Der Leipziger Stadtrat hat am 13. März 2019 mehrheitlich und gegen die Stimmen von CDU und AfD entschieden Leipzig zum sicheren Hafen zu machen. Infolge dieses Antrags der LINKEN wird sich die Stadt nun an Bund und Land wenden und den Druck erhöhen praktische Unterstützung für die aus Seenot geretteten Menschen zu leisten. Meine Rede zur Antragseinbringung kann hier nachgelesen werden:
Seit Juni letzten Jahres erleben wir mit Blick auf das Mittelmeer eine Katastrophe. Eine humanitäre Katastrophe. Malta und Italien verweigern Seenotrettungsschiffen die Einfahrt, und damit einen sicheren Hafen. Vor dem Ertrinken gerettete Geflüchtete schiffen über Tage, Wochen auf dem Meer, weil die europäische Staatengemeinschaft sich nicht über deren Verteilung bzw. Aufnahme einigen kann. Rettungsschiffe werden festgesetzt, Kapitäne und Kapitän*innen vor Gericht gestellt.
Die teils wochenlange Wartezeit auf den Schiffen setzt die Gesundheit der Betroffenen aufs Spiel. 19 Tage harrten beispielsweise 49 Gerettete samt Crew auf den Schiffen der NGO Seawatch und Seaeye zum Jahreswechsel aus bis sie schließlich nach zähen Verhandlungen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten an Land gehen durften.
Was europäische Staaten, die sich demokratisch nennen hier vorführen, verstößt nicht nur gegen Prinzipien der Humanität – die Zahl der im Mittelmeer Ertrunkenen stieg im Jahr 2018 auf mindestens 2.275 Menschen, im ersten Monat diesen Jahres sind bereits über 200 Todesopfer zu beklagen. Das Agieren verstößt aber auch gegen internationale Konventionen: Nach geltendem Seerecht und der Genfer Flüchtlingskonvention müssen Geflüchtete in den nächsten sicheren Hafen gebracht werden und den Zugang zum Asylverfahren erhalten.
Nun mögen Sie fragen: Was geht uns das an?
Ich meine: Viel. Es geht bei der Debatte um zivile Seenotrettung einerseits um Menschen, Menschen, die vor Verfolgung, Krieg, Folter, Klimakatastrophen und auch bitterer Armut den Weg nach Europa suchen. Da haben wir verdammt nochmal Verantwortung. Es geht aber auch um die Frage wohin die Europäische Union steuert? Wird sie zur Speerspitze von Abschottung und Menschenrechtsbrüchen oder schaffen wir es gemeinsame solidarische Lösungen zu finden, zum Beispiel durch die Schaffung legaler Fluchtwege, durch ein gemeinsam finanziertes Seenotrettungsprogramm und einen fairen und verbindlichen Verteilschlüssel innerhalb Europas, der auch die Grenzstaaten entlastet.
Es waren Städte wie Köln, Bonn und Düsseldorf und Bundesländer wie Berlin und SH, die sich recht schnell nach der Blockade des aus Dresden kommenden Seenotrettungsschiffes „Mission lifeline“ im Juni letzten Jahres in die Spur machten und gegenüber dem Bundesinnenministerium klar machten: Wir stehen bereit, wir wollen aus Seenot geretteten Geflüchteten einen sicheren Hafen bieten. Inzwischen haben sich mehr als 30 Städte freiwillig bereit erklärt aus Seenot gerettete Geflüchtete aufzunehmen// das ist ein starkes Zeichen.
Ich kann die Enttäuschung nicht verhehlen, dass Leipzig dem Beispiel nicht von sich aus gefolgt ist und auch Rufe der Zivilgesellschaft auch in dieser Stadt – 3500 Unterschriften wurden gesammelt und die Forderung auch im Rahmen von Demonstrationen erhoben – nicht gehört hat. Schließlich ist die Stadt seit 2016 Mitglied im solidarity-cities-network, einem Europäischen Städtenetzwerk, das sich das sich u.a. dazu bekennt, Geflüchtete aus anderen EU-Staaten aufzunehmen.
Um so erfreuter ist meine Fraktion über den Verwaltungsvorschlag, der unsere Antragsintention aufnimmt und qualifiziert.
Denn selbstverständlich, das ist auch uns bewusst, können Kommunen in Deutschland nicht selbst über die Aufnahme von Geflüchteten entscheiden. Das läuft über den Bund, oder die Landesebene in Einvernehmen mit dem BMI. Und selbstverständlich wollen wir mit dem Beschlussvorschlag erwirken, dass die Menschen zusätzlich zu den sowieso nach Leipzig zugewiesenen Geflüchteten aufgenommen werden. Dass die Verwaltung hier einen Grenze von 100 Personen einzieht, gefällt uns auch angesichts der zahlreichen freien Kapazitäten in den kommunalen Asylunterkünften und der gewachsenen Strukturen in der Zivilgesellschaft nicht ganz so gut, aber für den Anfang geben wir uns damit zufrieden. Zumal wichtig ist, dass die betroffenen Menschen schnell kommen können: fast 100 der 185 Schutzsuchenden, deren Aufnahme die Bundesregierung zugesagt hat, befanden sich im Februar noch immer in Italien und auf Malta.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. Ich bitte Sie herzlich dem Antrag, den wir im Sinne des Verwaltungsstandpunkt abstimmen lassen werden zustimmen. Lassen sie uns ein deutliches in Richtung Bundes- und Landesregierung senden. Ein Zeichen gegen die menschenfeindliche Politik einiger EU-Staaten und politischer Akteure in diesem Land. Ein Zeichen für Humanität. Zeigen sie mit ihrer Stimme, dass wir auch in Leipzig Verantwortung für ein soziales, offenes Europa übernehmen. Und geben sie dem zynischen Vorschlag der CDU-Fraktion eine klare Ablehnung, wie wir das tun werden. Geflüchtete gegeneinander ausspielen, und nur nach ideologischer Passfähigkeit aufnehmen zu wollen, das zeigt wessen Geistes Kind sie sind.