Das sächsische Innenministerium hat die Zahlen der Opfer, die seit 1990 in Sachsen durch rechts motivierte Gewalt zu Tode gekommen sind, überprüft und korrigiert. Demnach werden nun auch Patrick Thürmer (getötet 1999 während einer Schlägerei zwischen Neonazis und Punks in Hohenstein-Ernstthal, Tatmotiv: Hass auf politische Gegner) und Achmeld Bachir (erstochen 1996 im Zuge eines Übergriffes auf den Gemüseladen in Leipzig, in dem er arbeitete, Tatmotiv: Rassismus).
Pressemitteilung, 8.2.2012
Dazu erklärt Juliane Nagel, Stadträtin in Leipzig und aktiv im Initiativkreis Antirassismus, der sich in Sachen des rassistischen Mordes an Kamal Kilade engagierte:
„Die Überprüfung der Zahlen der Todesopfer rechter Gewalt in Sachsen war mehr als überfällig. Ich begrüße den Schritt des Innenministeriums und die Anerkennung von zwei weiteren Opfern. Damit wird die Lücke zwischen den Zahlen, die durch engagierte JournalistInnen erfasst werden und den staatlichen Zahlen zumindest kleiner. Während erstere für Sachsen 13 rechts motivierte Morde seit 1990 erfassen, erkennt die sächsische Landesregierung bis dato nur 7 – jetzt 9 – an. Ungeklärt ist bisher außerdem der letzte mutmaßlich rechts motivierte Mord an dem wohnungslosen Andre K. im Mai 2011 in Oschatz.“
In Leipzig sind seit 1990 nach den Recherchen der benannten JournalistInnen von ZEIT und Tagesspiegel sechs Menschen ermordet wurden, weil sie nicht ins Weltbild von Neonazis passten. Zuletzt wurde der 19-jährigen Kamal Kilade am 24.10.2009 von zwei Neonazis in der Nähe des Leipziger Hauptbahnhofes erstochen. Das Landgericht erkannte in seinem Urteil den rassistischen Tathintergrund an. Im Fall von Nuno Lourenco, der 1998 in Gaschwitz bei Leipzig von Neonazis so schwer geschlagen wurde, dass er wenige Monate später an den Folgen verstarb, kam es 11 Jahre danach aufgrund öffentlichen Druckes zur nachträglichen Anerkennung des rassistischen Tatmotives. Mit der Anerkennung von Achmed Bachir verbleiben noch verbleiben weitere drei Morde, die von den Behörden nicht anerkannt werden, obwohl ein rechts motivierter Tathintergrund erwiesen ist. Dies betrifft Klaus R. (erschlagen 1994, Tatmotiv: Sozialdarwinismus), Bernd Grigol (erstochen 1996, Tatmotiv: Homophobie) und Karl-Heinz Teichmann (erschlagen 2008, Tatmotiv: Sozialdarwinismus).
„Diskriminierung und menschenverachtende Gewalt müssen konsequent geächtet werden, damit es gar nicht erst zu Todesfällen kommt. Wie begrüßenswert der Schritt des sächsischen Innenministeriums ist, stimmt es bedenklich, dass dies erst im Eindruck der tödlichen Aktionen des Nationalsozialistischen Untergrunds und aufgrund massiven Drucks aus Zivilgesellschaft und Politik möglich war.
Nicht zuletzt fordere ich die verbleibenden drei Morde in Leipzig zu überprüfen und diese als rechts motiviert anzuerkennen.“
Pressemitteilung zum Thema von Kerstin Köditz, Mitglied des Sächsischen Landtages, 8.2.2012