Im Landtagsplenum am 27. Mai wurde der Antrag der Grünen „Integration von geflüchteten und zugewanderten Menschen im Freistaat Sachsen voran bringen – Zuwanderungs- und Integrationskonzept der Staatsregierung grundlegend überarbeiten“ diskutiert. Dazu meine Rede, die von meinem Kollegen Enrico Stange gehalten wurde.
Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede
Über Monate haben wir intensiv und auch kontrovers über die Aufnahme von Geflüchteten diskutiert. Zirka 60.000 Geflüchtete sind im vergangenen Jahr nach Sachsen zugewiesen worden, zirka 40.000 davon sind tatsächlich geblieben. Hinzu kommen die Geduldeten, die unbegleiteten Minderjährigen, die Menschen mit Aufenthalts- und Niederlassungserlaubnis, EU-BürgerInnen, ausländische Studierende und Blue Card-InhaberInnen. Mitte 2015 lebten in Sachsen 128.303 Menschen ohne deutschen Pass. Hinzu kommen zehntausende Eingebürgerte. Und trotzdem Sachsen längst zum Einwanderungsland geworden ist – was manche auch in diesem Hohen Haus nicht wahrhaben wollen – bleibt der Migrationsanteil in Sachsen im bundesweiten Vergleich unterdurchschnittlich. Und das kommt nicht von ungefähr. Denn ob Migrantinnen und Migranten nach Sachsen kommen oder anerkannte Geflüchtete hier bleiben hat zum einen etwas mit dem gesellschaftlichen Klima zu tun, das sie hier vorfinden zum anderen mit Chancen auf ein gutes Leben und Teilhabe an der Gesellschaft. Es sind nicht nur die erschreckenden Zahlen von Angriffen auf Unterkünfte von Geflüchteten, die Menschen abschrecken, sondern Alltagsdiskriminierung auf der Straße und in Behörden. Da ist Ana aus Idonesien, die in Dresden Erziehungswissenschaft studiert und auf der Straße regelmässig als Muslimschwein beschimpft wird// ein Arzt aus Kamerun, ebenfalls Dresden, der von PatientInnen zu hören bekommt, dass sie nicht von einem „Neger“ behandelt werden wollen// Geflüchtete in Riesa, denen die Mitgliedschaft im Fitnessstudio verwehrt wird// ein in Deutschland geborener Schwarzer, der wegen seiner Hautfarbe in Leipzig Probleme bei der Jobsuche und dem Mietvertragsabschluss hat, oder eine junge, promovierte Syrerin, die von der Ausländerbehörde ihrer Wahlheimat schikaniert wird. All dies gehört zum Alltag von Migrantinnen und Migranten in Sachsen.
Gegen diese bei weitem nicht nur subtile Ausgrenzung und Diskriminierung haben wir in Sachsen kein Konzept.
Nachdem wir im vergangenen Jahr viel und kontrovers über die Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten debattiert haben, wird nun landauf landab das Wort Integration im Munde geführt. Genau wie im vergangenen Jahr stehen wir da und haben keinen Plan. Es ist löblich, dass Sie, Frau Köpping, dem großen Koalitionspartner ein Integrationspaket abgerungen haben und damit ihre Bemühungen zur sozialen Betreuung und für integrative Maßnahmen fortsetzen und erweitern können. Doch: es reicht nicht. Wir brauchen darüber hinaus einen Plan, der über die Zielgruppe der Geflüchteten hinausgeht und der Vielfalt der Migrantinnen und Migranten, ihrer Problemlagen und Bedürfnisse Rechnung trägt.
Einem Plan geht ein Paradigmenwechsel in den Köpfen voraus.
Die Stellungnahme der Staatsregierung auf den hier diskutierten Antrag der Grünen macht allerdings vor allem auch eins deutlich: Wir wissen wenig von diesen Menschen. Und dies liegt auch daran, dass sie in den vergangenen Jahren in ihrer Vielfalt unsichtbar gemacht worden sind.
Genau diese Handschrift trägt auch das Zuwanderungs- und Integrationskonzept des Freistaates (ZIK). Dass dies überarbeitungsbedürftig ist, dürfte in diesem Haus wohl unstrittig sein. Es datiert auf das Jahr 2012, orientiert vor allem auf wirtschaftlich profitable Zuwanderung und schließt Geflüchtete potentiell aus. Zudem besteht es aus zum großen Teil aus Lippenbekenntnissen, es fehlen verbindliche Zielstellungen, avisierte Maßnahmen, ein Zeithorizont und eine finanzielle Untersetzung. Kein Wunder dass das ZIK eher ein totes Dokument ist, das kaum als Arbeitsgrundlage dienen kann, um die Teilhabe der in Sachsen lebenden Migrantinnen und Migranten zu forcieren. Eine Bilanz nach vier Jahren dürfte zeigen, dass sich gelinde gesagt wenig getan hat.
In der vor nunmehr fast zwei Jahren erschienenen Studie des Sachverständigenrates Deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) zum ZIK heißt es: Verschiedene Handlungsfelder des ZIK sollten klarer umrissen, mess- oder überprüfbare Ziele innerhalb dieser Handlungsfelder formuliert und Ziele priorisiert werden. Zudem sollten jeweils die für die Zielerreichung verantwortlichen Akteure benannt werden. Neben den Handlungsfeldern Spracherwerb, Bildung und Arbeitsmarktintegration als ‚Säulen’ auf dem Weg zu gelingender struktureller Integration sollten dazu auch die Handlungsfelder gesellschaftliche Teilhabe, Antidiskriminierung und interkulturelle Öffnung noch deutlicher konturiert werden.“
Diese Empfehlungen treffen, obwohl sie sehr vorsichtig formuliert sind, ins Schwarze und ich würden noch zuspitzen: Ein Integrationskonzept, das nicht auf die gleichberechtigte und vollumfängliche Teilhabe aller MigrantInnen in allen Lebensbereichen abzielt, ein Integrationskonzept, dass zu weiten Teilen reine Lyrik ist, brauchen wir nicht. Auch die Empfehlungen des Sachverständigenrates zur notwendigen Beteiligung verschiedenster Interessenvertreter – aus Zivilgesellschaft, Politik und Institutionen, und das Verständnis des Konzeptes als dynamischen Prozess, können nur als Kritik am alten Konzept verstanden werden.
In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass es seinerzeit ohne Beteiligung des Landtags, vor allem aber ohne Einbeziehung von MigrantInnenselbsvertretungen erstellt und beschlossen wurde. Zwar gab es seinerzeit beteiligungsorientierte Workshops, die aus Sicht von MigrantInnen- und zivilgesellschaftlichen Organisationen jedoch reine Makulatur waren.
Vor genau diesem Hintergrund sollten wir auch in die Zukunft blicken:
Wir stimmen dem Antrag der Grünen vollumfänglich zu. Wir brauchen eine regelmässige Integrationsberichterstattung und ein ganzheitliches und zielgenaues Integrations- bzw Teilhabekonzept für Migrantinnen und Migranten, das auf breiter Beteiligung von Vereinen, Verbänden, Initiativen und Netzwerken der Zielgruppen basiert.
Als gutes Beispiel kann dabei die Stadt Leipzig fungieren, die mit 10 % sicher nicht zufällig über den höchsten MigrantInnen-Anteil in Ostdeutschland, Berlin ausgenommen, verfügt. 2011 machte sich die Stadt auf den Weg eines insgesamt anderthalb Jahre andauernden Beteiligungsprozesses, der im Dezember 2012 im Beschluss des Gesamtkonzeptes zur Integration von Migrantinnen und Migranten in Leipzig mündete. Sowohl der Stadtrat als auch 70 Initiativen, Vereine und Organisationen beteiligten sich an der Erarbeitung. Das Konzept umfasst 8 Handlungsfelder und 120 konkrete Maßnahmen, mit konkreten Verantwortlichkeiten. Jährlich wird über die Umsetzung berichtet und vor wenigen Wochen beschloss der Stadtrat seine Fortschreibung. Es geht im Konzept um Bildung und Erziehung, um Ausbildung, Qualifizierung und Beschäftigung, um Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung, die sozialräumliche Integration, den Interkulturellen und interreligiösen Dialog, um interkulturelle Orientierung und Öffnung, um Politische Teilhabe und um die Bekämpfung von Diskriminierung und Rassismus.
Warum schafft der Freistaat Sachsen mit seinen weitaus größeren personellen und finanziellen Ressourcen, Regelungskompetenzen und dem Pfund einer vielfältigen, pluralen Zivilgesellschaft nicht sich auf einen solchen Weg zu begeben? Was sind außer einem der Stellungnahme der Staatsregierung zu entnehmenden Nein und dem Verweis auf ein Integrationspaket, das nur einen Bruchteil des insgesamt notwendigen abdeckt, ihre Alternativen?
Lassen sie mich am Ende noch einen Blick auf den jüngsten Beschluss der Bundesregierung zu den Eckpunkten für ein Bundesintegrationsgesetz werfen: Dessen Grundansatz ist fördern und fordern, wie schon bei der Agenda 2010. Sprich keine Leistung ohne Gegenleistung. Das entspricht ganz klar weder unserem Menschen- noch Gesellschaftsbild. Ein gesellschaftliches Zusammenwachsen, eine gelebte, solidarische Willkommensgesellschaft, die Ermöglichung von Teilhabe ist mit diesem Vorhaben nicht zu bekommen. Scheinbar ist sie auch nicht gewollt.
Mit dem Gesetzesvorhaben wird Geflüchteten per se mangelnde Integrations- und Mitwirkungsbereitschaft unterstellt. Bei Ablehnung von 1,05 Jobs oder bei der Nichtwahrnehmung von Integrationskursangeboten drohen Leistungskürzungen, die nichts anderes als verfassungswidrig sind, sie verstoßen gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Für die Erlangung einer Niederlassungserlaubnis werden neue Hürden errichtet, das Gesetz wird auch keinen echten Aufenthaltstitel für die Zeit der Ausbildung bringen und zu allem Überfluss die mit EU-Recht nicht vereinbare Wohnsitzauflage auch für anerkannte Geflüchtete einführen. Die den Zugang zu Arbeit hemmende Vorrangprüfung soll nur unter bestimmten Bedingungen und vorübergehend ausgesetzt werden uswusf..
Nein, ein großer Wurf ist das Gesetzesvorhaben gelinde gesagt nicht, zahlreiche Verbände und NGOs nennen es darum auch Integrationsverhinderungsgesetz.
Dem schließen wir uns an und appellieren an die Staatsregierung: Lassen sie uns Integration nicht als einseitigen und sanktionierbaren Prozess verstehen, der Geflüchtete und MigrantInnen in die Bringeschuld zwängt. Öffnen wir unsere sächsische Gesellschaft, öffnen Sie sich, liebe Damen und Herren der Koalition, endlich für Veränderungen und ein interkulturelles Zusammenleben auf Augenhöhe.
In diesen Staat bekommen doch nichteinmal bedürftige Kinder, egal ob Deutsche oder mit Migrationshintergrund, soviel Grundsicherung, dass sie damit Chancengleichheit für ihr Leben haben!
Weder können sie sich Hilfsmittel zur Bildung leisten, wie Bücher oder Nachhilfeunterricht, noch können sie sich ausreichend gesundes Essen mit einem guten Anteil an Obst und Gemüse, damit sie gesund bleiben!
Eine Situation die gegen das Sozialstaatsprinzip Deutschlands verstößt, hier sollte DIE LINKE mal für alle Menschen in Deutschland Verfassungsbeschwerde einreichen…..!!!
Das sind ja Zustände hier, keine Kohle und Wohungen für die Bevölkerung aber auf der anderen Seite Tonnen von verschwenderischen Luxusgeschenken, die den normalen Bürger nichts bringen.
Deutschland muss endlich wieder nachhaltig und sozial wirtschaften:
-Gleiche Chancen für alle, in allen Bereichen wie Bildung…Recht…Gesundheit….
-Öko Energie statt Umweltverpestung
-Pestzidfreie Lebensmittel durch nachhaltige Landwirtschaft mit natürlich robusten Pflanzensorte
-kostenloser oder zumindest stärker geförderter Öffentlicher Nahverkehr für alle
-Hilfe für Bedürftige und gegenseitige Verantwortung!