Fünf Roma aus Leipzig sind zu einer Veranstaltung zum Gedenken an die Ermorderung von Sinti und Roma im Vernichtungslager Auschwitz eingeladen. Drei von ihnen wurde von der Ausländerbehörde nicht gestattet zu reisen, weil sie geduldet sind. Ich unterstütze den Offenen Protestbrief des Vereins Romano Sumnal.
Aufgrund des Unwillens der Ausländerbehörde und der Kurzfristigkeit der Intervention scheint dem Anliegen nicht mehr entsprochen werden können. Das Grundproblem liegt in der Bundesgesetzgebung, die die Rechte von Geduldeten erheblich einschränken. Da es sich nicht um eine schulische Reise handelt, will die Ausländerbehörde keine Ausnahmeregelung gewähren.
Offener Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Leipzig,
Leipzig, den 28.,07.2016
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Jung,
der 02. August ist ein trauriger Tag in der Geschichte der Sinti und Roma Europas. An diesem Tag wurde 1944 das „Zigeunerlager“ in Auschwitz aufgelöst, die noch arbeitsfähigen Sinti und Roma wurden in andere Lager weiterverschleppt. Alle verbliebenen Sinti und Roma wurden danach, in der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 ermordet. Es waren 2897 Männer, Frauen und Kinder. Nach Schätzungen wurden im nationalsozialistisch besetzten Europa 500.000 Sinti und Roma ermordet.
Seit mehreren Jahren treffen sich Sinti und Roma aus ganz Europa an diesem Tag in Auschwitz und gedenken gemeinsam ihren Opfern.
Zusammen mit dem internationalen Roma Jugendnetzwerk TERNYPE organisiert das Dokumentations- und Kulturzentrum deutscher Sinti und Roma in diesem Jahr in Krakau unter dem Titel „Dikh he na Bister” („Look and don’t forget“) eine Veranstaltung mit über 350 jungen Roma und Nicht-Roma aus ganz Europa, die auch an dem Gedenkakt am 2. August teilnehmen werden. Zu diesem Treffen wurden auch fünf leipziger Roma eingeladen. Leider leben drei dieser Jugendlichen mit einer Duldung in Leipzig, eine Reise ins europäische Ausland ist für sie nicht möglich. Es sei denn, die zuständigen Ausländerbehörde entscheidet sich Ihnen für den Ausnahmefall eine Reisegenehmigung zu erteilen. Letztere konnte trotz unserer wochenlangen Bemühungen bisher leider keine Möglichkeit finden, den Jugendlichen diese Reise zu ermöglichen. Die Teilnahme an einer Klassenfahrt, so heißt es wäre gesetzlich möglich, die Gedenkreise nach Auschwitz leider nicht, da es keine schulische Fahrt sei. Andere Städte in Deutschland sahen den Stellenwert dieser Fahrt nach Auschwitz so hoch, dass Sie Wege finden konnten, ihren Jugendlichen die Reise zu ermöglichen.
Leider werden die Opfer der Sinti und Roma im Nationalsozialismus immer noch nicht stark genug in der Öffentlichkeit thematisiert. In Geschichtsbüchern und im Schulunterricht findet man nur wenig dazu. In der Gesellschaft ist auch nur wenig bekannt über den Völkermord an den Sinti und Roma. Statt dessen sind Stereotype, Vorurteile und Stigmatisierungen den Sinti und Roma gegenüber immer noch weit verbreitet.
Veranstaltungen, wie die Veranstaltung in Auschwitz dieses Jahr, helfen jungen Roma in Deutschland und Europa ihr Selbstbewusstsein zu stärken, für sich zu kämpfen und tragen zum Empowerment bei. Lassen Sie Leipzig nicht die Stadt in Deutschland sein, die Ihren jungen Roma dies verwehrt. Wir möchten Sie daher öffentlich darum Bitten, unser Anliegen zu unterstützen und auch den Leipziger Roma die Teilnahme an dieser so wichtigen Gedenkfahrt zu ermöglichen.
Mit freundlichen Grüßen,
Gjulner Sejdi, 1. Vorsitzender Romano Sumnal – Verein für Roma-Kulturvermittlung und
politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Romaaktivismus e.V.
Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
Initiative „Geschichte vermitteln“
Christian Wolff, Pfarrer i.R.
Monika Lazar, Mitglied des Deutschen Bundestags (Bündnis 90 / die Grünen)
Juliane Nagel. Mitglied des Sächsischen Landtags (die Linke)
Stephan Bosch, Leipziger Friedenspreisträger 2009
Petra Čagalj Sejdi, Mitglied des Leipziger Stadtrats (Bündnis 90 / Die Grünen)
Christin Melcher, Sprecherin Bündnis 90 / Die Grünen KV Leipzig