Meine Rede zum Antrag Überprüfung im Amt für Jugend, Familie und Bildung vor dem Hintergrund verschiedener Vorfälle (Tod einer Leipziger Mutter und ihres Kindes; Serie von Aktivitäten einer verhaltensauffälligen Kinder- und Jugendclique) in der Stadtratssitzung am 19.6.2013
Der heute vorliegende Antrag zur grundlegenden und externen Überprüfung des Amtes für Jugend, Familie und Bildung vor dem Hintergrund verschiedener Vorfälle – Stichwort Tod einer Mutter und ihres Kindes in Gohlis und verhaltensauffällige Zwillinge – ist mit der Entbindung des Amtsleiter S. Haller von seinen Aufgaben Anfang März keineswegs überholt.
Der im November durch meine Fraktion eingereichte Antrag war Ergebnis einer langen und kontroversen öffentlichen und auch innerfraktionellen Diskussion. Ziel ist und war es die Diskussion weg von einer Personalie hin zu möglichen strukturellen Problemen eines immer wichtiger und größer werdenden Amtes und des ASD als kommunalem Sozialdienst zu leiten: Und wir halten daran fest: auch wenn persönliche Unzulänglichkeiten eine Rolle gespielt haben mögen – nebenbei sind die Gründe für die Entlassung Herrn Hallers bis heute nicht transparent gemacht worden – vermuten wir strukturelle Probleme.
Doch lassen sie mich zurückschauen:
Mit der Fusion von Schulverwaltungs- und Jugendamt zum Amt für Familie, Jugend und Bildung im März 2011 ist ein Megaamt geschaffen worden. Dabei sind im Amt nicht nur die Felder gebündelt, die sozialpolitisch brisant sind, sondern auch die die dringlich und arbeitsintensiv sind: der verschlafene Geburtenboom schlägt sich in riesigem Druck Kitaplätze und Schulen zu schaffen nieder. Das klappt mehr schlecht als recht. Vor allem aber scheinen in so sensiblen Arbeitsbereichen wie dem Kinderschutz und den Hilfen zur Erziehung Fehlleistungen eingetreten zu sein. Die heeren inhaltlichen Ziele, die seinerzeit in der Grundsatzentscheidung zur Zusammenführung der Ämter formuliert worden – sind diese wirklich erfüllt oder sind es nur die strukturorientierten Verschlankungsziele? Hat die starke Fokussierung auf den Bildungsbereich nicht dazu geführt, dass Grundfunktionen vor allem des Jugendamtes aus dem Blick geraten sind?
Um dies zu überprüfen wollen wir einen fachlichen Außenblick auf die Zielbestimmung der Ämterfusion werfen lassen. Und dafür reichen die im Verwaltungsstandpunkt erwähnten Organisationsuntersuchungen in einzelnen Sachgebieten nicht aus – so wird das Pferd falsch herum aufgezäumt.
Der zweite Punkt des Antrages richtet sich auf den Allgemeinen Sozialdienst. Auch wenn mit der Personalveränderung und der neuen, amtierenden Leiterin hier viel negativer Druck herausgenommen wurde, halten wir auch hier an unserer Forderung einer grundsätzlichen Überprüfung von Prozess- und Verfahrensstandards sowie der personellen und finanziellen Ausstattung fest. Seit Ewigkeiten wird die nicht nur von meiner Fraktion geforderte Evaluation des ASD nach der Umstrukturierung von der Verwaltung ausgesessen. Uns liegen Beschwerden über den ASD-internen Druck oder über den Verlust an Bindungen zwischen SozialarbeiterInnen und KlientInnen vor. Von SozialarbeiterInnen aus dem ASD, denen die mit dem ASD zu tun haben und von Anbietern von Hilfen zur Erziehung, die immer wieder über viel zu komplizierte und lange Verfahrenswege auf dem Weg zur Gewährung der Hilfen berichten. Wir nehmen diese Beschwerden sehr ernst und wollen, dass die Verwaltung dies auch tut und das Aussitzen beendet. Die im Verwaltungsstandpunkt erwähnte Untersuchung der fachlichen Prozesse mit der Hochschule Mittweida reicht uns nicht. Wir müssen Entscheidungen auch bereit sein grundsätzlich und kritisch zu hinterfragen – und das ergebnisoffen! In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal daran erinnern was der Umstrukturierung des ASD vorausging: eine Organisationsuntersuchung, die in erster Linie Effizienz-Kriterien folgte. Der Stellenmehrbedarf von 20 VzÄ der vor der Untersuchung angemeldet wurde, wurde damit auf 9,87 eingedampft. Wir meinen auch heute, dass im sozialen Bereich andere Kriterien als in einem Wirtschaftsunternehmen gelten müssen.
Für beide genannten Punkte gilt: wir sperren uns nicht schlüssigen Strukturveränderungen und sinnvollen Synergien, allerdings nicht zu lasten der Qualität und der Menschen, die Unterstützung, Begleitung und Krisenintervention bedürfen.
Zum dritten Punkt des Antrages: Aber auch hier will ich die mäßige Bereitschaft der Verwaltung offensiv und lösungsorientiert zu handeln in Erinnerung rufen. Im Jugendhilfeausschuss mussten wir Informationen zu den beiden herausgehobenen Fällen wieder und wieder erkämpfen.
Zwar wurde uns eine fundierte gutachterliche Stellungnahme, die die Arbeitsweise des ASD in den Blick nahm, präsentiert. Wie mit den Empfehlungen – u.a. eine weniger symptomorientierte Bearbeitung der Fälle, mehr Kontinuität in der Fallbearbeitung, mehr Personal und Weiterbildungen – umgegangen wird, wissen wir bis heute nicht.
Wir erkennen nichts desto trotz an, dass sich mit dem neuen Schutz- und Kontrollkonzept des ASD bei Kindeswohlgefährdung, das die gefährdete Gruppe von Kindern drogenabhängiger und substituierender Eltern besonders in den Blick nimmt, etwas getan hat. Der Verwaltungsstandpunkt kommt unserem Anliegen in dieser Hinsicht am nächsten.
Sehr geehrte Damen und Herren StadträtInnen. Die Debatten, die nach den Todesfällen und in Bezug auf die Zwillinge geführt wurden, waren oft populistisch und durch einseitige Schuldzuweisungen geprägt. Das ist bei solch drastischen Fällen keine Ausnahme. Wir haben uns in den Diskussionen und der Öffentlichkeitsarbeit bemüht die Debatte auf eine fachliche Ebene zurückzuholen und haben die Transparenz eingefordert, die für uns ehrenamtliche StadträtInnen wichtig ist um richtige Einschätzungen zu treffen. Der Tod von Menschen, Suchtkrankheit oder verfehlte Lebenswege von Jugendlichen sind keine Themen für politische Ränkespiele. Es muss um verlässliche Strukturen und Ansprechpersonen gehen, die dort Unterstützung leisten, wo sie gebraucht wird.
Aus diesem Grund bitten wir Sie um Zustimmung zu unserem Antrag!
Rede zum Antrag 348 Der Fraktion DIE LINKE „Überprüfung im Amt für Jugend, Familie und Bildung vor dem Hintergrund verschiedener Vorfälle (Tod einer Leipziger Mutter und ihres Kindes; Serie von kriminellen Aktivitäten einer Kinder- und Jugendclique)“. Ihm wurde im Punkt 1 zugestimmt. Die Punkte 2 und 3 wurden hingegen abgelehnt.