Von Deeskalation war im Vorfeld des Jahreswechsel in Bezug auf das Connewitzer Kreuz viel zu lesen. Die „präventiven“ Maßnahmen, die in der Silvesternacht am Kreuz zum Einsatz kamen, glichen denen der Vorjahre: … ein Alkohol-Verkaufsverbot, beräumte Glascontainer, präventiv entglaste Haltestellenhäuschen, mit Holz verkleidete Reklameschilder und Polizeipräsenz ließen die Wiederholung des Immer selben vermuten. Die Frage ob der neue Rewe-Glas-Palast die Nacht schadlos überstehen würde, schien die spektakulärste dieser Nacht zu sein.
Zur Sache ging es in der Neujahrsnacht allerdings an anderen Orten. In Borna und Berlin-Hellersdorf wurden Silvesterraketen und Böller gegen die dortigen Asylunterkünfte gerichtet. In Hellersdorf gingen dabei Scheiben zu Bruch. Die Silvesternacht bot enthemmten RassistInnen also einen willkommenen Anlass Gewalt gegen Unterkünfte von schutzsuchenden Menschen auszuüben.
Nicht nur dies zeigt, dass Solidarität mit und Unterstützung von Geflüchteten für eine politische Linke auch im neu angebrochenen Jahr einer der dringlichsten Herausforderungen bleibt.
Doch zurück in den Leipziger Süden: Seit vielen Jahren spinnt sich um Silvester am Connewitzer Kreuz ein Mythos. Manch eineR meint, dass hier vorrevolutionäre Stimmung aufkommen würde und verwechselt die identitären Spielchen mit der Polizei mit politischer Intervention. Die Staatsmacht wiederum spielt dieses Spiel, tatkräftig von Medien unterstützt, mit, indem sie dem Umgang mit der Feierei am Kreuz Jahr für Jahr zum Politikum werden lässt.
In diesem Jahr schien sich der Mythos anfangs in Luft aufgelöst zu haben. Nur kleine Polizei-Grüppchen waren am Ort zu sehen. Mehrere Hundert Menschen starteten mit Sekt und Knallerei ins Neue Jahr.
Eine Stunde nach Mitternacht drehte sich die Stimmung. Eine Ingewahrsamnahme nahmen ein paar Leute zum Anlass Dinge auf die Polizei-Stoßtrupps zu werfen. Diese zogen nun in größerer Zahl auf und begannen zu filmen.
Eine handvoll Polit-AktivistInnen versuchten die Situation zu deeskalieren und auf tatsächliche politische Herausforderungen aufmerksam zu machen, in dem sie mit einem Transparent „Bleiberecht für Lampedusa-Flüchtlinge“ auf die Kreuzung traten. Die Intervention transformierte sich schnell zur Demonstration. Rund 200 Menschen schlossen sich an und liefen fast bis zur Richard-Lehmann-Straße, drehten um und nahmen den Weg nach Connewitz zurück. In der Biedermannstraße stoppte die Polizei den Zug, der sich daraufhin schnell auflöste.
So richtig war es nicht gelungen die Scharmützel durch die gemeinsame politische Meinungskundgabe zu ersetzen. Insgesamt fünf Personen sollen in dieser Nacht in Gewahrsam genommen worden sein. Auch später brannte hier und da im Kiez eine Mülltonne.
Übrigens hatte die Polizei wie im Vorjahr auch Wasserwerfer aufgefahren. Diesmal den „Wawe 1000“. Von Deeskalation zeugt das kaum.