Genau wie DIE LINKE haben die Grünen ein Integrationsgesetz vorgelegt, mit dem die Teilhabe für Migrant*innen gestärkt werden soll. Dies wurde im Plenum des Sächsischen Landtages am 22. Mai 2019 diskutiert. Hier mein Redebeitrag:
Vor uns liegt das Gesetz für „Chancengerechtigkeit und zur Verbesserung der Teilhabe von Migrantinnen und Migranten im Freistaat Sachsen“, also ein Integrationsgesetz für Sachsen.
Ich stelle meinen Ausführungen voran, dass wir dem Gesetz zustimmen werden. Sie wissen, dass sich im Geschäftsgang des Landtages unser eigener Entwurf für ein Migrant*innen-Teilhabefördergesetz befindet.
Wir stehen als LINKE glasklar dazu, dass Sachsen ein Integrationsgesetz braucht.
Oft haben wir in dieser Legislatur über Flucht-Migration gesprochen. Oft haben wir über die steigende Zahl auch hier in Sachsen schutzsuchender Menschen diskutiert und darüber wie im Schlepptau dessen das Asylrecht weiter ausgehöhlt wurde und Rassismus und Diskriminierung neuen Auftrieb bekommen haben, auch aus diesem Haus heraus.
Doch, wir haben in den letzten viereinhalb Jahren auch einiges auf den Weg gebracht, was die Lebenssituation und gesellschaftliche Teilhabe von Migrant*innen in Sachsen verbessert hat. Vor genau einem Jahr haben wir an dieser Stelle die Fachregierungserklärung der Integrationsministerin zum ZIK II gehört und diskutiert. Als LINKE haben wir gewürdigt, dass der Fortschreibungsprozess einerseits mit einem Integrationsbegriff hantiert, der die gesamte Gesellschaft einbezieht und nicht allein Assimilation der neu hinzukommenden Menschen verlangt.
Ja: Unsere Gesellschaft verändert sich durch Migration, sie wird heterogener und reicher, sie verändert sich in einer sich internationalisierenden Welt. Und das ist gut so und verlangt auch von uns Öffnung und Veränderung. Dass dies auch zu Reibungen führt, ist vollkommen klar und muss politisch durch die Schaffung von Instrumenten und Strukturen gestaltet werden, die die Einwanderungsgesellschaft zusammenhalten. Ohne das werden wir erleben, dass sich Menschen isolieren und abkapseln, wird also genau das passieren, was die rechten Teile des Parteienspektrums immer wieder beschwören.
Wir haben als Linke bez des ZIK 2 den breiten Beteiligungsprozess während der Fortschreibung gewürdigt. Aber wir haben auch kritisiert, dass es wie beim Vorgängerkonzept zu viele Willensbekundungen ohne klare Zuständigkeiten und finanzielle Untersetzungen gibt: Im aktuellen Doppelhaushalt sind gerade mal 300 000 Euro im Jahr für die Umsetzung eingestellt.
Unser klares Plädoyer vor einem Jahr war: Sachsen braucht ein Integrationsgesetz. Darum haben wir uns – vor Bündnis 90/ Die Grünen – auf den Weg gemacht und einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt und breit mit Migrant*innenselbstorganisationen, Zivilgesellschaft und Verwaltungsvertreter*innen diskutiert.
In der Anhörung zu beiden Gesetzesentwürfen am 28.3. im Innenausschuss haben 5 von 6 Sachverständigen explizit für ein Integrationsgesetz plädiert und sich im Grunde wohlwollend zu den Entwürfen geäußert. Dass insbesondere die Regierungskoalitionen auf die Bestellung von Sachverständigen über die sowieso zu beteiligenden kommunalen Spitzenverbände verzichtet haben, spricht für sich.
Der vorliegende Entwurf ist anders als der der LINKEN als Artikelgesetz verfasst. Das kann man machen. Wir finden darin programmatische Grundsätze, das Plädoyer für die interkulturelle Öffnung der Landesverwaltung, es werden ferner Gremien zur Partizipation von Menschen mit Migrationsgeschichte geschaffen sowie die Mitwirkung von Migrant*innen in Gremien festgeschrieben. Es werden Kommunale Teilhabekoordinator*innen , Kommunale Teilhaberäte und Beauftragte festgeschrieben und es wird die Teilhabe von Menschen mit Migrationsgeschichte für die verschiedenen Bereiche – von Kita, Schule über Bestattungswesen oder Psychatriegesetz – durchdekliniert.
Ich möchte drei Punkte herausgreifen, die auch in der Anhörung zur Sprache kamen:
1. Die Frage der verbindlichen Finanzierung der Umsetzung der im Gesetz verankerten Grundsätze. Die fehlt im grünen Gesetzesentwurf. Dazu will ich Hendrik Kreuzberg, Migrationsreferent des Paritätischen Wohlfahrtsverbands zitieren:
„In den Grundsätzen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden finanzielle Ansprüche, die sich aus der Umsetzung der Grundsätze ergeben würden, ausgeschlossen. Damit wäre Integrations-, Beratungs- und Demokratiearbeit weiter wie bisher abhängig von Förderrichtlinien mit den bekannten Nachteilen, sprich: Laufzeit von Projekten, Abbrüche von Integrationsarbeit, Höhe der Eigenmittel von Trägern, die diese Projekte umsetzen, oder die unzureichende Refinanzierung qualifizierter Arbeit.“
Dies lösen wir in unserem Gesetz anders, in dem wir die finanzielle Förderung eines breiten Spektrums an Integrationsmaßnahmen freier Träger gesetzlich verankern.
2. Bleibt der Ausländerbeauftragte im vorliegenden GE unverändert erhalten. Als LINKE wollen wir diese Beauftragtenfunktion zum Beauftragten für die Belange und Integration von Menschen mit Migrationshintergrund umgestalten, die Zielgruppe erweitern und seine Stellung. Sicher, hier muss intensiv diskutiert werden, wie dies mit der Existenz eines Integrationsminister*innenpostens vereinbar ist, wir halten beides für wichtig und richtig.
3. ist im Gesetzesentwurf ein Kommunaler Mehrbelastungsausgleich vorgesehen. Wir haben darüber hinaus in unserem Gesetz die Einführung einer Integrationspauschale in Höhe von 50 Millionen Euro pro Jahr vorgeschlagen, um damit die notwendige kommunale Infrastruktur zur Erfüllung der Aufgaben des Gesetzes zu gewährleisten. Dies halten wir für wichtig, damit Integration und Teilhabe auch einen materielle Grundlage dort hat, wo sie passiert, in den Kommunen.
Wie eingangs erwähnt. Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen. Sachsen wäre das erste ostdeutsche Flächenland, was sich ein Integrationsgesetz als faktisches Fundament für die Stärkung der Teilhabe von Migrant*innen und zur Öffnung der sächsischen Gesellschaft gibt.
Abschließen möchte ich mit den Worten von Öczan Karadeniz, Geschäftsführer des Verbandes binationaler Familien und Partnerschaften Leipzig:
„Gesetzesänderungen wie die angestrebte sind Symbole der Anerkennung einer diversen Gesellschaft. Sie signalisieren den Menschen ein Selbstverständnis, eine Haltung.
Ein Teilhabegesetz kann übergeordnete Ziele der Chancengerechtigkeit festschreiben und damit zum gesellschaftlichen Selbstverständnis erheben. Wann, wenn nicht jetzt?“