht ringen wir uns das nächste Mal durch die Initiativen und Projekte zu stärken, die im Alltag für eine demokratische Kultur arbeiten.
>>> zur Beschlussvorlage „III. Internationale Demokratiekonferenz 2013“