Sachsens Innenminister glänzt in dieser Woche wieder einmal mit einem scheinbar unkonventionellen Vorschlag: Die Kommunen sollen demnächst Gelder für die Einrichtung von Videoüberwachung abrufen können. Details zu diesem Schnellschuss werden nicht bekannt gegeben. Als Blaupause fungiert die Stadt Chemnitz.
Die Videoüberwachung öffentlicher Räume ist seit jeher umstritten. Immer wieder wird sie von ihren Befürworter*innen als Allheilmittel gegen Kriminalität angepriesen. Dabei ist die Gleichung kinderleicht: Videoüberwachung verhindert keine Kriminalität, verdrängt sie an andere Orte, ist teuer und bedeutet vor allem einen erheblichen Eingriff in Grundrechte, speziell das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, aller Menschen, die sich unweigerlich im Blickfeld der Kameras bewegen müssen. Jede und jeder wird im Fokus der Kameraüberwachung zum*r Verdächtigen.
Dabei ist klar: Die, die Straftaten verüben wollen, werden dies nicht im Blick der Kamera machen.
Videoüberwachung an öffentlichen Orten unterliegt gesetzlichen Grundlagen.
Die Videoüberwachung ist in Sachsen in § 13 Datenschutzdurchführungsgesetz und bisher in § 37 Sächsisches Polizeigesetz geregelt. Überwachung durch die Polizei ist dabei eng mit der Konstruktion „gefährlicher Orte“ verbunden, dort darf die Polizei unter bestimmten Bedingungen „personenbezogene Daten durch Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen von Personen erheben“. Die Überwachung durch Private wurde zuletzt mit dem Bundesdatenschutzgesetz 2017 – mit der Argumentation steigender Terrorgefahr – geändert und dabei die Hürden zuungunsten von Persönlichkeitsrechten erheblich gesenkt. Auch die Novelle des Sächsischen Polizeigesetzes sieht die Ausweitung von Videoüberwachung vor: Im großzügig ausgelegten Grenzgebiet soll die flächendeckende Kfz-Kennzeichenerfassung und die Erfassung der biometrischen Daten der Fahrzeuginsass*innen ermöglicht werden.
In der Chemnitzer Innenstadt überwachen seit August 2018 31 Kameras die Innenstadt. Das Projekt ist eine Kooperation von Stadt, Polizei, den Städtischen Verkehrsbetrieben CVAG und den Chemnitzer Veranstaltungszentren C3. Kostenpunkt: 850.000 Euro.
Statt den Überwachungsstaat zu forcieren und weiter an Symptomen rumzudoktern, muss der Fokus auf die Ursachen von Kriminalität gerichtet werden. Dies führt unweigerlich zur Frage sozialer Teilhabemöglichkeiten und zur Frage kommunikativer Konfliktmechanismen anstelle von Repression. Darauf kann weder der Einsatz von noch mehr Überwachungstechnik noch eine Verstärkung und Aufrüstung der Polizei eine befriedigende Antwort sein. Im Gegenteil: Sie ist anachronistisch. Problemlagen werden damit nicht gelöst, sondern eher verschärft.
Das Mindeste allerdings ist die Überprüfung bisheriger stationärer Videoüberwachung, wie in Leipzig am Connewitzer Kreuz, in der Hermann-Liebmann-Straße, am Ring und Hauptbahnhof. Gerade letztere, bereits seit 1996 existente Überwachung, führt die Sinnlosigkeit vor Augen. Der Hauptbahnhof bleibt auch so weiter ein Schwerpunkt von (Klein-)Kriminalität.
Insofern: Überwachungsrealität durchbrechen, Kameras abbauen, soziale Lösungen jetzt!