Einzelpersonen und soziokulturelles Zentrum in Leipzig im Visier des Verfassungsschutzes – Information über skandalöse Grundrechtseinschränkung erfolgt erst mehr als 15 Jahre später
Etwa ein Dutzend Einzelpersonen und der Betreiberverein des soziokulturellen Zentrums Conne Island erhielten in den vergangenen Wochen offizielle Briefe des Landesamtes für Verfassungsschutz. Darin werden sie über ihre Person bzw. den Verein betreffende Einschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses – sprich über Überwachungsmaßnahmen informiert. Die Maßnahmen beziehen sich auf politische Aktivitäten in Leipzig, der konkrete Überwachungszeitraum liegt jeweilsmindestens 15 und bis zu 18 Jahren zurück. (siehe: http://www.conne-island.de/nf/213/21.html)
„Skandalös!“ meint die Leipziger Stadträtin Juliane Nagel. „Offensichtlich hat der Verfassungsschutz Ende der 1990er Jahre systematisch antifaschistische und linke AktivistInnen in Leipzig durchleuchtet und damit die wichtig Arbeit gegen die zu dieser Zeit akute Nazigefahr kriminalisiert. Während Nazis Menschen bedrohten, verletzten und sogar ermordeten, fokussierte sich der Staat auf die Menschen und Projekte, die sich genau gegen diese Gefahr engagierten. Das ist unfassbar!
Jenseits der Frage wie die massive Einschränkung der Grundrechte durch die Überwachungsmaßnahmen begründet wird, muss sich das Sächsische Innenministerium, das die Maßnahmen genehmigen muss, die Frage gefallen lassen, warum die Betroffenen erst jetzt informiert wurden.“
Das G-10-Gesetz, das die Eingriffe in § 10 Grundgesetz (Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses) regelt, schreibt eine Information unmittelbar nach Beendigung der Maßnahmen vor. Es sei denn die vom Parlament berufene G10-Kommission stimmt einer potentiellen Weiterführung der Maßnahme zu.
Mutmaßlich wurden die Betroffenen also über mehr als anderthalb Jahrzehnte als „Bedrohung für die freiheitliche demokratische Grundordnung“ angesehen.
„Dass neben zahlreichen Einzelpersonen und einem Buchladen mit dem Conne Island auch ein bundesweit anerkanntes und von der Stadt Leipzig gefördertes Kultur- und Jugendprojekt von der politisch motivierten Durchleuchtung durch den Verfassungsschutzes betroffen ist, drängt nach Erklärung. Ich unterstütze, dass Betroffene Akteneinsicht verlangen um die noch unklare Dimension der sie betreffenden Grundrechtseinschränkungen in Erfahrung zu bringen.
Darüber hinaus erwarte ich, dass auf Landtagsebene Rechenschaft sowohl über die Hintergründe der Überwachungsmaßnahmen, deren Ergebnis und die Frage der späten Information der Betroffenen abgelegt wird.“
Die aktuellen Fälle beweisen einmal mehr, dass die Behörde, die linkes, antifaschistisches Engagement unter Verdacht stellt, eine Behörde, deren Arbeit sich demokratischer Kontrolle entzieht, die Demokratie bedroht!“ so Juliane Nagel abschließend.