Die AfD-Fraktion hat im Rahmen des Landtagsplenum eine „Umfassende Berichtspflicht der Staatsregierung zu Asylbewerbern“ beantragt. In dem so harmlos daherkommenden Anliegen liegt durchschaubares Kalkül.
Meine Rede zum Antrag der AfD in der Landtagssitzung am 27. April 2015
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen,
wieder einmal das Thema Asyl, ein Thema, das Europa, die gesamte Bundesrepublik und auch uns hier in Sachsen seit Wochen und Monaten intensiv beschäftigt. Und dies vollkommen zurecht, geht es doch um Menschen, die aus ganz verschiedenen Gründen hierher kommen (müssen) und ein neues Leben in Sicherheit beginnen wollen. Diese Sicherheit wird ihnen – wenn sie es überhaupt hierher geschafft haben – und ich erinnere an dieser Stelle an das Massensterben im Mittelmeer, an 800 Menschen, die vor einer Woche bei der Überfahrt zu Tode gekommen sind und an bis zu 23.000 die vor der Küste Europas seit 2000 ertrunken sind – die Sicherheit, die sie suchen, wird ihnen nicht immer zuteil. Ressentiments und Hass, komplizierte bürokratische Vorgänge und zum Teil menschenunwürdige Lebensbedingungen sind auch in Sachsen Realität.
Ihr Antrag, sehr geehrte KollegInnen der AfD-Fraktion, widmet sich allerdings nicht dieser dringlichen Situation, der Frage wie wir Menschen hier aufnehmen, unterbringen und ihnen Perspektiven öffnen können, was aus Sicht meiner Fraktion die eigentliche und prioritäre politische Aufgabe ist. Nein sie wollen Statistik betreiben.
Angesichts dessen, dass es mit dem Jahresbericht des Sächsischen Ausländerbeauftragten, den neuen thematischen Handreichungen der Landesdirektion und des Sächsischen Ausländerbeauftragten, den monatlichen Informationen auf der Webseite der Landesdirektion, der Asylbewerberleistungsstatistik des Statistischen Landesamtes uswusf. vielfältige Zahlenwerke über Asylsuchende in Sachsen gibt, muss man sich schon fragen was dieser Antrag soll.
So harmlos wie er daherkommt, steckt in ihm jedoch klares Kalkül. Sie wollen ihrer Klientel zeigen, dass sie das Thema weiter am Kochen halten. Liest man die Begründung zum Antragstext, zeigt sich zudem, dass es um mehr als statistische Daten geht: „deshalb ist eine konsequente Ausweisung und Abschiebung aller Asylbewerber unumgänglich, denen kein Schutz nach Artikel 16a GG und dem Asylverfahrensgesetz zu steht.“
Man muss sich schon fragen ob sie an Realitätsverlust leiden. Sachsen ist das Bundesland was nach eigenem Bekunden am konsequentesten und zahlenreichsten abschiebt. Das reicht ihnen offenbar nicht.
Sie haben es offenkundig auf die Menschen, die mit einer Duldung leben, abgesehen. Menschen also, deren Abschiebung aus diversen Gründen ausgesetzt wurde. In Sachsen wohnen – und diese Zahl ist einfach zugänglich – zirka 4000 Geduldete, was einen doch großen Anteil der hier lebenden Asylsuchenden ausmacht. Auch wir wünschen uns für diese Gruppe eine Klärung ihres Status, ein Ende der zum Teil nervenaufreibenden Kettenduldungen. Wir wollen allerdings nicht über Abschiebung, sondern über ein Bleiberecht sprechen. Dies muss für Menschen gelten, die sich dauerhaft in der Duldungsschleife befinden sowie für Menschen, die hier Ausbildungswege beschreiten oder andere Perspektiven für ihr Leben gefunden haben. Über diese Feinheiten und individuellen Geschichten sagen nackte Zahlen wenig.
Mit ihrem Antrag wollen sie weiterhin eine Berichterstattung über Straftaten, die von Asylsuchenden begangen wurden, also eine faktische Sonderstatistik für straffällig gewordene Asylsuchende.
Ja, auch wir wissen, dass entsprechende Gerüchte über die vermeintlich kriminellen Neigungen von Asylsuchenden kursieren, wir haben auch zur Kenntnis genommen und protestiert, dass der Innenminister diese Mär mit der Schaffung einer polizeilichen Sondereinheit genährt hat. Wir wissen aber auch, wenn wir die PKS aufmerksam lesen, dass dieses Gerücht Unfug ist. Wenn sie wirklich für Transparenz und Aufklärung der BürgerInnen sorgen wollen, nehmen sie sich die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik und lesen ab Seite 8 nach. Dass Asylsuchende auch Opfer Kriminalität werden, darüber wollen sie nichts wissen. Allein das ist entblößend.
Eine weitere Frage ist die nach der Wirkungsmacht von Zahlen: bei den Märschen von Pegida und Co konnten sie zu oft hören, wie Fakten angezweifelt werden. „04, % MuslimInnen in Dresden? Die gefühlte Statistik sieht nun mal anders aus!“
Wir haben es also zum Teil mit einer Resistenz gegen Fakten zu tun, die von rassistischen Ressentiments genährt wird. Unsere Botschaft muss aber sein: Es ist ok, wenn MuslimInnen und Asylsuchende hier leben und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, ob sie nun 0.4, 4 oder mehr Prozent ausmachen. Was wir brauchen ist eine Offensive gegen Rassismus, die natürlich auch mit Zahlen gespeist werden sollte.
Was wir zudem brauchen ist ein Monitoring der Lebenslagen von Asylsuchenden, zum Beispiel durch ein baldiges Weiterführen des Heim-TÜVS ergänzt um die Begutachtung dezentraler Unterbringung und andere Aspekte wie Behördenabläufe etc. – ein qualitatives Werk und keine nackten Zahlen.
Wir werden ihren Antrag ablehnen. Nicht weil wir gegen Transparenz für Bürgerinnen und Bürger und auch uns Abgeordnete oder gegen eine bessere Kontrolle der Staatsregierung sind, sondern weil wir ihr Motive in Zweifel ziehen.