Am 24.2.12 fand am Landgericht in Leipzig der Prozess gegen sechs Männer, denen Totschlag bzw. unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen wird, seine Fortsetzung. Fünf von ihnen sollen am 25.5.2011 in Oschatz den wohnungslosen André K. mit Tritten und Schlägen so schwer verletzt haben, dass dieser wenige Tage später verstarb. Der sechste soll sich in der Nähe des Tatortes befunden und weder eingegriffen noch im Nachhinein die Polizei verständigt haben. Seit dem Prozessauftakt am 6.12.11 hatten so genannte „Schiebetermine“ stattgefunden, in denen nicht unmmittelbar den Tathergang betreffende Fragen abgearbeitet wurden.
Am 24.2. ging es nun zur Sache: zwei Geständnisse und einige Anhaltspunkte, die von ZeugInnen eingebracht werden konnten, erhärteten den Tatvorwurf, kaum aber die Motivation.
David O. (17) und Sebastian B. (26) zeigten sich geständig. Beide verwiesen auf eine „Rädelsführerschaft“ des 27-jährigen, ebenfalls angeklagten, Ronny S.. Dieser hatte die Gruppe an jenem Abend zuerst animiert Danilo H. zu suchen, um bei jenem „Schulden“ einzutreiben. Als der Betreffende von der Gruppe, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits dem Bierkonsum hingab, nicht gefunden wurde, schlug Ronny S. ein neues Opfer vor: André K.. Auch hier wurde von S. das “Schulden eintreiben“ als Begründung angeführt.
Die Männer machten sich auf den Weg zum Oschatz-Park, wo der stadtbekannte – nach Aussagen eines Zeugen „überaus liebenswürdige“ – Wohnungslose sich des Öfteren aufhielt. Als sie ihn dort nicht auffanden, zogen sie weiter zum Südbahnhof. Dort trafen sie K. tatsächlich – schlafend in einem Wartehäuschen – an. Zu viert begannen sie auf den Wehrlosen einzutreten und einzuschlagen. Sebastian B. und Ronny S. zielten dabei mehrfach auf den Kopf, Sebastian B. zückte sogar ein Samuraischwert und setzte an, K. in den Bauch zu schlagen, er traf allerdings nicht, die Spitze des Schwertes landete auf dem Boden und brach ab.
Der geständige David O. stand nach eigenen Aussagen zuerst abseits des Geschehens, bewegte sich dann allerdings zur Gruppe und trat ebenfalls auf André K. ein, „aus Gruppenzwang“, begründete er dies in der Verhandlung am 24.2..
Die Brutalität und Gleichgültigkeit der Täter schockiert. Es bleibt die Notwendigkeit intensiver auf die Motive der Tat einzugehen, die kaum im „Schuldeneintreiben“ zu suchen sein dürften. Vielmehr scheint es sich um ein Gemisch aus Abgestumpftheit und der Lust einen Menschen zu erniedrigen, der in der sozialen Hierarchie weiter unten steht, zu handeln.
Dass Ronny S., der die Gruppe an jenem Tag animiert hat, zum mordenden Mob zu werden, selbst ein Nazi ist und engen Kontakt zur organisierten Naziszene in Oschatz hat, spielt dabei fast eine untergeordnete Rolle. Vermeintlicher Gruppenzwang gepaart mit einem verinnerlichten Abwertungsdenken ließen die Männergemeinschaft einen Gewaltexzess veranstalten, der zum Tod des gezielt ausgesuchten Opfers führte. Nach Aussagen des Zeugen H. hätten zwei der Angeklagten den schwer Verletzten sogar noch mit dem Kopf auf die Eisenbahnschienen gelegt.
„Moralisch auf der tiefsten Stufe“ bewertete die Richterin im bekannten Fall des Mordes an Marinius Schöbel in Potzlow das Verhalten der Täter. Es ist unvermeidlich Parallelen zur Tötung von André K. zu ziehen.
Die Verhandlung wird am 6.3. am Landgericht Leipzig fortgesetzt. Dann werden sechs weitere Zeugen gehört. Im Übrigen ist von den bisher schweigenden vier Angeklagten kein Geständnis zu erwarten, wie es bei David O. der Fall war. Dieser redete selbst und ließ Fragen zu, während Sebastian B. von seinem Anwalt eine Stellungnahme verlesen ließ und Nachfragen ausschloß. Ähnlich werden es die verbliebenen mutmaßlichen Tätern handhaben.
Presseberichterstattung zur Verhandlung am 24.2.2012
* Tod eines Obdachlosen in Oschatz – 17-Jähriger gesteht vor Gericht Tritte gegen das Opfer (LVZ-online, 24.2.2012)
Getöteter Obdachloser in Oschatz: Erste Geständnisse im Gerichtsprozess (Leipziger Internetzeitung, 25.2.2012)
Ein Gedanke zu „5. Prozesstag und eigentlicher Prozessauftakt gegen die mutmaßlichen Mörder von Andre K.“