Rassistische Stimmungsmache in Sachsen kommt nicht von ungefähr

18923333268_0b7f537683_zAm 8. Juli ging es im Landtag „heiß her“. Die CDU-SPD-Koalition hatte eine Aktuelle Debatte zum Thema „Herausforderungen bei der Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen gemeinsam meistern – Bürgerinnen und Bürger einbinden – Hass und Fremdenfeindlichkeit entschieden bekämpfen“ anberaumt. Zeit auf den Anteil der CDU hinzuweisen, den jene an der rassistisch aufgeladenen Stimmung hat.


Rede von MdL Juliane Nagel innerhalb der Aktuellen Debatte am 8. Juli 2015

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen:

– Freital am 6. März 2014 – 1500 Menschen demonstrieren gegen die Errichtung einer Asylunterkunft im Hotel Leonardo, einige versuchen aus dem Zug auszubrechen und zur Unterkunft zu gelangen, ein Teilnehmer sagt: „Dann komme ich heute Nacht wieder und zünde das Ding an.“

– Hoyerswerda Anfang Juni – auf eine Notunterkunft, in der 27 Asylsuchende leben, wird ein Behälter mit brennbarer Flüssigkeit geworfen. Ein fremdenfeindliches Motiv ist nicht ausgeschlossen.

– Meißen in der Nacht vom 27. auf den 28. Juni – auf ein geplantes Haus, in dem 35 Flüchtlinge wohnen sollen, wird ein Brandanschlag verübt. Ein fremdenfeindliches Motiv ist sehr wahrscheinlich.

Dies sind nur Ausschnitte dessen, was wir in den vergangenen Wochen erleben mussten. Sie kennen die Zahlen: im Jahr 2014 haben sich die hasserfüllten Manifestationen und Angriffe auf Unterkünfte von Geflüchteten mehr als verdreifacht. In diesem Jahr werden die Zahl des Vorjahres bereits jetzt erreicht haben. Sachsen ist mit den erschreckenden Zahlen bundesweit führend.
Und es ist vor diesem Hintergrund nicht hinnehmbar, dass Sie, Kollege Hartmann, diejenigen, die sich schützend vor Flüchtlingsunterkünfte stellen, mit RechtspopulistInnen gleichsetzen.

Hier sind Grundwerte unserer Gesellschaft bedroht, nämlich dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Und diese Situation kommt nicht von ungefähr.

Wir müssen nicht so tun, als ob Rassismus über Nacht über Sachsen gekommen ist.
Die Linie des größeren Koalitionspartners in dieser und auch in vorigen Regierungen in diesem Freistaat war es, Asylsuchende unsichtbar zu machen, sie an den Rand dieser Gesellschaft zu drängen. Politische Linie war es, diesen Menschen Integration und Teilhabe an dieser Gesellschaft vorzuenthalten. Grundgedanke war und ist es zum Teil heute noch, die schutzsuchenden Menschen hier erst gar nicht wirklich ankommen zu lassen, sondern auf deren schnelle Rückführung zu setzen.

Vor diesem Hintergrund konnten sich weder adäquate Strukturen zur Aufnahme, Betreuung und Teilhabe der betroffenen Menschen entwickeln, noch eine Willkommenskultur. Im Gegenteil: Die genannte politische Linie schlug sich auch im politischen Diskurs nieder. Rassistische Einstellungen wurden stimuliert und bagatellisiert. Die Beispiele Freital und Meißen führen uns dies vor, und auch der Innenminister wusste vor ein paar Monaten nichts Besseres, als mit Pegida zu kokettieren. Oder, verehrte VertreterInnen der CDU, haben Sie auch nur einmal in den vergangenen Wochen jenen die Hand gereicht, die unter dem Motto „Refugees welcome“ für ein Klima der Offenheit streiten, oder jenseits des Presse-Fototermins mit Geflüchteten darüber gesprochen, wie sie sich hier fühlen?

Wohin die gelinde gesagt stiefmütterliche Behandlung des Themas führt, können wir auch in der Handhabung der Erstaufnahme, die bekanntermaßen originäre Landesaufgabe ist, sehen.
Die Überfüllung der Kapazitäten ist kein Problem des laufenden Jahres. Bereits 2013 eskalierte die Situation im Adalbert-Stifter-Weg in Chemnitz, über 700 Menschen waren zu dieser Zeit dort untergebracht. Damals wurde die Außenstelle in Schneeberg in Betrieb genommen und auch 2014 wurde der Platz knapp, so dass weitere Plätze in Chemnitz geschaffen wurden.

Im Oktober 2014 erhielt ich auf eine Kleine Anfrage die Antwort, dass die Erstaufnahme in Chemnitz zu 94 % und Schneeberg zu 105% ausgelastet sei. In den ersten beiden Monaten des Jahres 2015, vor allem aber mit Blick auf anhaltende und neue globale Konfliktlagen, dürfte dann aber endgültig klar geworden sein, dass der Platzbedarf extrem in die Höhe gehen wird und die für Leipzig und Dresden geplanten Standorte 2016/17 zu spät kommen.

Aber nein: Man tat vollkommen überrascht und schuf Hals über Kopf Interims, die menschenwürdigen Grundstandards widersprechen, überging bei der Standortwahl OberbürgermeisterInnen und Landräte, heizte damit das Klima der Nicht-Akzeptanz und Ablehnung in der Bevölkerung noch an und zog sich trotzdem auf die Position zurück, dass alles in Ordnung wäre. Der Teiltitel der Debatte „BürgerInnen einbinden“ irritiert vor diesem Hintergrund darum gewaltig!

Ideen für eine bessere begleitende Kommunikation kommen auch in der so genannten Unterbringungskonzeption nicht vor, die gestern vom Innenministerium vorgestellt wurde. Auch qualitative Standards, zum Beispiel eine dringend notwendige Verbesserung der medizinischen Untersuchung und Versorgung, die Einführung von Clearingverfahren für besonders schutzbedürftige Personen oder die Gewährung einer unabhängigen Verfahrensberatung in den EAE fehlen gänzlich. Vielmehr haben sie in der so genannten Konzeption Maßnahmen zusammengefasst, die bereits bekannt waren und die Interim-Standorte faktisch verstetigt.

Wir als LINKE fordern seit langem verbindliche qualitative Standards für die Flüchtlingsaufnahme in Sachsen, genau wie ein verbindliches und politisch diskutiertes Unterbringungskonzept. Dass die Staatsregierung dies schuldig bleibt, zeugt von wenig politischem Verantwortungsgefühl. Und genau mit der Fortschreibung dieses Mangels werden sie Skepsis und Stimmungsmache in der Bevölkerung nicht begegnen können.

Bildquelle: Caruso pinguin

5 Gedanken zu „Rassistische Stimmungsmache in Sachsen kommt nicht von ungefähr“

  1. Gerade wenn man an Erstaufnahme-Einrichtungen denkt, kann man durchaus alte Kasernen nutzen, die in der nähe großer Städte liegen. Das kostet wenig, die haben in der Regel Zimmergrößen von 4-10 Leute, also ideal für Familien und verfügen über Sanitär und Sportmöglichkeiten.

    Das ganze muss aber schleunigt innerhalb von 3 Monaten entschieden werden, ob der Flüchtling ein Bleiberecht erhält, und dann muss eine dezentrale Unterbringung in den Kreisstädten gewährleistet sein.

    Dieser ganze Ausländerhass bringt überhaupt nichts, wenn die Flüchtlinge erstmal richtig Deutsch beigebracht bekommen und einige auch ihren Schulabschluss oder Studium hier absolvieren, werden sie wie in Kanada auch, Mitglied einer gesunden und leistungsfähigen Gesellschaft sein und der Ausländerhass erledigt sich von selbst. Dafür ist jedoch zuerst ein funktionierendes Integrationskonzept notwendig.

  2. Angeblich soll der Ministerpräsident gesagt haben:
    „Wenn Integration richtig gemacht wird, ist dies eine enorme Bereicherung.“

    Nur scheitert das schon daran, dass die Politiker nicht wissen wie man eine Fremdsprache richtig erlernt.

    Ein Gruppenkurs Deutsch für Flüchtlinge der 6 Monate dauert und 10-20 Teilnehmer hat sowie nur zum Sprachlevel B1 führt, ist sicherlich nicht geeignet um Deutsch zu lernen, geschweige denn die Flüchtlinge zu interegieren.

    Die Deutschkurse müssen mind. bis Sprachlevel B2 besser C1 führen und in kleinen Gruppen von max. 6 bis 8 Personen über 1 Jahr statt nur 6 Monate durchgeführt werden.

    Klar, das kostet dann 4 mal soviel Geld…..und weil der Staat daran immer sparen wird, wird die Intergration auch nicht glatt funktionieren!

  3. Mich würde wirklich mal interessieren, welche Maßnahmen in Leipzig möglich sind, um Flüchtlinge vorbildlich zu interegieren?

    Liebe Jule, gibt es Bemühungen der Linken oder anderer Organisationen die Flüchtlinge beim Deutsch lernen und Wohnungssuche unterstützen? Der Knackpunkt ist meiner Ansicht nach wirklich das Beherrschen der Deutschen Sprache. Die Flüchtlinge lernen einfach kein Deutsch, weil der Unterricht in den sogenannten „Integrationskursen“ am Ziel vorbei geht, es wird irgendeine komische Sprache gelernt, die nichts mit dem Alltagsdeutsch zu tun hat. Mehr noch, die Lehrer sind so stark unterbezahlt, dass diese gar keinen Bock haben und meisten auch keine Didaktische Qualifikation! Es geht mehr darum, dass die Sprachinstitute Geld verdienen mit den Flüchtlingen, als das die Flüchtlinge Deutsch lernen!

    Ich habe das selbst erlebt, es war ein Integrationskurs mit weit über 12 Teilnehmern, der Deutschlehrer war Deutscher….nach dem Unterricht habe ich ihn als Muttersprachler angesprochen und der Deutschlehrer hat mich nicht verstanden….ich musste meinen Satz 3 mal wiederholen bis er mich verstanden hat, obwohl ich klar und deutlich mit ihm gesprochen habe…..Ursache ist, dass der Deutschlehrer seit Jahren irgendeinen Scheiß, der nicht mit dem Deutsch zu tun hat, welches man unter Freunden, auf Arbeit oder beim Arzt braucht, zu tun hat, lehrt…..aus irgendwelchen Schrottbüchern….und dann selbst die Deutsche Sprache in Teilen verlernt hat. Alleine schon durch das unnatürliche lernen der Deutschen Grammatik und Rechtschreibung kann man den Flüchtlingen nur einwas geben: Den Rest, um sie vollkommen zu demotivieren!

    Welcher Deutsche hat als Kind schon Grammatik oder Rechtschreibung gelernt? Mit 7Jahren, bevor wir in die Schule gekommen sind, konnten wir alle spreche ohne jemals etwas vom Verb, Adjektiv oder Akkusativ und Satzbau gehört zu haben…..

    Ich testiere also, dass Integration hauptsächlich scheitert weil die Politik, Gesellschaft und Sprachschulen unfähig sind, Deutsch als Fremdsprache zu effektiv zu lehren! Es müssen kleine Lerngruppen her, für schwere Fälle müssen eben auch mal Kleingruppen aufgemacht werden mit 2-4Personen….damit die nicht durchs Netz fallen! Nachhilfe eben!

    Ein Ausländer der fließend Deutsch spricht, wird nicht länger Ausländer sein, denn er wird eine Arbeit finden, in der Schule oder beim Studium mit kommen, Deutsche Freunde finden und auch eine Wohnung finden.

    Die Deutsche Sprache ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Integration!

  4. Ich will hier mal noch etwas anmerken:

    Es gibt genug arbeitslose Germanisten, wenn der Bund oder das Land will, dann würde es ein leichtes sein allen Flüchtlingen mit der Deutschen Sprache zu helfen. Aber offenbar ist das kein Wille ein paar Millionen Euro in die Hand zu nehmen für ein paar 100 mehr qualifizierte Sprachlehrer, um in dieser Folge Milliarden von Euro einzusparen, die sich aus einer sehr guten Integration in den Folgejahren ergeben.

    Dass ist die Dummheit der Deutschen Regierung oder pure Absicht um ein bestimmte Bevölkerungsgruppe als billige Arbeitskräfte zu halten, ich vermute eher letzeres….irgendjemand muss ja die unbeliebten Arbeiten wie Müllmann oder Nachtschichten im Kühlhaus oder Versandhandel machen……

  5. Grüss Dich,

    spätestens ab Absatz 7 stehen Sie in Ihrer Kritik mit PEGIDA und LEGIDA im gleichen Boot. Wie ich in einem vorherigen Kommentar schon erwähnt habe, wird es Zeit, das sich die Linke mit diesen Bewegungen konstruktiv auseinandersetzt. In den nächsten Monaten werden die Zahlen der Teilnehmer wieder steigen. Wenn die Linke den Zorn des Bürgers nicht ernst nimmt und das Feld rechten Geiern überlässt, welche schon im Fahrwasser dieser Bewegungen Kaperversuche starten, dann ist das ein Fehler.
    Dieser Zorn richtet sich hauptsächlich gegen die Entscheider und Volksvertreter, aber mit Tendenzen, die ich selbst nicht gut heisse und denen ich kritisch gegenüberstehe.

    mit freundlichem Gruss
    Daniel Kampfmeier

    P.S.: schweizer Tastaturen belegen kein ’sz‘

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