Rede zur Vorlage „Anpassung der Elternbeiträge für die Betreuung der Kinder in den Kindertageseinrichtungen und Tagespflege der Stadt Leipzig“, mit der die Elternbeiträge erhöht werden sollen. Ein Änderungsantrag der Linksfraktion zur Minderung der Erhöhung wurde von der großen Mehrheit des Stadtrates abgelehnt
Anrede
Die stagnierende Kita-Pauschale ist ein Grund dafür, dass die Stadt Leipzig nun den Eltern tiefer in die Tasche greifen will, um genug Geld für die Ausfinanzierung des in diesem Jahr anfallenden Mehrbedarfes zu decken.
Ich will sehr bewusst an den Anfang des Redebeitrages setzen, dass es nicht länger tragbar ist, dass der Freistaat den Kommunen und Kreisen und den Eltern, das Gros der Kosten für Kitaplätze überlässt. In ihrer finanziellen Notsituation erhöht die Stadt vor diesem Hintergrund die finanzielle Mehrbelastung für Eltern und Freie Träger. So logisch das klingen mag, so wenig können wir dies in der Form mittragen, wie es die Stadtverwaltung vorschlägt.
Im Februar 2010 hat meine Fraktion der Verkoppelung der Elternbeiträge mit den Betriebskosten – sprich Personal- und Sachkosten – mit den Elternbeiträgen zugestimmt, d.h. dass die Elternbeiträge in einem fest gesetzten Rahmen an die jährlich variierenden Kosten angepasst werden.
Ein zentraler Grund für dieses positive Votum war, dass wir damit die prozentuale Beteiligung der Eltern an den Betriebskosten auf niedrigem Niveau festgeschrieben haben, nämlich in der Krippe bei 21 % statt wie im Sächsischen Kitagesetz zugelassenen 23 % und im Kindergarten bei 24 statt 30 %. Die Stadtverwaltung will diese Festschreibung mit der Vorlage verwerfen und die Beteiligung der Eltern erhöhen. In der Krippe soll mit 23 % sogar die Obergrenze der prozentualen Beteiligung der Eltern erreicht werden.
Die Mehreinnahmen, die aus dieser Erhöhung der Elternbeiträge resultieren – das sind 1,5 Millionen Euro – sollen die Mehrausgaben für Kindertagesbetreuung kompensieren, die im kommenden Jahr notwendig sind. Ein weiterer Teil dieser Mehrausgaben, nämlich 2,5 Millionen Euro, sollen durch die Absenkung der Pauschale für Träger von Kindertagesbetreuung und die Erhöhung der Beteiligung der Freien Träger von Kita an den Betriebskosten zusammen kommen – ein Thema, das wir im Rahmen der Haushaltsdebatte und aktuell im Jugendhilfeausschuss in aller Emotionalität auf dem Tisch haben. Diese Maßnahmen lösen – wie wir heute an den Präsenz von Vereinen, Eltern, Beschäftigten … sehen konnten – massiven Protest aus. Berechtigterweise befürchten Eltern einen Verlust an Qualität der Betreuung ihrer Kinder. Erzieherinnen und Erzieher befürchten weniger Lohn bei wachsender Arbeitsleistung. Träger werden gezwungen darüber nachzudenken ihre Leistungen einzuschränken und werden gezwungen die engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kita schlechter zu bezahlen. Das kann und darf in unseren Augen nicht sein.
Meine Fraktion wird der Vorlage zur Erhöhung der Elternbeiträge in dieser Form nicht zustimmen können und legt ihnen mit einem Änderungsantrag einen Kompromissvorschlag vor.
Anstelle der von der Verwaltung vorgeschlagenen 23 % in der Krippe sollen es nur 22 % und statt 27 % im Kindergarten nur 25,5 % Beteiligung der Eltern an den Betriebskosten sein. Das würde für das kommende Jahr eine Mehrbelastung von monatlich 7,79 Euro in der Krippe statt wie von der Verwaltung vorgesehen 16,59 Euro und im Kindergarten plus 5,56 Euro statt 11,65 Euro bedeuten.
Wir legen diesen Kompromiss vor und stimmen nicht nur gegen die Vorlage, weil uns durchaus bewusst ist, dass der Ausbau der Kindertagesbetreuungsplätze für die Stadt mit erheblichen finanziellen Aufwand verbunden ist. Der Hintergrund ist dabei durchaus ein erfreulicher: die Geburtenrate wächst, in diesem Jahr ist mit wiederum mehr Geburten zu rechnen als im vergangenen Jahr, als die Stadt mit 5.303 Neugeborenen ihren Spitzenwert seit 1989 erreicht hat.
Doch das Mehr an Kindern bedeutet auch ein Mehr an Kosten. Dem muss sich die Stadt Leipzig stellen.
Kinder brauchen zum Aufwachsen gute Rahmenbedingungen. Eine qualitativ hochwertige und frei zugängliche frühkindliche Bildung ist ein essentieller Bestandteil dessen.
Wir kennen die erschreckenden Zahlen, 1/3 der Kinder in Leipzig leben von Sozialgeld, und auch die Eltern, die ihr Geld aus Erwerbseinkommen beziehen, sind zunehmend arm.
Vor diesem Hintergrund erfüllen uns steigende Elternbeiträge mit Sorge. Wir wollen den Besuch einer Kindertagesstätte für alle bezahlbar halten. Dabei sind wir uns durchaus bewusst, dass ein Viertel der Kinder, die Leipziger Kindertageseinrichtungen besuchen beitragsbefreit sind oder ermäßigte Beiträge zahlen, ein großer Teil aus sozialen Gründen. Doch wie viele Eltern mit geringen Einkommen, fallen aus dem Raster der Beitragsermäßigung oder -befreiung heraus? Und verfolgen wir nicht grundsätzlich das Ziel eines gebührenfreien Kitaplatzes für alle Kinder?
Noch ein kurzes Wort zu den Vergleichen mit Elternbeiträgen in anderen Städten, die der Vorlage anhängt. Die Vergleiche führen leider auf eine falsche Fährte, sind teilweise einfach schief. Der bspw für die Stadt Halle ausgewiesene Elternbeitrag für die Krippe in Höhe von 180 Euro bezieht sich auf einen 10 Stundenplatz, dieser würde in Leipzig 238,45 Euro kosten, ist also teurer. In Hamburg werden die Elternbeiträge Einkommensabhängig erhoben. Eltern mit einem Leipziger Durchschnittseinkommen würden dort für einen Krippenplatz immerhin ein paar Euro weniger zahlen.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich bitte sie unserem Antrag zuzustimmen und mit uns dafür zu kämpfen, dass sich die Finanzierung der Kindertagesstätten durch eine Erhöhung der Landeszuweisung verbessert und damit Kommune und Eltern entlastet werden!
Sitzung des Stadtrates am 17.11.2011, Rede Juliane Nagel, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Stadtrat zu Leipzig