Prozessauftakt am 17.6.2011 am Landgericht Leipzig – Sächsische Opferberatungsstellen kategorisieren Mord an Kamal als rassistisch motiviert – bei Hausdurchsuchung in der Wohnung von Marcus E. in Erfurt werden Nazidevotionalien sicher gestellt
Mehr als einen Monat nach der Anklageerhebung durch die Leipziger Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Leipzig nun die Anklage gegen die mutmaßlichen Mörder von Kamal zur Hauptverhandlung zugelassen. Am 17. Juni soll der Prozess gegen Daniel K. und Marcus E. – unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen – beginnen. Weitere Verhandlungstermine sind für den 24.6.2011, 4.7.2011 und den 7.7.2011 angesetzt. Am 8.7. soll das Urteil gesprochen werden.
Marcus E. wird gefährliche Körperverletzung und Totschlag und Daniel K. gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt. Beide sollen Kamal in der Nacht vom 24. auf den 25.10.2010 geschlagen haben, wobei Daniel K. Pfefferspray und Marcus E. ein Messer eingesetzt haben soll. Die Staatsanwaltschaft konnte nach mehrmonatigen Ermittlungen „keine„hinreichenden Anhaltspunkte für eine ausländerfeindliche Motivation“erkennen. Die Nazikarriere von Daniel K. und die Affinität von Marcus E. zur Naziszene reichen ihr nicht aus. Marcus E., der das Messer gegen Kamal eingesetzt haben soll, war erst wenige Tage vor der Tatnacht am 24.10.2010 aus der Haft entlassen worden. Er trägt Tätowierungen tragen, die seine politisch rechte Gesinnung klar zum Ausdruck bringen. Ausserdem wurde bekannt, dass die Polizei bei einer Hausdurchsuchung in seiner Erfurter Wohnung Nazi-Stuff beschlagnahmt hat.
Laut der Leipziger Internetzeitung wird ein Gutachter in der Hauptverhandlung prüfen, ob gegen die Angeklagten Maßregeln der Besserung und Sicherung verhängt werden könnten. Auch ein forensisch-psychiatrisches Gutachten, das den Grad der Alkoholisiertheit der beiden Nazis zur Tatzeit ermitteln soll und zur „Entschuldigung“ der Tat beitragen könnte, steht noch aus.
Derweil führen die Opferberatungsstellen der RAA Sachsen den Mord an Kamal K. in ihrer Statistik rechtsmotivierter und rassistischer Angriff 2010 als rassistisch motiviert auf. Auch in der Statistik des Vorjahres findet sich ein rassistisch motivierter Mord: Marwa el-Sherbini wurde am 1.7.2009 im Landgericht Dresden von einem Nazi erstochen. Die beiden Taten sind die einzigen rechts motivierten Morde, die in den Jahren 2009/ 2010 von zivilgesellschaftlichen Initiativen bundesweit erfasst wurden.
Der Initiativkreis Antirassismus bereitet derzeit gemeinsam mit Familie und FreundInnen von Kamal eine Mobilisierung zum Prozessauftakt vor. Wenn – wie es sich durch Anklage-Inhalt und aktuelle Äußerungen des Pressesprechers der Leipziger Staatsanwaltschaft andeutet – im Gerichtssaal bagatellisiert werden soll, muss zumindest vor dem Gericht ein deutliches Zeichen gesetzt werden. Never forget!