Am 16. September fand in Schnellroda (Sachsen-Anhalt) eine Demonstration unter dem Motto „Rechte Denkfabriken bestreiken“ statt. Mehr als 120 Menschen folgten dem Aufruf der Initiative „Aufstehen gegen Rassismus“.
Schnellroda ist nicht irgendein Ort. Seit mehr als zehn Jahren lebt dort der neurechte Ideologe Götz Kubitschek mit seiner Familie, ausserdem ist sein Verlag Antaios dort ansässig. Mehrmals im Jahr finden vor Ort Veranstaltungen statt, wie die Sommerakademie des Instituts für Staatspolitik, die am 16.9. startete, und unter anderem von Anhänger*innen der Idenititären besucht wird.
Damit wird der Ort zur Kulisse für neurechte Selbstdarstellungen und Wallfahrtsort für Nazis. Das finden nicht alle, die dort leben gut. Auch an der Demo beteiligten sich einzelne Bewohner*innen des Dorfes und aus der Umgebung. Diese Courage wird nun von Götz Kubitschek auf dem von ihm betriebenen Blog sezession.de aufs Übelste, weil ins Private gehend, verunglimpft. Und genau das geschieht nicht zufällig. Er macht damit Menschen zum Futter für Aktionen seines Fußvolks.
Ich bedanke mich an dieser Stelle nochmal explizit bei den Menschen, die sich an der wichtigen Aktion beteiligt haben. Auf dass sie sich nicht einschüchtern und ermutigen lassen. Die unqualifizierte Reaktion von Kubitschek zeigt, dass er getroffen ist.
Ich dokumentiere an dieser Stelle meinen Redebeitrag, den ich auf der Auftaktkundgebung der Demo gehalten habe.
Hallo und solidarische Grüsse aus Leipzig,
es ist gut dass wir heute hier sind. Das, was in Schnellroda seit mehr als einem Jahrzehnt vor sich geht, darf nicht mehr widerspruchslos von statten gehen. Ich bin froh, dass die Presse heute nicht wie so oft einen neuen Trip in diesen Ort macht, um die Selbstinszenierung des Ehepaars Kubitschek/ Kositza einzufangen und in die Welt hinauszutragen. Heute wird hier vor Ort das artikuliert, was nachdrücklich gesagt werden muss: Götz Kubitschek und seine Gedanken- und Publikationswelt sind kreuzgefährlich. Sie stimulieren den Pogrom und wollen die homogene Volksgemeinschaft, die auf Hierarchien und Elite-Klientelismus beruht. Dieser elitäre, neurechte Denkansatz schafft es zunehmend ins Rampenlicht. Er dockt an rechte und rassistische Strassenmobilisierungen an und mehr noch – er wird zum Stimmungskatalysator.
Mehrfach ergriff Kubitschek, wie auch Jürgen Elsässer, bei Legida in Leipzig und Pegida in Dresden das Wort und redeten vom großen Austausch und vom Umsturz, dem Kampf gegen die herrschenden Eliten, für den nun die Zeit gekommen wäre. Obwohl Kubitschek das geifernde und johlende Fussvolk in Dresden, Leipzig, Altenburg und auf sonstwelchen Marktplätzen, im Grunde eher verachten dürfte. Doch Kubitscheks Sollbruchstelle ist die Frage der Migration, ist die entstandene Feindschaft zwischen Merkels „Wir schaffen das“ und der breit getragenen Willkommensbewegung des vergangenen Sommers einerseits und den dagegen marodierenden BürgerInnen auf der anderen Seite. Hier sieht die Neue Rechte den Hebel für den Bruch mit den Etablierten und den Weg für die konservative Revolution.
Sehr gut illustriert dies die Rede, die Kubitschek im Oktober 2015 in Dresden bei Pegida hielt. Eine demagogische und aufwieglerische Rede, die unter dem Mantel des Aufrufs zu zivilem Ungehorsam rassistischen Ausschreitungen a la Heidenau oder aktuell Bautzen das Wort redet.
Durch das Ankommen von tausenden Geflüchteten würde die Rechtsordnung aufgehoben, so Kubitschek. Darum sei es gut ZITAT dass es jetzt kracht. Lieber als dieses schleichende Fieber ist uns die offene Fleischwunde. /ZITAT Solche Zitate sitzen, und werden von der Masse immer wieder von schallenden WIDERSTAND, WIDERSTAND Rufen im gepflegten sächsisch unterbrochen.
Und weiter: Es sei ZITAT nicht nur Recht, sondern Pflicht, gegen das Versagen des Staates und gg die Auflösung des Volkes Widerstand zu leisten, /ZITAT meint Kubitschek und schlägt verschiedene Aktionsformen vor:
Unter Bezugnahme auf die Identitären in Österreich zb selbstorganierte Grenzsicherungsaktionen. Die Zeit sei gekommen für zivilen Ungehorsam. Was in Dresden-Übigau und Chemnitz-Einsiedel passiert sei – dort haben Rassistinnen und Rassisten den Zugang zu dringend benötigten Unterkünften für schutzsuchende blockiert – sei vorbildhaft, so Kubitschek. Es gäbe Zeiten, in denen es legitim sei, jenseits der geltenden Gesetze zu handeln, nämlich dann wenn die Rechtsordnung an sich aus den Fugen gerät.
Die Gedankenlinien dieser Rede sind durch ein von Kubitschek selbst initiiertes so genanntes Rechtsgutachten „Zum politischen Widerstandsrecht der Deutschen“ des rechten Juristen Thor von Waldstein inspiriert. Für ihren rechten Kulturkampf, so denken Kubitschek und Co, sei die Zeit nun gekommen, getragen von ihrem willfährigen Fussvolk, das sie selbst zum Progrom anheizen. Wenn man dann das kalkuliert wirkende Versagen der sächsischen Polizei an den Orten der pogromartigen Zustände – aktuell Bautzen – betrachtet, könnte man meinen, dass die neurechten Bestrebungen auf fruchtbaren Boden gefallen sind.
Nicht von ungefähr kommt die Nähe Kubitscheks zur AfD.
Erwähnenswert sind hier nicht nur die versuchte, aber vorläufig vereitelte Parteimitgliedschaft, die extra inszenierte Aufnahme seiner Frau Ellen Kositza, die Vorliebe für Rittergute in der ostdeutschen Provinz, die er nicht nur mit dem AfD-Chef im Landtag von Sachsen-Anhalt, Andre Poggenburg, teilt – oder die ideengebende Funktion, die er für den Thüringer AfD-Fraktionschef Bernd Höcke hat. Inhaltlich verbinden ihn mit der AfD die Feindschaft zu den Errungenschaften der Moderne, Antipluralismus und Antiliberalismus und das Ziel, ein homogenes Volk in seinem vermeintlich angestammten Raum wiederherzustellen. Und blickt man auf Kubitscheks Verbandelung mit den Identitären, die er dann wieder mit dem Sachsen-Anhalter MdL Hans-Thomas Tillschneider und zahlreichen anderen AfD-Akteuren teilt, schließt sich der Kreis. Auch zu der am heutigen Tag startenden Sommerakademie.
Im Februar 2015, als Kubitschek die Mitgliedschaft in der AfD vom Bundesvorstand versagt wurde, schrieb die Patriotische Plattform eine Erklärung unter dem Titel „Die AfD wird entweder mit Götz Kubitschek sein oder sie wird gar nicht sein!“
Auch Andre Poggenburg äußerte öffentlich sein Unverständnis über die Nichtaufnahme von Kubitschek und sagte, dass es großen Unmut bei der AfD in Sachsen-Anhalt über die Entscheidung aus Berlin gegeben habe. Das letzte Wort sei in dieser Sache noch nicht gesprochen, so Poggenburg.
Es liegt nah, dass die Entscheidung der Nicht-Aufnahme längst nicht mehr im rechten Flügel der Rechtsaußen-Partei um Bernd Höcke, Andre Poggenburg oder Alexander Gauland auf Unmut stösst, aber ausgesessen wird. Nach Frauke Petrys recht deutlichen und nicht zufälligen Äußerungen für die Rehabilitierung des Begriffes „völkisch“ dürfte Götz Kubitschek feuchte Träume gehabt haben, und noch mehr bei dem von ihr heraufbeschworenen Massendemonstrationen gegen MigrantInnen oder Integrationsprobleme, die zum Bürgerkrieg führen würden. All dies sind Triggerworte, auf die auch Kubitschek setzt. Seine intellektuellen Dienste hat er der AfD Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt bereits am Wahlabend feilgeboten. Die AfD ist momentan der erfolgsversprechendste und einflussreichste Partner für seine neurechte Ideenproduktion und zumindest mittelfristig Andockstelle für seine eigene, langfristige völkische Strategie. Nicht zuletzt feiert sie in Ostdeutschland alptraumerregende Wahlerfolge und auch Kubitschek hat sein Herz an den Osten verloren, Zitat: „In den neuen Bundesländern sind die Deutschen noch ein homogenes Volk“.
Und so kommt es nicht von ungefähr, dass er sich hier in der Provinz von Sachsen-Anhalt niedergelassen hat.
Und deshalb sind auch wir hier. Und wir sind nicht die einzigen, wir machen auch keinen Demotourismus, den uns der von Demo zu Demo reisende Wanderprediger Kubitschek vorwirft. Auch hier im Ort, den Kubitschek so gern zur Kulisse seiner skurril inszenierten Lebensweise macht, gibt es nicht nur Zustimmung. Genau dies sind Pflänzchen, die wir hegen sollten, genau wie uns die aktuelle politische Lage nicht in die innere Immigration oder in die Isolation des eigenen kleinen Mikrokosmos treiben sollten.
Es ist an uns völkische Ideologie, Rassismus und autoritäre Konzepte zu benennen und zu bekämpfen. Und da müssen wir bei weitem nicht bei AfD und neuen Rechten Grüppchen und Gruppen aufhören. Erwähnenswert sind hier vor allem CDU, CSU und auch SPD, die sich seit Monaten bei der Verschärfung des Asylrechtes überbieten und die soziale Frage rassistisch aufladen.
Auch, wenn Politik und Diskurs immer weiter nach rechts rücken: wir dürfen nicht aufhören, zu intervenieren. Wir müssen offensiv für eine offene Gesellschaft kämpfen, Pogrome verhindern, bevor sie entstehen und wenn es sein muß, antifaschistische Feuerwehrintervention betreiben, natürlich auch mit Mitteln des zivilen Ungehorsams – unser z.U. ist nicht rassistisch, sondern stellt sich in den Dienst der Menschenrechte.
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