Redebeitrag auf der StopWatchingUs-Demonstration am 27.7.2013 in Leipzig
Um über überbordende Überwachung zu sprechen, müssen wir keineswegs über die kontinentalen oder über die Landesgrenzen hinwegschauen. Leipzig gilt als Modellprojekt in Bezug auf die Überwachung öffentlicher Räume.
Nach 1989 dauerte es nicht lange bis sich die ausgewechselten Behörden besannen und ein neues System der Überwachung installierten. 1996 wurde die erste polizeiliche Videokamera am Hauptbahnhof installiert. 1999 folgten die am Roßplatz und am Martin-Luther Ring. Kriminalitätsprävention diente als Legitimation dieser Maßnahmen. Dabei ist längst bekannt und erwiesen: Kriminalität wird durch die elektronischen Augen keineswegs verhindert, sondern verdrängt. Kameras sind nicht in der Lage Straftaten während sie verübt werden zu vereiteln, wenn überhaupt wird ihre Aufklärung erleichtert. Dieser wenig überzeugenden Wirkungsweise stehen die Einschränkung der Bewegungsfreiheit und der Verlust der Kontrolle über die eigenen Daten gegenüber.
Doch so wie Regierungsparteien in Zeiten der Fußball-WM unbemerkt tief greifende soziale und demokratiebezogene Einschnitte vornehmen können, so verhält es sich mit dem Erdulden und Vergessen des alltäglichen Grundrechtseingriffes.
Waren besagte drei Kameras eher unumstritten, lag die Sache bei der polizeilichen Videoüberwachung am Connewitzer Kreuz anders. Das Connewitzer Kreuz ist der zentrale Platz des Viertels im Leipziger Süden, Startpunkt von linken Demonstrationen, Treffpunkt und Aufenthaltsort für verschiedenste Menschen dies- und jenseits des Mainstreams. Als dort 1999 eine Polizeikamera installiert wurde, gab es über eine ganze Woche lang täglich Protestdemonstrationen. Eine spektrenübergreifende Kampagne gegen die Überwachung öffentlicher Räume analysierte die Maßnahme als politisch, da gegen die linke Szene im Stadtteil und gegen einen vermeintlichen sozialen Ballast, der seine Tage an der „Kaufhalle am Kreuz“ verbringt, gerichtet.
Das Connewitzer Kreuz war und ist kein so genannter Kriminalitätsschwerpunkt, sondern wurde dazu gemacht. Damit wäre auch das zentrale Motiv von derartigen Überwachungsmaßnahmen beschrieben: die Konstruktion von gefährlichen Orten, an denen die Schwelle für den Eingriff von repressiven Maßnahmen staatlicher Organe sinkt, an denen Menschen, die nicht in den Mainstream passen, zu potentiell Verdächtigen gemacht werden, Orte an denen die vorherrschende Vorstellung von Normalität durchgesetzt werden soll.
Während der Protest gegen die Normalisierung der Videoüberwachung im Süden der Stadt sukzessive verstummte, wurde im Osten, in der Eisenbahnstraße, die nächste Kamera im öffentlichen Raum installiert. Diesmal sind es nicht Linke und Alternative, die im Fokus sind, sondern DrogenkonsumentInnen.
Die fünf Kameras im öffentlichen Leipziger Raum werden flankiert durch die Überwachung der Straßenbahnen, durch 700 private Kameras im Innenstadtbereich, Kameras am Arbeitsplatz oder auf Demonstrationen. Ob privat oder staatlich: die visuelle Überwachungstechnik gehört in Leipzig integral zum Alltag. Sie soll für soziale Kontrolle, gegen kritische Meinungen und gegen ungewollte gesellschaftliche Gruppen wie Wohnungslose, DrogenkonsumentInnen oder MigrantInnen wirken.
Kaum mehr jemand stört sich an dieser permanenten Beobachtung. Hat sich für die einen ein Gewöhnungseffekt eingestellt, stimmen nicht wenige reaktionären Konformitäts- und Ordnungsvorstellungen zu. „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten ..“ so der Leitspruch dieser Ideologie.
Wir meinen: wir haben etwas verbergen. Unsere Daten gehören uns. Weder Staat, noch Privatwirtschaft noch NachbarInnen haben einen Anspruch darauf uns unter Generalverdacht zu stellen und in unsere Privatsphäre einzudringen. Schluss mit sozialer Kontrolle, Verdrängung und Konformitätsdruck. Soziale Lösungen statt Überwachung!
Das Kaufverhalten ist bereits analysiert, deine Post wird digital gelesen fragt sich nur noch ob oder wer fest legt mit wem ich schlafen darf und mit wem nicht …und wo.. kranke Welt zu glauben das ne Kamera was ändert wo sie es sollte…nur bei der Politik ist alles hinter sicheren Türen.