Aufruf zur Solidarität gegen das Verbot der Plattform Indymedia linksunten und zur Kundgebung anlässlich des Prozessauftaktes am 29. Januar 2020 am Bundesverwaltungsgericht Leipzig:
Am 29.1.2020 soll am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über die Rechtmäßigkeit des Verbots der Internetplattform Indymedia linksunten verhandelt werden. Indymedia linksunten wurde 2008 als Ableger des globalen Indymedia-Netzwerks gegründet. Es versteht sich als offenes Medienangebot, als Raum, der dezentral von den verschiedensten Akteur*innen zur Publikation von linken Inhalten genutzt wird.
Am 25. August 2017 wurden in Freiburg die Privatwohnungen von fünf Personen sowie ein autonomes Kulturzentrum mit einem großen Aufgebot an Polizei durchsucht und technische Geräte, Speichermedien, aber auch Bücher, private Notizen, Flyer und andere Gegenstände sichergestellt. Grund für die Durchsuchung war die Vollziehung einer Verfügung des Bundesinnenministeriums (BMI), mit welcher die Internetplattform linksunten.indymedia.org verboten wurde.
Der juristische Trick war dabei, Indymedia linksunten als „Vereinigung“ zu deklarieren, um das Instrument des Vereinsrechts anwenden zu können. So konnten die deutlich höheren Anforderungen für ein Verbot nach dem Telemediengesetz umgangen werden. Dem angeblichen Verein wurde vorgeworfen, sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung zu richten, weil auf der Plattform unter anderem auch Gewaltaufrufe publiziert worden wären. Für solche strafrechtlich relevanten Fälle sehen die Gesetze – in diesem Fall das Telemediengesetz und der Rundfunkstaatsvertrag – allerdings ein anderes Vorgehen vor. Das Verbot wurde also über den Umweg des Vereinsrechts vorgenommen, wohl wissend, dass dies dem Innenministerium nach dem eigentlich maßgeblichen Medienrecht der Länder nicht möglich gewesen wäre.
Wer den Verein „linksunten.indymedia“ darstellen soll, ist vollkommen unklar. Beweise, dass es die Menschen sind, bei denen Durchsuchungen stattgefunden hatten, gibt es keine. Die beschlagnahmten Festplatten konnten von den Behörden nicht entschlüsselt werden. Die eingeleiteten Strafverfahren wurden im August 2019 eingestellt. Auch die Ermittlungen aufgrund einer Anzeige eines Burschenschafters und AfD-Funktionärs wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ wurden vorläufig vorläufig eingestellt.
Indymedia linksunten ist ein strömungsübergreifendes, linkes Pressemedium, die offene Publikationspraxis ist durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit geschützt. Das Verbot über das Vereinsrecht war ein politischer Akt, eine Geste der versuchten Einschüchterung gegen die politische Linke an sich. Dem Verbot vorausgegangen waren vielfältige Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg. Infolgedessen und vor der Bundestagswahl 2017 sollte ein Zeichen der Stärke und der Einschüchterung nach links gesetzt werden.
Wir sind sicher: Die Verbotskonstruktion ist unhaltbar. Wir gehen davon aus, dass das Verbot für rechtswidrig erklärt wird und dass die Plattform damit ihre Arbeit wieder aufnehmen kann.“
Es geht um nicht weniger als die Pressefreiheit und die Möglichkeit zum freien, politischen Meinungsausdruck.
Dieser Aufruf wird unterstützt von:
– Komitee für Grundrechte und Demokratie
– Digitalcourage e.V.
– Humanistische Union
– Chaos Computer Club
– freiheitsfoo
– Bundesarbeitskreis kritischer Juragruppen (BAKJ)
– Cilip – Informationsdienst Bürgerrechte & Polizei
– Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ)
– Arbeitskreis Kritischer Jurist*innen Freiburg (AKJ)
– BaSo (Basisinitiative Solidarität) Wuppertal
(weiter Unterstützungserklärungen von Organisationen und Initiativen bitte an: kontakt@linXXnet.de).
Meinungen zum linksunten-Verbot
„Um gegen strafbare Inhalte auf linksunten.indymedia vorzugehen, hätte es weniger einschneidende Mittel gegeben. Dass die Bundesregierung ein trotz allem journalistisches Online-Portal durch die Hintertür des Vereinsrechts komplett verbietet und damit eine rechtliche Abwägung mit dem Grundrecht auf Pressefreiheit umgeht, ist rechtsstaatlich äußerst fragwürdig. International ist das ein bedenkliches Signal und liefert repressiven Regimen in aller Welt einen Vorwand, es den deutschen Behörden gleichzutun.“
(Christian Mihr, Geschäftsführer Reporter ohne Grenzen)
„Dass in Zeiten des zunehmenden Rechtsrucks der Gesellschaft und des Erstarkens populistischer und autoritärer Tendenzen mit solchen Angriffen auf demokratische Grundrechte zu rechnen ist, liegt auf der Hand. Wenn aber eine journalistische Plattform durch die Hintertür mit den Mitteln des Vereinsrechts verboten werden kann, verkommt das Grundrecht der Pressefreiheit zur Makulatur. Ein engagierter Kampf nicht nur auf juristischer, sondern auch auf zivilgesellschaftlicher Ebene gegen das Verbot von „linksunten“ ist deshalb dringend erforderlich.“ (Angela Furmaniak, Rechtsanwältin und Mitglied im Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein RAV)
„Das Verbot von linksunten indymedia war nicht verfassungskonform. Denn verboten wurde in der Konsequenz nicht irgendeine Vereinigung, sondern ein Medienangebot, dass insbesondere zur Verbreitung von Meinungen genutzt wurde. Es steht damit unter dem Schutz der Meinungsfreiheit Artikel 5, Absatz 1 Grundgesetz“. (Maren Leifker / Christine Meissler im Grundrechtereport 2018)
Am 29. Januar 2020 veranstaltet die Initiative für Pressefreiheit zwischen 14:00 und 16:00 eine Kundgebung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, parallel zum dort beginnenden Prozess.
Bereits am 25. Januar wird in Leipzig zum Protest gegen das Verbot aufgerufen.