Die Elsterwerke in der Holbeinstraße im Leipziger Stadtteil Schleußig, welche sich seit 2012 im Besitz der KSW GmbH befinden, sollen nach Vorstellung des Investors grundlegend saniert und zu hochwertigen Premium-Wohnungen ausgebaut werden. Die langjährigen Bewohner*innen der ehemaligen Industriebrache haben bereits die Kündigung ihrer Wohnungs-Mietverträge erhalten. Wortmeldung der Stadträt*innen Michael Schmidt (Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen), Mathias Weber (SPD-Fraktion) und Juliane Nagel (Linksfraktion)
Seit der Kündigung der Mietverträge haben sich mehrere seltsame und z.T. bedrohliche Vorfälle ereignet, deren Urheberschaft unklar ist, jedoch im zeitlichen Zusammenhang mit der laufenden Entmietung sehr bedenklich erscheinen. So wurden unter anderem Türen ausgebaut und Mieteinheiten abgerissen, ohne dass der Schutt beräumt wurde, Elektroleitungen blieben wochenlang ungesichert liegen. Auch ein Versorgungsanschluss wurde versehentlich zertrennt, so das Wasser in die Elektroanlage im Erdgeschoss sickerte. Mehrfach wurde die KSW GmbH schriftlich und telefonisch aufgefordert die Sicherheit im Haus wiederherzustellen. Doch der Eigentümer samt Hausverwaltung blieb untätig. Die beunruhigten Bewohner sollen nununter Androhung von Zwang und Vollstreckung innerhalb von vier Wochen ihre langjährigen Wohnungen räumen.
Zum Sachverhalt äußern sich die Stadträt*innen Michael Schmidt (Bündnis 90/Die Grünen), Mathias Weber (SPD) und Juliane Nagel (Die Linke) kritisch.
Juliane Nagel: „Mit den Elsterwerken in Schleußig würde Leipzig einen weiteren Ort alternativer, engagierter Lebens- und Wohnmodelle, die mit ihrem besonderen Flair die Stadtteile soziokulturell prägen und Ausdruck der lebendigen Vielfalt und Kreativität einer Stadt sind, verlieren. Die Bewohnerinnen und Bewohner haben über die Jahre die ehemalige Industrieimmobilie zu einem alternativen Wohnprojekt entwickelt, viele Kinder wohnen mittlerweile dort, gehen um die Ecke in die Kita oder Schule. Dass dies jetzt alles wegfallen und Wohnraum entstehen soll, der das Bestehende negiert und zudem in einer Preisklasse angebunden ist, den sich Studierende, Kreative und andere Menschen mit durchschnittlichem Einkommen nicht mehr werden leisten können, steht sinnbildlich für eine einkehrende Gentrifizierung. Beispiele der Entmietung, wie sie in der Holbeinstraße 28a vor sich geht, häufen sich in Leipzig. Dem muss zukünftig noch stärker als bislang mit einer Stadtentwicklung, die sich dem dauerhaften Schutz von Mietverhältnissen und insbesondere alternativen und bestehenden Wohnprojekten verpflichtet sieht, entgegengewirkt werden.“
Mathias Weber ergänzt: “Im Falle der Elsterwerke wurde der wesentliche Teil der gravierenden Brandschutzmängel erst von der KSW selbst verursacht, indem u. a. von leer stehenden Wohnungen und aus allgemein zugänglichen Gängen Brandschutztüren entfernt wurden. Das danach von der KSW selbst in Auftrag gegebene Brandschutzgutachten konnte somit zu keiner anderen Einschätzung kommen. Im Anschluss wurde noch die Feuerwehr durch das Objekt geführt. Die Folge: Dem Bauordnungsamt ergeht ein Hinweis der Branddirektion, welches anschließend eine umgehende Nutzungsuntersagung den MieterInnen anordnete.
Hierin liegt die Crux. Die Stadtverwaltung darf nicht noch zum Handlanger von Luxussanierern werden, die ihre Altmieter kostengünstig los werden wollen. Auch in Schleußig gilt §14 Absatz 2 des Grundgesetzes: Eigentum verpflichtet! Diese Verantwortung ging auch die KSW mit dem Kauf des Objektes und der Übernahme der Mietverträge ein. Die Unbewohnbarkeit von Mietsachen bedeutet in der Regel 100% Mietminderung, die Zurverfügungstellung von Ersatzwohnungen und die schnelle Beseitigung der Defizite. Im Zweifel wird das ein Zivilgericht klären. Die MieterInnen, die nun binnen kürzester Zeit ihr Zuhause aufgeben und umziehen sollen, müssen jetzt längere Räumungsfristen von der Stadt erhalten.“
Michael Schmidt: „Mich schockiert in diesem Zusammenhang die Vorgehensweise des Investors. Die KSW ist ein Bauträger, der in der gesamten Stadt agiert und unmittelbar vor der Aufnahme seines Vorzeigeobjektes, der Sanierung der alten Hauptpost, steht und für mich mittlerweile in einem anderen Licht erscheint. Wie ich gehört habe, war die KSW zu keinem Zeitpunkt bereit, offene Gespräche mit den Bewohnern der Elsterwerke zu suchen. Die KSW sorgt mit ihrem Vorgehen für neue traurige Verhältnisse in Leipzig und disqualifiziert sich in meinen Augen als Partner der Stadt.
Generell erwarte ich von Seiten aller Investoren einen fairen Umgang mit den Mietern und eine Gesprächsbereitschaft zur Lösungsfindung. Hier muss die Stadtverwaltung ihren Einfluss stärker ausüben. Vorstellbar ist dies auch über die Entwicklung einer Mieterberatung, die gerade auch für die Sanierungsgebiete Mittler zwischen Mieter und Vermieter oder Investoren sein kann. Kurzfristig muss ein Mediationsforum einberufen werden. Wir fordern den Oberbürgermeister daher auf, schnellstens mit dem Investor in Kontakt zu treten und ihn mit den Mietern an einen Tisch zu bringen, um im Sachverhalt um die Elsterwerke und ihrer Bewohner einer einvernehmlichen Lösung zu erreichen.“
Pressemitteilung vom 16.5.2014